Rhein-Neckar, 29. März 2016. (red) Die Zahl der Neuzugänge von Flüchtlingen geht massiv zurück, seit die Balkanroute nicht mehr durchlässig ist – die Zustände in Griechenland werden immer dramatischer. Aktuell vermeldet das Integrationsministerium eine Entspannung bei der Zuweisung an die Kreise – wer genau nachfragt und hinschaut, erfährt, dass der Druck weiter groß ist.
Von Hardy Prothmann
Auf dem Papier sieht es besser aus als in der Wirklichkeit – seit Wochen sinken die Zahlen der Neuzugänge an Flüchtlingen. Damit werden den Kreisen weniger Personen aus den Landeserstaufnahmestellen zugewiesen. Das klingt nach „Entspannung“ – allerdings nur für die Lage in den Landeserstaufnahmestellen. Der Druck auf Kreise und Kommunen bleibt hoch.
Weniger Personen in die Kreise?
Der Rhein-Neckar-Kreis bekam im Februar 777 Personen zugeteilt – im März allerdings 945. Der März hat auch fünf Wochen – eine echte Abnahme ist allerdings auch durch die zusätzlichen Tage bislang kaum feststellbar.
Weiter belastet den Kreis die aktuelle Situation. Rund 2.100 Personen sind noch in Notunterkünften untergebracht – ob bei Diesbach-Medien oder in der Winzerhalle in Weinheim, in der Kreissporthalle Wiesloch oder im Raketcenter in Schwetzingen.
Untergebracht ist ein relatives Wort
Auf dem Papier sind diese Menschen zwar „untergebracht“ – über die Qualität sagen diese „Haken“ aber nichts aus. Es sind und bleiben Notunterkünfte und keine vernünftigen Unterbringungen.
Wir suchen nach wie vor unter Hochdruck nach Unterbringungsmöglichkeiten. Wir können als untere Ebene die Hände nicht in den Schoss legen,
sagt Sprecher Berno Müller auf Anfrage. Mittlerweile haben zwar mehr Gemeinden untergebracht oder wollen unterbringen – bis es soweit ist, dauert es aber seine Zeit.
So werden beispielsweise in Hirschberg neue Unterkünfte gebaut – für die „vorläufige Unterbringung“ durch den Kreis und die „Anschlussunterbringung“ in der Kommune für die Flüchtlinge, die einen Aufenthaltsstatus haben. Auch in anderen Gemeinden wie Plankstadt, Malsch, Bammental oder Wiesloch.
Nach der Arbeit ist vor der Arbeit
Bislang waren nur in rund der Hälfte der 54 Gemeinden, mit rund 535.000 Einwohner der einwohnerstärkste Kreis in Baden-Württemberg und Nummer 5 in ganz Deutschland, Flüchtlinge untergebracht. Auf dem Papier sind es jetzt rund zwei Drittel der Gemeinden, die Flüchtlinge unterbringen – in vielen Gemeinden wird das aber noch Monate dauern, bis die Unterkünfte fertig sind.
Gleichzeitig sucht der Kreis händeringend Betreuungskräfte – schließlich müssen die Flüchtlinge nach wie vor betreut werden.
Sozialer Wohnungsbau?
Besonders problematisch: Es wird auch weiterhin an Wohnraum fehlen. Für Februar hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) einen „Wohnungsgipfel“ angekündigt. Keiner weiß, was daraus geworden ist. Der stellvertretende Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) hatte pünktlich zum Wahlkampf 25.000 neue Sozialwohnungen für die kommenden Jahre angekündigt – was wurde daraus? Vielleicht muss sich Herr Kretschmann das erst Mal genau anschauen, wie er so gerne formuliert.
-Anzeige- |
Erst kam die Landtagswahl – aktuell wird sondiert und verhandelt. Wenn alles „gut“ läuft, gibt es Mitte Mai eine neue Regierung. Oder anders ausgedrückt. Wieder ist fast ein halbes Jahr ohne notwendige Entscheidungen vergangen.
Ob so Integrationspolitik gelingen kann, darf als fragwürdig gelten. Geschafft ist sie jedenfalls noch lange nicht – und niemand weiß, welche Routen sich die Flüchtlinge ab April/Mai suchen werden, um Griechenland und den Balkan zu meiden. Und ob die Türkei ein verlässlicher Verhandlungspartner ist, darf mit Fug und Recht dringend bezweifelt werden.