Mannheim/Stuttgart, 29. November 2016. (red/pro) Über die Toten nichts als Gutes – das soll auch für Wolfgang Raufelder gelten. RNB-Chefredakteur Hardy Prothmann schreibt aus seiner Perspektive über den angeblich unerwarteten, tragischen Tod eines eher sanften Politikers. Das jähe Ende seines Lebens wirft Fragen auf – die möglicherweise eine öffentliche Relevanz haben. Bislang aber nicht.
Von Hardy Prothmann
Wolfgang Raufelder ist nicht mehr unter uns. In Gedanken bin ich vor allem bei seiner Familie und wünsche dieser Kraft – nicht nur wegen der Trauer, die zweifelsfrei empfunden wird, sondern wegen dem, was an die Öffentlichkeit gedrungen ist.
Wolfgang Raufelder hat seinem Leben ein Ende gesetzt und dieses Ende war nicht gnädig. Verschiedene Medien haben Details zu seinem Freitod veröffentlicht. Warum?
Ich kann nicht behaupten, dass ich Herrn Raufelder besonders gut kannte. Wir haben uns auf Terminen getroffen, wir haben telefoniert und gelegentlich habe ich ihn interviewt. Wir hatten ein professionelles Verhältnis.
Ich habe einen Menschen kennengelernt, der eher zögerlich und zurückhaltend war. Der harte Angriff, die starken Töne, das war nicht sein Stil. Er war bestimmt, aber kein Krakeeler.
Ohne Zweifel war Wolfgang Raufelder ein Grüner. Getragen von Ideen, wie man Ökologie und Ökonomie zusammenbringt. Irgendwie ein “Fundi” von der Überzeugung her, aber kein Revoluzzer. Irgendwie ein “Realo”, aber keiner, der sich den Schneid seiner Überzeugung abkaufen ließe.
Was mir von anderen über Wolfgang Raufelder übermittelt wird, ist, dass er ein Mensch war, der sich aus Überzeugung eingesetzt hat und der leider nicht “Nein” sagen konnte.
Er hatte erhebliche gesundheitliche Probleme – inwieweit diese für seine einsame Entscheidung maßgeblich waren, weiß aktuell niemand. Die Umstände seines Ablebens könnten relevant sein oder werden. Sehr bitter ist, dass einige Details schon bekannt gemacht worden sind und jegliche Einordnung fehlt.
Man kann und muss dem Mann und seiner Familie wünschen, dass gewisse Medien noch ein Restbewusstsein von Anstand haben und die Spekulationen nicht ins Kraut schießen lassen.
Sein Tod ist tragisch. Punkt. Sein Tod ist aber erstmal eine private Trägodie. Natürlich ist sein Tod auch öffentlich, denn er war eine öffentliche Person und hat im öffentlichen Raum sein Leben beendet. Warum auch immer – niemand weiß das bislang und ob die Hintergründe die Öffentlichkeit etwas angehen könnten, ist noch vollständig unklar.
Die Art und Weise, wie er aus dem Leben geschieden ist, ist verstörend. Niemand hat ein Anrecht darauf, es zu wissen, gewisse Medien hatten aber nichts Besseres zu tun, als diese Umstände zu verbreiten. Es kann sein, dass weitere Recherchen dazu notwendig sind. Aber es muss nicht sein, dass diese Recherchen öffentlich werden. Es könnte aber auch sein, dass sie öffentlich werden müssen. Ich kann das aktuell überhaupt nicht beurteilen, weil es eben so viele offene Fragen gibt.
Fest steht für mich, dass Wolfgang Raufelder ein konzentrierter Gesprächspartner und verantwortlicher Politiker war. Eher ernst, aber zum Scherzen gerne bereit, war er aus meiner Sicht ein nachdenklicher Mensch, den seine Sache, seine Überzeugungen umgetrieben haben. Dafür habe ich ihn immer respektiert, aber auch kritisiert – vor allem, wenn er geschwiegen hat, wenn ich ihn zu einer Antwort drängen wollte.
Das war vor kurzem wieder einmal der Fall. Ich muss mich fragen, ob ich irgendeine Art von Schuld habe, ihn zu sehr gedrängt zu haben – aber die Antwort kann ich zweifellos geben: Ich habe nicht ihn persönlich zu sehr gedrängt, sondern die Mannheimer Grünen insgesamt. Davon war er ein gewichtiger Teil.
Der Druck, der auf Politikern lastet, ist enorm. Insbesondere auf solchen, die wie Wolfgang Raufelder die nachdenklichen, die empfindlichen sind und dazu gesundheitlich angeschlagen.
Ich kann überhaupt nicht beurteilen, was entscheidend für seinen letzten Willen war. Die Politik, sein gesundheitlicher Zustand (jeder wusste um seine Knieprobleme, die ihm enorm zugesetzt haben) oder andere Gründe oder eine Mischung aus allem.
Ich behalte – und das ist eine sehr wichtige Botschaft – Wolfgang Raufelder sehr gerne als nachdenklichen, sehr akribischen und engagierten Menschen in Erinnerung, der sich mit enormer Energie für die Gesellschaft eingesetzt hat.
Woran er zerbrochen ist, weiß ich nicht. Aber er ist es.
Für mich bleibt wieder die Erkenntnis, dass man den Menschen nicht hinter die Stirn schauen kann. Er hat wohl viel mit sich selbst ausgemacht und keinen Ausweg mehr gesehen.
Es kann nicht daran liegen, dass er keine Ansprechpartner hatte – der Mann war beliebt und hatte viele Ansprechpartner, aber offenbar niemand, der ihn von seiner vollständigen Verzweiflung im letzten Schritt abhalten konnte.
Wir alle müssen demütig sein und verinnerlichen, dass Beliebtheit auch eine große Einsamkeit mit sich bringen kann – wie auch immer. Es gibt keinen Masterplan.
Warum?, ist die Frage, die sich aktuell viele stellen. Seine Familie, seine Freunde, seine politischen und professionellen Wegbegleiter wie ich einer von vielen bin.
Aktuell kann sie niemand eindeutig beantworten. Ob es eine eindeutige Antwort geben kann, ist offen.
Eine Schlussfolgerung ist offensichtlich: Lasst uns aufeinander gut aufpassen. Niemand hat eine offensichtlich direkte Schuld – aber vielleicht hat jemand was übersehen?
Wenn das so wäre, sollten wir daraus lernen. Sein Leben war wertvoll und es ist nun unwiederbringlich vorbei.
Das ist erschütternd. Denn Wolfgang Raufelder ist einer, der als bedächtige Stimme im öffentlichen Raum fehlen wird.
Wie er privat fehlen wird, geht die Öffentlichkeit genau gar nichts an.