Mannheim, 29. Oktober 2014. (red/pro) Das Thema Flüchtlinge treibt die Menschen – ja zu Kriegsflüchtlingen. Aber nein zu den anderen, die nur in den „Wohlstand“ einreisen wollen. Chris Rihm, CDU-Bezirksbeirat und Landtagskandidat für den Mannheimer Norden hat aktuell eine Veranstaltung organisiert, die sehr spannend war. Im Interview erläutert er seine Position.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Rihm, toller Erfolg mit der Veranstaltung gestern, zu der Sie eingeladen hatten. Haben Sie mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Chris Rihm: Ja. Das Thema Flüchtlinge beschäftigt uns Menschen, vor allem uns Bürger in Käfertal, Feudenheim und Vogelstang.
Sie sind ja nicht nur einfacher Bürger, sondern CDU-Landtagskandidat. War das der Wahlkampfauftakt?
Rihm: Nein. Mir liegt an einer sachlichen Diskussion. Deshalb habe ich mich zurückgehalten und auf dem Podium hatten vor allem der Stabschef der Polizei, Herr Kriminaldirektor Gerhard Regele sowie der Abteilungsleiter Flüchtlinge im Fachbereich Soziales der Stadt, Herr Gottfried Bleul die Lage aus deren Sicht dargestellt und die meisten Fragen der Bürger gingen an diese Herren, die bereitwillig Auskunft gegeben haben. Die beiden sind die Experten in ihren jeweiligen Bereichen und haben unpolitische und sachgemäße Antworten geliefert.
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Lesetipp: Die bislang eindrückliste Veranstaltung zum Thema Flüchtlinge
Reportage aus Mannheim-Käfertal
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Wie fanden Sie die Stimmung?
Rihm: Anfangs durchaus kritisch. Es waren viele Emotionen im Raum spürbar. Im Verlauf der Veranstaltung hat sich die Stimmung deutlich aufgehellt. Vor allem die drei Flüchtlinge aus Syrien haben ihre Fluchtgründe dargestellt und die Situation, in der sie sich befinden. Und welche Zukunftsperspektiven sie sich vorstellen. Das hat vermutlich vielen Bürgern geholfen, sich ein differenziertes Bild zu machen.
Ganz klar waren viele Bürger aber sehr kritisch eingestellt – können Sie deren Haltung nachvollziehen?
Rihm: Ja, selbstverständlich. Zum Thema Flüchtlinge gibt es seit Monaten ein besonders schwerwiegendes Problem – und das ist die Kommunikation. Deswegen fand ich die Veranstaltung sehr spannend, weil tatsächlich viele Bürger mit unterschiedlichen Einstellungen und Auffassungen zu Wort kamen. Also sowohl die, die eher gegen Flüchtlinge eingestellt sind als auch die, die der Aufnahme sehr positiv gegenüber stehen.
Gibt es Wortbeiträge, die Sie überrascht haben?
Rihm: Gleich zu Beginn meinte jemand, wir sollten uns alle ein Kopftuch kaufen. Puh, habe ich in dem Moment gedacht, jetzt geht es rund. Kompliment an meinen Parteifreund Nikolas Löbel, der hat das souverän in den Griff bekommen.
Was noch?
Rihm: Die enormen Beschuldigungen unter der Gürtellinie in Richtung Polizei. Herr Regele hat offen und ehrlich Antworten geliefert und nichts beschönigt. Trotzdem gibt es unfassbare Unterstellungen und ein schon fast strukturelles Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden. Das gibt mir sehr zu denken – auch hier muss es wohl eine bessere Kommunikation geben, weil wenn das Vertrauen in diesen Teil der staatlichen Strukturen tatsächlich verloren geht, haben wir gesamtgesellschaftlich ein richtig großes Problem.
Was kann man tun?
Rihm: Wir müssen reden, reden, reden. Und zwar mit- und nicht nur übereinander. Und dabei müssen wir uns anständig benehmen und uns auch vertrauen. Ohne das geht es nicht. Die Menschen, die niemandem mehr vertrauen, tun mir leid. Ich werde mich bemühen, auch diese Leute zu erreichen, um ihnen etwas zu geben, was jeder Mensch dringend braucht, wenn er nicht verbittert werden will.
Haben Sie alle Fakten, wie sie von Herrn Bleul und Herrn Regele vorgetragen worden sind, gewusst?
Rihm: Klar – ich bin in der Kommunalpolitik verankert und kann mir zudem als Einsatzleiter Rettungsdienst der Stadt Mannheim noch ganz andere Eindrücke verschaffen, weil ich vor Ort mehrfach in allen Einrichtungen war, ob in der Kleiderausgabe auf Spinelli oder eben über den Rettungsdienst.
