Rhein-Neckar, 30. April 2018. (red/pro) Wir hatten vom 09. April bis heute probehalber unsere Facebookseite abgeschaltet. Der Hintergrund: Die Betreuung der Seite macht viel Arbeit, bringt uns aber unmittelbar überhaupt keine Einnahmen zur Finanzierung unserer journalistischen Arbeit. Ganz im Gegenteil kostet uns das nur Geld. Das Ergebnis haben wir erwartet: Wir haben Reichweite verloren, aber nicht dramatisch. Unser Paywall-Angebot entwickelt sich gut.
Seit Ende März haben wir mit Steady einen neuen Dienstleister für unsere gebührenpflichtigen Artikel. Wir sind mit der Entwicklung zufrieden, da wir nach gut einem Monat bereits über den Einnahmen liegen, die wir mit dem früheren Anbieter Selectyco erzielt haben. Allerdings sind wir noch weit davon entfernt, damit unsere Arbeit auch nur ansatzweise finanzieren zu können. Die gebührenpflichtigen Artikel bringen uns monatlich einen mittleren dreistelligen Betrag.
Wenn Sie das Angebot nutzen wollen, gibt es zwei Wege: 1. Sie melden sich bei uns an und zahlen mindestens 60 Euro an uns (Paypal oder Überweisung). Damit sind Sie unser Kunde. Sie müssen sich zudem bei Steady registrieren, wir informieren Steady, dass Sie sich bei uns angemeldet haben und werden ohne weitere Gebühr freigeschaltet. 2. Sie melden sich nur bei Steady an, dann zahlen Sie über Paypal, Bankeinzug oder Kreditkarte direkt an Steady, die dann mit uns abrechnen. In beiden Fällen haben Sie auf alle gebührenpflichtigen Artikel pauschal Zugriff.
Ab der zweiten Aprilwoche hatten wir unsere FB-Seite offline gestellt, um die Auswirkungen zu testen. Das Ergebnis entspricht ungefährt unseren Erwartungen: Wir haben in diesem Zeitraum bis heute dadurch 18 Prozent “Traffic” auf unserer RNB-Seite verloren. Hier muss man noch einen “traditionellen” Verlust herausrechnen – der April ist über die vergangenen Jahren immer ein “unterdurchschnittlicher” Monat gewesen. Bereinigt gehen wir von rund 10 Prozent aus.
Hintergrund: “Social Media” macht viel Arbeit, die nichts mit journalistischen Inhalten zu tun hat. Insbesondere die Moderation von Kommentaren kostet uns täglich Arbeitszeit, die wir lieber in Journalismus investieren. Mit Facebook verdienen wir kein Geld, um unsere Arbeit zu finanzieren – es kostet es nur Geld. Und häufig auch Nerven, insbesondere dann, wenn es zu zahlreichen unqualifizierten Kommentaren kommt.
Zum Vergleich: Aktuell haben wir rund 12.000 Gefällt-mir-Angaben, aber auch seit Anfang 2017 über 1.600 blockierte Facebooknutzer, die sich entgegen unserer Netiquette verhalten haben und deswegen gesperrt worden sind. Rechnet man für jede Blockierung nur eine Minute Aufwand, ergibt das schon 27 Arbeitsstunden, tatsächlich dürfte die Stundenzahl deutlich höher liegen, weil wir ständig die Einträge kontrollieren.
Andererseits sich 18 Prozent Verlust an Reichweite ein Argument. Tatsächlich setzen wir vor Reichweite (Traffic) aber auf Relevanz. Eine höhere Reichweite lässt sich relativ leicht durch entsprechende “Inhalte” erzielen. Boulevardmedien machen das über die TTT-Formel: Tiere, Titten, Tote.
Reichweite hat einen gewissen Wert, was die Vermarktung unserer Werbung angeht: Die Werbekunden wollen natürlich unsere Leserschaft ansprechen. Doch ist “je mehr” nicht automatisch “umso besser”. Wir präsentieren das auch entsprechend: Wir wollen informationsorientierte Menschen ansprechen, die sich regelmäßig über das Geschehen in unserem Berichtsgebiet kundig machen wollen und das mit aktuellen wie hintergründigen Nachrichten, die zudem häufig exklusiv nur bei uns zu finden sind. Doch auch bei Themen, die “alle” Medien bringen, findet die Leserschaft bei uns häufig eine hintergründige Tiefe, die man nirgendwo anders bekommt.
Es wird immer mal wieder behauptet, wenn wir provokante Themen veröffentlichen, uns ginge es um möglichst viele Clicks oder wir würden sogar “Clickbaiting” (Leser mit reißerischen Überschriften neugierig machen und zum Klicken verführen) betreiben. Das ist erstens falsch, wenn man sich unsere Überschriften und die Vorschautexte anschaut und zweitens richtig falsch, weil wir über Clicks kein Geld verdienen. Im Internet gibt es verschiedene Werbemodelle, beispielsweise Tausenderkontaktpreis (TKP) – hier zahlen Kunden einen festen Betrag für je 1.000 Einblendungen. Damit ist ein regionales Angebot nicht zu finanzieren. Wir verkaufen unsere Werbeflächen deshalb zu Festpreisen, die umgerechnet TKPs von 2,50-5,00 Euro entsprechen, was sehr günstig ist.
Wir werten in den kommenden Wochen zeitgenau aus, wie viel Aufwand wir für Facebook aufbringen müssen und möglicherweise schalten wir die Seite komplett ab, wenn wir unter dem Strich zum Ergebnis kommen, dass wir diese Zeit lieber in journalistische Inhalte investieren. Das kostet uns zunächst Reichweite, aber die wollen wir dann sportlich durch unser Angebot zurückholen – schließlich können unsere Leser ja direkt auf unsere Seite zugreifen, ohne den Umweg Facebook.
Das ist auch eine dringende Empfehlung an unsere Leserschaft: Wer sich auf Facebook verlässt, wird durch dessen Algorithmus “informiert”. Facebook “beobachtet” genau, wer sich für was interessiert und dementsprechend bekommt man Inhalte zu sehen oder eben nicht, das heißt, man wird “fremdgesteuert”.