Rhein-Neckar, 30. März 2020. (red/pro) Die Politik gefällt sich aktuell gerne als Helfer in der Krise. Dieses Narrativ ist falsch. Sie rechnen sich ihren Profit aus, indem Sie denen helfen, von denen sie gelernt Unterstützung erfahren haben, andere sind ihnen herzlich egal. Bauer gegen Journalist ist eine Gleichung „voller Magen“ gegen „geistige Nahrung“. Bürgermeister reagieren nach „Bauchgefühl und nicht nach Verstand. Das wird böse enden, weil ein voller Bauch selten dazu führt, dass der Geist frei wird.
Dokumentation: Diese email ging vergangene Woche an alle zehn Bürgermeister im Landtagswahlkreis Weinheim und an den Bürgermeister von Viernheim. Von elf Bürgermeistern hat nur einer zumindest mit uns telefoniert und die Lage als „schwierig“ eingestuft. Das RNB hat „kostenfrei“ einen Banner am 27. März 2020 geschaltet, durch den Erntehelfer für die Landwirtschaft gesucht wurden. Den Banner haben wir wieder entfernt, weil niemand dafür zahlen wollte.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister …,
wir haben heute den von Ihnen übermittelten Banner als Anzeige prominent geschaltet. Aus diversen Gründen, die ich Ihnen begründet mitteile. Ich bitte um Weiterleitung an Ihre Kollegen im Sprengel und nach Viernheim.
Selbstverständlich steht das von mir verantwortete redaktionelle Angebot Rheinneckarblog.de bereit, in Zeiten der Krise einen Beitrag zu leisten. Da muss ich nicht lange drüber nachdenken. Ich möchte aber Ihnen und Ihren Kollegen einiges zum Nachdenken geben.
Auch journalistische Inhalte sind ein Grundnahrungsmittel.
Wenn diese kritisch sind, sind diese sogar besonders nährstoffreich und delikat und werden unter erheblichen Anstrengungen angebaut, um im Bild zu bleiben.
Die Landesregierung hat in ihrer Allgemeinverfügung „Rundfunk/Presse“ (online hat man vergessen, gehört aber auch dazu) diese Angebote explizit als „kritische Infrastruktur“ aufgeführt.
Ich habe 2009 experimentell das Heddesheimblog gestartet – als impulsives Projekt, völlig planlos, was sich daraus ergeben könnte. Es kamen weitere „Ortsblogs“ hinzu, 2011 das Rheinneckarblog und 2015 habe ich die Ortsblogs als eigene identitätsstiftende Angebote zunächst aufgegeben und im Rheinneckarblog integriert.
Während dieser elf Jahre sehr harter Arbeit bis an physische und psychische Grenzen habe ich nicht eine Unterstützung durch irgendeinen Landwirt erfahren. Und insgesamt durch die Kommunen im Berichtsgebiet auch nur zählbar selten.
Ich habe persönliche Einkommenseinbußen in erheblichem Umfang hingenommen – meine Entscheidung. Denn ich bin nach wie vor ideell davon überzeugt, dass eine verständige und kritische lokale und regionale Berichterstattung „überlebensnotwendig“ für eine lebendige Demokratie ist (gilt auch für Land und Bund). Dazu habe ich in erheblichem Umfang einen Beitrag geleistet, der mit „Kraftakt“ verniedlicht würde.
Sie und einige Ihrer ins Amt gewählte Kollegen wissen, dass die von mir verantwortete Berichterstattung daran einen Anteil hatte. Bei den meisten Bürgermeisterwahlen (alle haben wir nicht geschafft), haben wir uns kritisch eingebracht und auch klare Empfehlungen abgegeben. Es wurden ohne Ausnahme die Personen ins Amt gewählt, die wir empfohlen oder als am geeignetsten vorgestellt haben. Ohne jede Vorteilsnahme, sondern nur auf Basis von Recherche, Analyse, Einordnung.
Bekanntlich gibt es einen Kollegen, mit dem es erhebliche Probleme in der Vergangenheit gab und gibt. Auch hier habe ich niemals die fachlichen Qualitäten bestritten, ganz im Gegenteil, sehr wohl aber die politischen und moralischen Handlungen. Ich sags mal salopp: In jeder Herde gibt es ein schwarzes Schaf.
Sie, lieber Herr …, wissen, wie andere, um meine journalistische Haltung und wir haben über die vielen Jahre ein sehr gutes Verhältnis miteinander in gegenseitiger Wertschätzung der jeweiligen Arbeit. Das freut mich sehr. Aber neben dem persönlichen Verhältnis geht es im Kern immer um die faktische, fachliche Auseinandersetzung. Und als Sie mir mitteilten, dass „mein Tisch“ im Ratssaal immer noch steht, da haben Sie mich (positiv) beschämt. Besten Dank dafür!
Ich würde sehr gerne am liebsten persönlich oder durch Mitarbeiter Ihrer Arbeit und der des Gemeinderats beiwohnen, aber dazu fehlen aktuell seit einiger Zeit die Ressourcen. Ich finde seit über zwei Jahren keine geeigneten Mitarbeiter mehr, die bereit und fähig sind, sich in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten. Die Alternative, gestandene Journalisten zu beauftragen scheitert an finanziellen Ressourcen, wobei ich wieder bei den Einnahmen bin, die von Seiten der Kommunen (und anderen) an uns überhaupt nicht fließen.
