Mannheim/Mainz, 29. November 2013. (red/pro) Heute sind die Medien voll mit Texten zum Gespräch zwischen der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka und dem SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Die einen finden, Frau Slomka haben Herrn Gabriel „gegrillt“, die anderen halten Frau Slomka für „pampig“ und Herrn Gabriel für „dünnhäutig“. Tatsächlich interessant ist aber das, worüber gestritten worden ist: Der Mitgliederentscheid der SPD-Basis zur GroKo, zur großen Koalition. Frau Slomka vertrat die These, dies sei „verfassungsrechtlich“ bedenklich. Tatsächlich sollte sie sich fragen, wie es um die eigene journalistische Verfassung bestellt ist.
Von Hardy Prothmann
Was Frau Slomka geritten hat, rechthaberisch, schroff und geradezu zickig aufzutreten, weiß nur sie selbst. Inhaltlich jedenfalls lag sie voll daneben. Viele Medien berichten heute über den live gesendeten „Schlagabtausch“. Einzig die FAZ stellt die richtige Frage:
Hat man beim ZDF die Grundlagen unseres parlamentarischen Systems vergessen?
Der SPD-Mitgliederentscheid könnte gegen das Grundgesetz verstoßen, schließlich garantiere Art. 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (Verfassung) die Unabhängigkeit der Bundestagsabgeordneten – so die steile These. Und daraus abgeleitet: Ist das wirklich in Ordnung, wenn 475.000 SPD-Mitglieder darüber „privilegiert“ abstimmen dürfen, ob die SPD in eine große Koalition mit CDU/CSU eintritt? Und aus dieser Überlegung stellte Frau Slomka die Frage, ob man als SPD-Mitglied ein „besserer Wähler“ als die anderen (rund 62 Millionen) wäre? Und Frau Slomka sagt:
Ich dachte, dass in Deutschland alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und nur das Wahlvolk entscheidet.
Vielleicht sollte Frau Slomka nochmal einen Grundkurs „Einführung in das politische System der Bundesrepublik Deutschland“ machen (das gleichnamige Buch von Klaus von Beyme ist übrigens der Klassiker und sollte jeder kennen, der sich für Politik interessiert).
Der SPD-Mitgliederentscheid ändert nichts am freien Mandat und auch nicht an der Rolle des Wahlvolks. Wir wählen nunmal repräsentative Vertreter, die laut Grundgesetz frei in ihren Entscheidungen sind. Zu dieser Freiheit gehört auch, ihre Mitglieder, die wesentlich daran beteiligt sind, dass die gewählten Abgeordneten im Wahlkampf unterstützt werden, die vom Ortsverband bis zum Parteivorstand in vielen Gremien mitwirken, über eine grundsätzliche Linie zu befragen. Wer sich einer solchen urdemokratischen Mitwirkung stellt, verliert keine Freiheit. Und die Abgeordneten können weiter abstimmen, wie sie wollen – ungeschickt wäre, wenn sie gegen die Basisentscheidung stimmten, denn das würde nachvollziehbar für Enttäuschung sorgen.
Herr Gabriel, den man nicht mögen muss, hat sich auf die Fragen der Moderatorin eingelassen und zwar zutreffend:
Lassen Sie uns diesen Quatsch beenden.
Gar als „Blödsinn“ bezeichnet er die Frage, ob er sich „verfassungsrechtliche Gedanken“ in Bezug auf die slomkaeske Fragestellung gemacht habe. Frau Slomka reagiert empört, versteckt sich hinter „Zeitungen“, in denen Professoren diese Bedenken geäußert hätten.
All das ist sehr erstaunlich und doch tägliches Geschäft für Journalisten: Quatsch und Blödsinn vs. Ernsthaftigkeit und Sinn. Also zu prüfen, welche Fragen relevant sind und welche nicht. Und welche Entscheidungen für die Menschen welche Folgen haben.
Herr Gabriel hat versucht, Frau Slomka daraufhinzuweisen: Was ist demokratischer? Wenn Parteivorstände entscheiden oder Bundesparteitage oder die Mitglieder um die grundsätzliche Richtung gefragt werden? Das ist sicherlich interessant und legitim. Aber das Parteiensystem grundsätzlich als „verfassungswidrig“ in Frage zu stellen, zeigt nur, dass Frau Slomka jenseits allem politischen Alltag anscheinend wirklich ahnungslos ist, wie unser politisches System seit Gründung funktioniert.
Unter Adenauer gab und auch unter Merkel gibt es einen Kanzlerwahlverein und die SPD setzt nun Basisdemokratie dagegen. Das sind grundsätzlich unterschiedliche Politikstile, aber beide sind grundgesetzlich zulässig.
Beim Blick auf den „Schlagabtausch“ zwischen Herrn Gabriel und Frau Slomka sollte man weitere Fragen nicht vergessen. Frau Slomka arbeitet als vorzüglich bezahlte Journalistin für einen staatlichen Konzern – das ZDF. Auch dieser Sender soll grundsätzlich unabhängig berichten können – der Rundfunkbeitrag bietet eine finanzielle Absicherung, Grundgesetz, Pressegesetz und eigentlich auch der Rundfunkstaatsvertrag garantieren eine Unabhängigkeit der Presse. Und Frau Slomka macht das heute-journal nicht alleine – dahinter gibt es eine ebenfalls vorzüglich bezahlte Redaktion und dahinter einen Chefredakteur. Von allen muss man vermuten dürfen, dass sie kluge, umsichtige und bestens informierte Journalisten sind, die gemeinsam wichtige gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen und verständlich vermitteln, statt zickig auf Blödsinn zu beharren. Vor allem dann, wenn insbesondere das ZDF im Verdacht steht, durch CDU-Einflüsse dominiert zu sein.
Die interessante Frage, ob es ein Zeichen von Stärke oder Schwäche ist, wenn sich Parteiführungen nach ihren Mitgliedern richten, wurde leider nicht gestellt.