Ladenburg, 29. Mai 2015. (red/ms) Die Fraktion der Grünen wollte im Ladenburger Gemeinderat über TTIP diskutieren und über eine Resolution abstimmen lassen. Auf Antrag der CDU wurde der Tagesordnungspunkt allerdings abgesetzt. Damit positioniert sich der Gemeinderat weder für noch gegen die Resolution. Er positioniert sich überhaupt nicht – und verbaut sich damit die Möglichkeit, in näherer Zukunft irgendwie Stellung zum Thema TTIP zu nehmen. Man wolle ja auch keine “Weltpolitik” betreiben, heißt es etwa aus den Reihen der SPD. Offenbar begreift man noch nicht, wie spürbar die Auswirkungen des Handelsabkommens direkt vor Ort sein werden.
Kommentar: Minh Schredle
Es gab weder Zwang noch Not – die Mehrheit des Ladenburger Gemeinderats hat sich dagegen entschieden, zum Thema TTIP Stellung zu beziehen. Die Fraktion der Grünen hatte in der vergangenen Sitzung mit Unterstützung von Sven Ruster und Angelika Gelle (SPD) eine Resolution zum umstrittenen Handelsabkommen vorbereitet, über die diskutiert werden sollte. Dazu kam es aber nicht – denn die Mehrheit des Gemeinderats lehnte es ab, sich zu dem Thema zu positionieren.
Carola Schuhmann (CDU) beantragte die Absetzung des Tagesordnungspunkts – das hat es in Ladenburg laut den Grünen seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Mit elf Stimmen von CDU, FDP und Teilen der SPD und Freien Wähler entschied sich eine Mehrheit dafür, die Resolution nicht zu behandeln. Grünen-Stadtrat Martin Schmollinger ist entsetzt:
Alle, die für die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes gestimmt haben, hätten dafür votieren können, den TTIP-Resolutions-Antrag nicht zu unterstützen. Das wäre wenigstens eine politische Aussage gewesen. So erlebten wir aber nur die Unlust im Gremium, sich überhaupt mit dem Thema TTIP zu beschäftigen – mit der Folge, dass sich der Ladenburger Gemeinderat selbst ein Diskussions- und Denkverbot erteilt hat.
Nachdem ein Antrag abgesetzt wurde, kann das Thema frühestens nach sechs Monaten wieder im Gemeinderat behandeln. Laut den Grünen hätte man damit eine Chance verpasst, die Stimme von Ladenburg zählen zu lassen – andere Gemeinden, wie etwa Mannheim und Heidelberg oder auch kommunale Verbände hätten ebenfalls eigene Stellungnahmen abgegeben.
Kompetent genug?
In ihrer Resolution kritisierten die Grünen und ihre Unterstützer die mangelhafte Transparenz bei den Verhandlungen und die fehlende Einbeziehung der Kommunen in die Beratungen. Weiterhin heißt es:
Diese Resolution verkennt nicht den Nutzen eines Wegfalls von Importzöllen zwischen Nordamerika und Europa sowie eines Abbaus von transatlantischen Handelshemmnissen auf Seiten aller beteiligter Partner. Aber sie besteht darauf, dass diese Vorteile auf der Basis freiwilliger Anerkennung von geltenden rechtlichen Standards in den jeweiligen Importländern erreicht werden müssen und nicht – wie bei TTIP und CITA vorgesehen – mit Hilfe von deren gänzlicher oder partieller Aushebelung durch Vertriebsunternehmen und Handelskonzerne.
Das Thema TTIP ist zweifellos komplex – “für so etwas haben wir keine Kompetenz,” findet Carola Schuhmann (CDU) und beantragte, dass der Gemeinderat sich nicht weiter damit befassen solle. Bürgermeister Rainer Ziegler hatte den Antrag der Grünen vor der Sitzung geprüft und hat es für zulässig befunden, ihn auf die Tagesordnung zu setzen. Das setzt grundsätzlich eine örtliche Relevanz voraus.
Regionale Auswirkungen sind sicher
Dass das Handelsabkommen mit weitreichenden Auswirkungen auf die einzelnen Kommunen betreffen wird, steht zudem außer Frage: So müssten etwa verschiedene Ausschreibungen in der aktuellen Fassung von TTIP nicht nur europaweit, sondern auch in den USA ausgeführt werden müssen. Doch statt sich mit dem Antrag auseinanderzusetzen, wird dieser verspottet.
Wolfgang Zahner, der Fraktionsvorsitzende der SPD, fragte, ob Ladenburg jetzt Weltpolitik mache. Dr. Peter Hilger (Freie Wähler) sagte:
Ich bin nicht von der Bevölkerung gewählt, um Aussagen zur großen Politik abzugeben.
Kann man die eigene Arbeit noch drastischer abwerten? Sieht Dr. Hilger in Ladenburg keine “großen” Themen? Ist hier alles provinziell belanglos? Und was ist das für ein Selbstverständnis als Politiker, sich in Zeiten der zunehmenden Globalisierung nur mit Themen befassen zu wollen, die nur für den “eigenen Ort” relevant sein sollen? Auf Rückfrage hat Herr Dr. Hilger “kein Interesse” sich gegenüber dem Rheinneckarblog zu äußern.
Wir hätten ihn beispielsweise gerne befragt, wie er seine Haltung in Bezug auf den “Amtseid” sieht, das Wohl der Gemeinde zu mehren und Schaden abzuwenden? Offenbar ist die Diskussion über möglicherweise nachteilige Folgen von TTIP spurlos an ihm und den anderen Ablehnern vorbeigezogen.
Unverschämter Umgang
Bürgermeister Rainer Ziegler hatte in der Sitzung darauf verwiesen, dass man den Antrag auch vertagen könne, falls die Stadträte noch mehr Zeit brauchen sollten, ihre Position zu überdenken. Doch offenbar hat der Großteil des Gemeinderats kein gesteigertes Interesse sich zur überregional relevanten Politik und ihren Wirkungen auf die Gemeinde zu äußern.
Natürlich würde die Stimme Ladenburgs die TTIP-Verhandlungen nicht grundlegend verändern. Natürlich kann man den faktischen Nutzen einer solchen Resolution anzweifeln. Aber ist das ein Grund, sich einfach gar keine Gedanken mehr zu machen? Damit stellt man die Grundprinzipien der Demokratie in Frage.
Wenn eine Fraktion sich Gedanken zu einem ein hochrelevanten Thema macht und das öffentlich diskutieren will, ist es schlichtweg unverschämt, darauf nicht weiter einzugehen und den Antragsteller für sein Engagement zu verspotten. Dass sich der Gemeinderat als Souverän von Ladenburg freiwillig selbst beschneidet und so die Chance vertut, der eigenen Stimme ein Gewicht zu geben, wirft jedenfalls kein besonders gutes Licht auf gewisse Repräsentanten der Gemeinde.