Ich habe es – wie auch immer – in den vergangenen Jahren geschafft, meinen Betrieb am Laufen zu halten. Aktuell habe ich mit allen Werbekunden aus dem Bereich Touristik, Freizeit, Gastronomie etc. eine Vertragsruhe vereinbart. Es gab keine Kündigungen, es werden aber auch keine Rechnungen auf nicht-absehbare Zeit mehr gestellt und keine Anzeigen geschaltet.
Der aktuelle Banner kostet pro Woche 389 Euro netto plus 50 Euro Einrichtungsgebühr, also 439 Euro netto. Wenn alle genannten Kommunen ihren Beitrag leisten, zahlt jede nur rund 40 Euro. Wird zwei Wochen gebucht, sind es 80 Euro netto, aber für mein kleines Unternehmen knapp 880 Euro Netto-Einnahmen, die erheblich gebraucht werden.
Sie, Herr … und Ihre Kollegen, entscheiden, was Ihnen unser Angebot, was kritischer Journalismus wert ist. Aktuell über eine nachträgliche Finanzierung einer Anzeige – zukünftig aber auch, ob unser Angebot erhalten werden kann, denn 880 Euro sind ein Umsatz, aber keiner, auf dem man eine Zukunft aufbaut, schon gar nicht, wenn das eine Einzelbuchung bleiben sollte.
Und auch hier ein kritisches Wort: Es gibt seit vielen Jahren eine Tendenz, von Kommunen wie von Unternehmen, gewerbliche Angelegenheiten als „Presseinformation“ anzubieten.
Wir erhalten jede Woche von (bezahlten) Agenturen „Presseinformationen“ über Geschäftseröffnungen oder Aktionen, die eindeutig gewerblich sind. Wenn ich angerufen werde, ob man eine email erhalten habe, frage ich manchmal nach: „Sie sind doch eine Agentur und werden dafür bezahlt?“ „Ja“ „Wir bieten journalistische Inhalte und Werbeflächen an, die man buchen kann“ „Ach so“ „Stellen Sie sich mal vor, es gibt keine journalistischen Inhalte mehr, in denen Agenturen die Buchung von Werbung umgehen wollen, weil sie meinen journalistisch interessante Inhalte anzubieten. Womit machen Sie dann noch Geschäft?“ „Interessante Sichtweise, danke fürs Gespräch“.
Im Journalismus droht in den kommenden Jahren eine massive Veränderung hin zur Mono-Kultur bis hin zu „türkischen Verhältnissen“ (das meine ich Ernst, es gibt keinen unabhängigen Journalismus mehr in der Türkei seit vielen Jahren und das strahlt auch nach Deutschland aus).
Sie und Ihre Kollegen wissen selbst, dass die lokale Berichterstattung abnimmt und immer oberflächlicher wird. Es wird zu einer „Verödung“ kommen und statt eines breiten, vielfältigen „Anbaus“ von Informationen, werden nur noch „gewinnbringende“ Pflanzen kultiviert. Siehe Landwirtschaft.
Beim RNB gibt es im Gegensatz zum „Gemeindeblatt“, das es in vielen Gemeinden noch gibt, keinen Inhalt gegen Anzeigen. Bei uns gibt es unseren Inhalt und Anzeigen kann man buchen oder nicht. Punkt.
Gleichzeitig werden die Verhältnisse immer prekärer – beste Chancen für Populisten aller Art und einen hohen Frust in der Bevölkerung, der letztlich eine konstruktive kommunale Gestaltungsarbeit immer schwieriger machen wird.
Ich gebe das intellektuell zu Bedenken – und gehe davon aus, dass Ihnen allen das bewusst ist.
Ich bin mir auch bewusst, dass Sie und Ihre Kollegen solche Mitteilungen von anderen Medien nicht kennen (insbesondere nicht von einem gewissen Großverlag im Südwesten und anderen vor Ort). Ich stehe Ihnen und den Kollegen, auch im Sprengel in einem gemeinsamen Gespräch gerne Rede und Antwort, wie ich die künftige Entwicklung beurteile.
Gleichzeitig baue ich mein Beratergeschäft aus. Das trägt seit Monaten schon deutlich besser als der Journalismus. Beides liegt mir am Herzen, aber wenn der Tag kommt, an dem ich mich entscheiden muss, dann tue ich das zugunsten wirtschaftlicher Aspekte. Ich denke, das können Sie nachvollziehen.
Ich stehe Ihnen weiterhin gerne als Ansprechpartner für redaktionelle Dinge zur Verfügung, was aber ohne Änderung der Verhältnisse endlich sein wird.
Und in Zukunft dann als Berater allen, die mich ordentlich bezahlen. Das können auch Bürgerinitiativen sein. Hier gibt es auch erheblichen Beratungsbedarf.
Beste Grüße
Hardy Prothmann
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