Rhein-Neckar, 30. Juni 2017. (red/pro) Von 630 Abgeordneten haben heute 623 ihre Stimme abgegeben, 393 stimmten für die “Ehe für alle”, 226 dagegen und vier enthielten sich. SPD, Grüne und Linke stimmten fast geschlossen dafür, bei SPD und Linke wurde jeweils eine Stimme nicht abgegeben. Von 309 CDU/CSU-Abgeordneten stimmten 75 zu, vier enthielten sich, fünf haben ihre Stimme nicht abgegeben. Soweit die Zahlen. Manche sprechen von einer historischen Entscheidung – doch das ist falsch. Denn die Geschichte wird sich nicht maßgeblich verändern. Und auch der gesellschaftliche Wandel ist nur unzureichend mit dieser Entscheidung berücksichtigt.
Kommentar: Hardy Prothmann
War das nun der letzte Schritt zur vollumfänglichen gesellschaftlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen? Mitnichten. Vor dem Gesetz ja. Allerdings nur im Bürgerlichen Gesetzbuch und nicht im Grundgesetz. Im BGB § 1353 steht bislang: “Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.” Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrats, der heute mit Mehrheit beschlossen wurde, soll es künftig heißen: “Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.”
In der Konsequenz entfällt die bisherige “Lebenspartnerschaft”. Doch Schwule und Lesben, die bislang verpartnert sind, sind nun nicht automatisch verheiratet. Dafür müssen sie die Ehe vor dem Standesamt schließen, was vermutlich ab dem Spätjahr möglich sein wird.
-Anzeige- |
Möglich ist aber auch, dass es gegen das Gesetz eine Klage geben wird. Das könnte zum Beispiel die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sein, die heute mit gut zwei Dritteln (225 von 309) gegen die “Ehe für alle” gestimmt hat. Ein Viertel der Bundestagsabgeordneten (aktuell 158) könnte vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz klagen. Das ist nicht unwahrscheinlich, denn ehemalige Bundesverfassungsrichter haben bereits ihre Zweifel angemeldet, dass diese Gesetzesänderung dem Artikel 6 Grundgesetz zum Schutz von Ehe und Familie widerspricht oder zumindest damit nicht im Einklang steht. Dann müsste das neue Gesetz weg oder die Verfassung geändert werden – dafür bräuchte es in Bundesrat und Bundestag jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Ach so, warum “Ehe für alle” ein Quatsch ist? Ganz einfach: Es gibt keine “Ehe für alle”. Väter können nicht ihre Söhne und Töchter heiraten und Mütter ebenfalls nicht, ebensowenig Geschwister. Und nimmt man die vielen “Gender”-Geschlechter hinzu, dürfte sich jeder diskriminiert fühlen, der sich nicht als Mann oder Frau und “gleichgeschlechtlich” fühlt, sondern halt irgendwie anders transgendergeschlechtlich. Und minderjährige können ebenfalls nicht heiraten – also ist der Ausdruck “Ehe für alle” ein pauschaler Quatsch.
Kein Quatsch war der Schritt der Kanzlerin, die Abstimmung in der letzten Plenarsitzung des Bundestags in dieser Legislaturperiode herbeizuführen. Damit ist das entschieden – die Unionsparteien haben deutlich gemacht, dass die ihre Mehrheit gegen die Gleichstellung der “klassischen” Ehe mit der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft ist. Ein knappes Drittel hat zugestimmt, womit die Unionsparteien klar sagen können, dass unterschiedliche Positionen vorhanden sind, die konservative Sicht aber profilschärfend überwiegt. Selbst wenn alle der CDU/CSU-Fraktion dagegen gestimmt hätten, hätte es trotzdem eine Mehrheit für die Änderung gegeben. Die kinderlose Ehefrau Merkel hat dagegen gestimmt. Punktsieg für Merkel. Zwar hat die Mehrheit im Bundestag für die Änderung gestimmt, aber ob das auch die Mehrheit der Bevölkerung so sieht?
Auch Quatsch war die Meldung in vielen Medien, Frau Dr. Merkel hätte den Fraktionszwang aufgehoben. Den gibt es zwar als “übliches” Verhalten, aber nirgendwo gesetzlich. Jeder Abgeordnete stimmt nach seiner Überzeugung und niemand kann ihn dafür zur Rechenschaft ziehen. Außerdem ist Frau Merkel nicht Fraktionschefin, das ist Volker Kauder. Das Parlament ist die Legislative, Frau Merkel Chefin der Exekutive. Soviel politische Bildung sollte in politischen Redaktionen vorhanden sein – ist es aber ganz offenbar nicht.
