Mannheim, 29. September 2015. (red/ms) Die Zukunft der Geschwister-Scholl-Werkrealschule ist nach wie vor ungewiss. Seit langer Zeit wird in der Mannheimer Kommunalpolitik über eine Schließung der Schule debattiert. Zwischenzeitlich sah es in der Sitzung am vergangenen Mittwoch danach aus, als würde sich der Bildungsausschuss für einen Erhalt der Schule aussprechen. Nach Einwürfen des Schulbereits und Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb gab er schließlich aber überhaupt keine Beschlussempfehlung an den Gemeinderat ab.
Von Minh Schredle
Seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung sinken in ganz Baden-Württemberg die Schülerzahlen an Werkrealschulen. Außerdem soll es nach den Plänen der grün-roten Landesregierung ab dem kommenden Schuljahr möglich sein, den Hauptschulabschluss künftig nicht nur an Gemeinschaftsschulen, sondern auch an regulären Realschulen zu erwerben.
Langfristig erscheint es somit wahrscheinlich, dass die bisherige Dreizügigkeit des Schulsystems in Baden-Württemberg – Werkrealschule, Realschule, Gymnasium – keine Zukunft mehr hat. Vorausgesetzt natürlich, die Rechtslage auf Landesebene bliebe unverändert.
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In der Mannheimer Kommunalpolitik wird in diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit über die Zukunft der Geschwister-Scholl-Werkrealschule debattiert. Die Schule ist Teil eines Komplexes in Vogelstang, direkt daneben befinden sich eine Realschule und ein Gymnasium. Alle Gebäude sind sanierungsbedürftig – Sanierungen können aber nur dann geplant und durchgeführt werden, wenn klar ist, wie die Zukunft eines Gebäudes aussehen soll.
Aktuell ist die Werkrealschule stabil – sie nimmt sogar zahlreiche Schulabgänger aus dem Umfeld auf. Nach eigenen Angaben der Schule habe man im Schnitt jede Woche einen Neuzugang in Klassenstufe acht.
Dennoch machen sich auch an der Geschwister-Scholl-Werkrealschule die Auswirkungen der Schulgesetzesänderungen auf Landesebene bemerkbar: Die Zahl der eingeschulten Schüler sinkt. Langsam, aber sicher auf ein kritisches Level.
An der Geschwister-Scholl-Werkrealschule gibt es eine Vorbereitungsklasse mit 35 Schülerinnen und Schüler. 12 davon sind junge Flüchtlinge, die noch alphabetisiert werden müssen. Es ist unklar, ob eine Vorbereitungsklasse in dieser Form an einer Realschule fortgesetzt werden könnte.
Ein weiterer Punkt, der für den Erhalt der Schule spricht: Bei einer Schließung wäre unklar, was mit dem bisherigen Personal der Werkrealschule geschehen würde. Vom Land Baden-Württemberg gibt es keine Garantie, dass das (komplette) Personal fortan weiterhin an den Geschwister-Scholl-Schulen unterrichten könnte – das Personal wurde bereits mehrfach von verschiedenen Stadträten und dem Schulbeirat für “besondere Kompetenzen” gelobt – diese seien besonders wichtig, weil das Lernumfeld besondere soziale Herausforderungen biete.
“Wir werden mehr Vorbereitungsklassen brauchen”
In seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch sollte der Bildungsausschuss eigentlich eine Beschlussempfehlung über die Zukunft der Schule an den Gemeinderat aussprechen. Doch dazu kam es nicht.
Die CDU-Stadträte Rebekka Schmitt-Illert, Nikolas Löbel und Konrad Schlichter, so wie Roland Weis von der Mannheimer Liste sprachen sich deutlich für den Erhalt der Werkrealschule aus. Frau Schmitt-Illert sagte dazu:
Für uns gibt es keinen ersichtlichen Grund, warum eine funktionierende, stabile Schule geschlossen werden sollte.
Außerdem werde man aller Voraussicht nach in naher Zukunft noch mehr Vorbereitungsklassen brauchen, wie es sie aktuell an der Werkrealschule schon gibt – man sollte hierbei nicht auf die Expertise eines Kollegiums verzichten, dessen Arbeit sich über Jahre hinweg bewährt habe.