Wie beurteilen Sie die Situation in den Lagern?
Rihm: Das geht nur differenziert.
Dann tun Sie das mal.
Rihm: Als erstes müssen wir die fremden Menschen und die Begrifflichkeiten auseinanderhalten. Wir haben eine enorme Zuwanderung durch Südosteuropäer. Das sind Zuwanderer und keine Flüchtlinge, aber eine enorm große Gruppe von über 10.000 Menschen in Mannheim. Dann haben wir die kommunalen Flüchtlingen – diese haben einen Aufenthaltsstatus. Das sind rund 500, 200 auf Franklin, der Rest über die Stadt verteilt. Die dritte Gruppe, fast 12.000 Menschen, sind Flüchtlinge, die dem Land Baden-Württemberg zugeordnet sind.
Das war die Differenzierung?
Rihm: Nein – denn was ich jetzt sage, ist morgen schon wieder anders. Bis vor Kurzem wurden die Menschen durch das Regierungspräsidium Karlsruhe registriert und dann verteilt. Der enorme Andrang hat zu weiteren Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) und Bedarfsorientierten Erstaufnahmen (BEA) geführt. Das betrifft alle Kasernengelände in Mannheim. Diese sollen als „Überlauf“-Unterkünfte dienen. In Heidelberg ist jetzt eine zentrale Registrierung eingerichtet worden, um die Menschen zu erfassen und dann zu verteilen.
Ok – es gibt also unterschiedliche Flüchtlinge. Und die Situation in den Lagern?
Rihm: Auf dem Columbus-Areal in Franklin sind die Menschen ganz überwiegend in Wohnungen untergebracht, die nach und nach an die Wasserversorgung angeschlossen wurden und werden. Spinelli steht dazu im Kontrast – hier sind jeweils hunderte von Menschen auf Lagerhallen verteilt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Notlager. Hier gibt es keine Privatsphäre, nur Feldbett an Feldbett und die sanitäre Situation ist freundlich gesagt, ausbaufähig.
In der Veranstaltung hat man die drei Syrer als „Vorzeige-Flüchtlinge“ bezeichnet, die sich vermutlich schnell und problemlos integrieren, während das für die Mehrzahl der anderen nicht gelte. Was denken Sie?
Rihm: Krieg macht nicht vor Bildung halt – es kommen Menschen aus allen Schichten. Bei den Flüchtlingen ist es wie in jeder Gesellschaft – auch wir haben Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen. Deutschland hat beispielsweise 7 Prozent Analphabeten in der eigenen Bevölkerung, das ist nicht gerade vorbildlich für eines der reichsten Länder dieser Erde. Es liegt an uns, den fremden Menschen einen Zugang zum System zu öffnen und sie schnellstmöglich mit dem wichtigsten Baustein zu versorgen – das ist die deutsche Sprache. Und zwar schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
Sprache allein ist es nicht – auch die Syrer haben gestern gesagt, Sie benötigen Informationen, um zu wissen, wie unsere Kultur funktioniert.
Rihm: Das ist auch absolut richtig so – die Menschen müssen schnell die wichtigsten Spielregeln des Zusammenlebens vermittelt bekommen, aber auch bereit sein, diese anzunehmen. Basis ist für mich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Hier stehen alle wichtigen Prinzipien drin, nach denen wir leben und die nicht nur für mich nicht verhandelbar sind.
Was, wenn sich jemand nicht an die Regeln halten möchte?
Rihm: Dann sollte er oder muss sogar unsere Gesellschaft verlassen. Wir haben weltweit die offenste und toleranteste Gesellschaft – diese funktioniert eben auf Basis dieser Regeln und Gesetze.
Klingt ein wenig nach Law & Order – sind Sie das?
Rihm: Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Demokratie nur mit Spielregeln funktioniert, an die wir uns alle halten. Mit „alle“ meine ich die deutsche Bevölkerung als Vorbild und die noch fremden Menschen, die sich eben an Vorbildern orientieren können. So wie Kinder das im Laufe ihres Wegs zum Erwachsenen eben auch lernen. Die Flüchtlinge haben weniger Zeit und müssen sich ganz sicher sehr anstrengen.
Was denken Sie? Schaffen wir das?
Rihm: Aktuell ja. Da habe ich keine Zweifel dran, wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten. Für die Zukunft sehe ich das kritischer. Deutschland übernimmt eine Vorreiterrolle – aber ohne eine europäische Lösung wird das nicht grenzenlos stemmbar sein.
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