Aktuell soll es (Stand 2015) rund 40.000 gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in Deutschland geben. Wenn die nun alle heiraten, ändert sich nichts, außer, dass die Standesämter neue Gebühren einnehmen und manche Rechtsanwälte Eheverträge ausarbeiten. Für gleichgeschlechtliche Partner wird es einfacher, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Doch auch das ändert die Gesellschaft nicht, selbst, wenn das alle tun wollten, was aber nicht alle wollen werden.
Diese “Ehe für alle” ist ein Murks. Warum? Weil mit dieser Gesetzesänderung zwei ganz wesentliche Veränderungen der Gesellschaft auch nicht ansatzweise vernünftig und an der Lebensrealität ausgerichtet werden. Der ursprüngliche Gedanke des Grundgesetzes ist der Schutz der Ehe und Familie – als Ort und Hort, um Kinder in die Welt zu setzen und diese aufzuziehen.
Doch ist “Kinder haben” in Deutschland klipp und klar ein Armutsrisiko geworden – insbesondere für Alleinerziehende, die meist Frauen sind. Häufig teilen sie sich mit dem Kindsvater das Erziehungsrecht – wiederum abgeleitet aus der Schutzfunktion der Familie. Neue Lebenspartner haben ganz überwiegend kein Erziehungsrecht, was absurd ist, wenn die Kinder ganz überwiegend mit dem nicht-leiblichen Partner aufwachsen und der andere Elternteil die Kinder nur für wenige Stunden in der Woche sieht. Gegenüber neuen Partnern sind gleichgeschlechtliche Eheleute bei Adoptivkindern klar besser gestellt.
Das Konstrukt Ehe und Familie gehört von Grund auf überholt. Es ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß, dass kinderlose Eheleute, egal welchen Geschlechts, steuerlich besser gestellt werden und umgekehrt, nicht verheiratete Eltern schlechter.
Die deutsche Gemeinschaft braucht Kinder – ohne Nachwuchs überlebt kein Staat. Kinder dürfen kein Luxus sein und keine Armutsbedrohung darstellen. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, allen, die Kinder in die Welt setzen, mit maximaler Hilfe zur Seite zu stehen – ganz gleich, ob man verheiratet ist oder nicht oder mit neuen Partnern zusammenlebt.
Die Ehe sollte durch die Lebenspartnerschaft abgelöst werden unter der verschiedene Formen des Zusammenlebens möglich sein sollten – auch als Ehe. Als kinderlose Ehe, als kinderhabende Ehe, homo- oder heterogeschlechtliche Ehe.
Auch Quatsch sind die Rollenbilder, die immer ins Feld gebracht werden. Kinder bräuchten Väter und Mütter, um sich zu orientieren. Das ist ausgemachter Blödsinn. Kinder brauchen Erwachsene, die sich gut kümmern und an deren vorbildhaftem Verhalten Kinder sich orientieren können. Kein Kind braucht gewalttätige Väter oder verhuschte Heimchen am Herd und auch keine Helikopter-Eltern. Eine ganze Generation ist mit fehlenden Vätern aufgewachsen, die auf den Schlachtfeldern ihr Ende fanden. Und Väter wie Mütter, die sich warum auch immer wenig kümmern, haben ihre Aufgaben noch nie erfüllt.
-Anzeige- |
Nicht die Ehe braucht Schutz, sondern die Kinder brauchen Schutz und gute Entwicklungsmöglichkeiten – und die, die sich verantwortlich um sie kümmern.
Eine moderne Gesellschaft wie unsere muss sich keine Sorgen machen, “verschwult” zu werden, wenn man sexuelle Orientierungen einfach als das anerkennt, was sie sind: Realitäten. Eine Gesellschaft wird aber gaga, wenn sie sich nur noch an den Minderheiten orientiert. Niemand weiß es genau, geschätzt 5-10 Prozent der Bevölkerung sind nicht vorwiegend heterogeschlechtlich orientiert. Geht in Ordnung. Die Mehrheit hat diese Minderheit zu achten – umgekehrt kann man aber auch erwarten, dass die Minderheit achtet, dass es eine andere Mehrheit gibt, “andere Bedürfnisse” also deutlich größer sind.
Von der Politik – aber auch von den Medien – würde ich mir wünschen, dass es weniger um Show geht, als mehr um Inhalte. Die “Ehe für alle” bringt überhaupt keine Verbesserung für den Wunsch nach und das Leben mit Kindern.
Hier muss man die Ärmel hochkrempeln und für gute Verhältnisse sorgen. Denn viele Kinder leiden nicht darunter, dass Papa oder Mama nicht mehr in der Familie leben, sondern das Alleinerziehende um ihre Existenz kämpfen müssen und neue Partner, die sich kümmern, keine Rechte haben.