Kompetenzen erhalten
Spannend ist: Auch die SPD-Fraktion positionierte sich zunächst deutlich gegen den Beschlussvorschlag von Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb (SPD). Stadträtin Lena Kamrad sagte dazu:
Kompetenzen des Kollegiums sollen dem Stadtteil unbedingt erhalten bleiben – das ist aktuell nicht ausreichend gewährleistet.
Zwischenzeitlich sah es also danach aus, als würde die Verwaltungsvorlage mit deutlicher Mehrheit abgelehnt werden. Die beiden grünen Stadträte Dirk Grunert und Elke Zimmer, sowie Volker Beisel (FDP) und Thomas Trüper sprachen sich für eine Schließung aus – wenn auch unter Vorbehalten. Volker Beisel sagte dazu:
Ich könnte mich schweren Herzens von diesem Standort trennen. Ich habe ein bisschen das Gefühl, wir drehen uns endlos im Kreis. Wir sind uns alle einig, dass in naher Zukunft Werkrealschulen geschlossen werden müssen – aber wenn es dann um eine konkrete gehen, will keiner mehr verantwortlich sein.
Man dürfe bei der Schulentwicklung nicht nur an die nächsten Jahre, sondern müsse an die nächsten Jahrzehnte denken.
Die Gebäude der Geschwister-Scholl-Schulen sind allesamt dringend sanierungsbedürftig – würde es sich da lohnen, Millionenbeträge in das Gebäude einer Schule fließen zu lassen, die möglicherweise in wenigen Jahren geschlossen wird?
Prozess noch aufzuhalten?
Denn wenn die Schülerzahlen weiter sinken, werde das eintreten, betonte Bildungsbürgermeisterin Freundlieb. Dabei sei es egal, wie viele Schüler im laufenden Schuljahr an der Werkrealschule aufgenommen werden – entscheidend sei die Mindestzahl der Anmeldung von 16 Kindern zum Schuljahresbeginn.
Dieser Grenze komme man bereits jetzt gefährlich nahe. Es könne sein, dass die Schule also zwangsweise geschlossen wird, wenn man nicht jetzt agiere. Noch habe die Stadt Mannheim Gelegenheit, die Zukunft der Schule zu gestalten – in zwei Jahren könne das schon anders aussehen:
Das Austrocknen von unten ist nicht mehr aufzuhalten. Sie können den Schließungsprozess nicht mehr verhindern.
Keine Entscheidung des Gemeinderats könne das Wahlverhalten der Eltern beeinflussen. Und dieses tendiere ganz eindeutig dazu, dass Eltern ihre Kinder zu dem höchsten formellen Bilungsabschluss bringen wollen, den die Kinder erreichen können. Die Attraktivität der Werkrealschule sinke auch, da an der benachbarten Realschule sich ebenfalls ein Hauptschulabschluss erreichen lässt.
Entscheidung vertagt
Das ausführliche und eindeutige Statement der Bürgermeisterin sorgte für Unruhe im Gremium – die SPD war danach offenbar nicht mehr ganz so entschlossen, den Beschlussvorschlag abzulehnen. Die Sitzung wurde für knapp zehn Minuten unterbrochen.
Anschließend kam es nicht mehr zu einer Entscheidungsfindung. Dirk Grunert, Fraktionsvorsitzender der Grünen, beantragte, dass der Bildungsausschuss keine Beschlussempfehlung abgeben solle und man das Thema in der kommenden Gemeinderatsitzung noch einmal diskutieren solle, nachdem die Fraktionen sich erneut intern beraten haben.
Der Antrag von Herrn Grunert fand eine knappe Mehrheit – gegen den Widerstand der CDU und Protest von Roland Weiß (ML). Im Gegensatz zu den Stadträten stimmte allerdings der Schulbeirat ab: Vier Personen votierten für den Erhalt, vier für die Schließung. Zwei enthielten sich. Für die Entscheidungsfindung des Gemeinderats hat dieses Stimmungsbild keine Verbindlichkeit.