Mannheim/Berlin, 29. Februar 2016. (red/pro) Der grüne Stadtrat und Landtagskandidat Gerhard Fontagnier (Mannheim Nord) hatte am 24. Dezember 2015 seine dritte Beschwerde beim Deutschen Presserat gegen unsere Berichterstattung eingelegt. Zwei Mal ist er damit bereits gescheitert – wir gehen auch diesmal davon aus, dass die Beschwerde nicht angenommen und weder eine Missbilligung noch eine Rüge ausgesprochen wird.
Von Hardy Prothmann
Am 23. Dezember 2015 hatten wir den Text “Merkwürdige Meldungslage” veröffentlicht. Der Artikel beschäftigt sich mit Meldungen der Behörden zu Straftaten von Ausländern. Wir problematisieren den Verdacht, “dass nicht immer alles gemeldet wird”.
Differenzierte Berichterstattung
Im Text nennen wir verschiedene Beispiele von Ausländerkriminalität. Alle Beispiele gehen auf “Offizialquellen” zurück. Das bedeutet: Die Nennung ethischer Zugehörigkeiten wurden durch Polizei und/oder Staatsanwaltschaften in deren Pressemitteilungen vorgenommen. Und auf diese beziehen wir uns sachbezogen.
Der Text problematisiert mehrfach, dass man aus der Nennung von ethnischen Zugehörigkeiten Krimineller nicht auf die gesamte Ethnie schließen darf. Aber ebenso, dass gewisse “Herkunftsländer” oder ethnische Zugehörigkeiten bei gewissen Deliktsbereichen auffällig sind. Umgekehrt heißt das, dass andere Ethnien eben nicht auffällig sind.
Transparente Dokumentation der Fontagnier-Beschwerden
Der grüne Landtagskandidat Gerhard Fontagnier hatte am 24. Dezember (Anm. d. Red.: Was machen Sie an Heiligabend so?) seine insgesamt dritte Beschwerde im Jahr 2015 gegen unsere Berichterstattung beim Deutschen Presserat eingereicht.
Wie Sie, liebe Leserinnen und Leser, das von uns gewohnt sind, dokumentieren wir auch diesen Vorgang transparent. Herr Fontagnier begründete seine Beschwerde so (Text inklusive Fehler im Original):
Hier werden Ethnien im Zusammenhang Straftaten erwähnt und zugeordnet ohne einen begründeten Sachbezug.
Herr Fontagnier bezieht sich auf Ziffer 12 des Pressekodex:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten
In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.
Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Fontagnier beschuldigt Polizei Rassismus zu “wecken”
Herrn Fontagniers Sicht teilen wir nicht. Als die Polizei in mehreren Flüchtlingsunterkünften eine Großrazzia gegen über 140 Personen aus Gambia durchführte und 20 Haftbefehle vollstreckte, interpretierte Herr Fontagnier, dass die Strafverfolgung Grund für Fremdenfeindlichkeit sei. Keine Ahnung, wie man so verquer denken kann, aber das ist das Problem von Herrn Fontagnier und das müssen wir nicht lösen. Dem SWR sagte der Politiker am 11. Mai 2015 nach dieser Razzia:
Ja, gut. Die morgendliche Razzia war natürlich auch ein Weckruf für alle Populisten, Rassisten und Rechten hier in Mannheim, von denen wir zum Glück nicht so sehr viele haben, aber sie haben sich laut getan und auf Facebook und in anderen sozialen Medien kann man wirklich das Übelste lesen.
Eine polizeiliche Strafverfolgung ist als ein Weckruf an Rassisten? Innerhalb der Polizei hatte diese Aussage nur ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst.
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Wir sind uns unserer redaktionellen Verantwortung sehr bewusst und haben uns der freiwilligen Selbstkontrolle des Deutschen Presserats unterworfen. Wie ernst wir das nehmen, zeigt zum Beispiel auch unser Interview mit dessen Geschäftsführer, Herrn Lutz Tillmanns. Hier thematisieren wir auch für andere Medien dieses heikle Spannungsfeld – möglichst genau zu berichten, aber dabei den Schutz von Minderheiten im Auge zu behalten.
Vorausschauende Analyse
Was Herr Fontagnier an unserem Text auszusetzen hat, können wir nicht nachvollziehen. Aus unserer Sicht stellen wir sehr differenziert die Sachlage da und beziehen sehr detailliert verschiedene Informationen aufeinander. Wir thematisieren ebenso den Pressekodex und hier Ziffer 12.
Ganz sicher ist der Kodex kein Sprachverbot. Ziffer 12 verbietet nichts, sondern fordert, dass eine zusätzliche Information relevant für das Verständnis sein sollte. Das ist eine klare Handwerksregel, die Stereotypen oder „Schubladendenken“ verhindern soll.
Lutz Tillmanns, Geschäftsführer Deutscher Presserat
Wir benötigten dafür nicht erst die Ereignisse von Köln und den folgenden Wochen oder jetzt wie in Kiel, um aufgrund unserer Recherchen unserer Leserschaft eine solide Einordnung zu präsentieren und diese gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es viele falsche Gerüchte gibt, denen man keinen Glauben schenken sollte. Ganz im Gegenteil war unsere Analyse mal wieder der Zeit voraus.
Insbesondere die Grundthematik einer “uneindeutigen Meldungslage” ist bundesweit Thema: Informieren die Behörden transparent oder nicht? Insbesondere Schleswig-Holstein war hier Ende Januar in den Schlagzeilen.
Wir weisen die Beschwerde also zurück und bitten den Presserat diese Veröffentlichung als Stellungnahme zur Prüfung zu verwenden.
Anm. d. Red.: Aus unserer Sicht versucht Herr Fontagnier erneut, den Presserat für seinen persönlichen Feldzug gegen unser Nachrichtenangebot und insbesondere mich als verantwortlichem Journalisten zu missbrauchen. Deswegen betrachte ich Herrn Fontagnier seit geraumer Zeit als aktiven Feind einer kritischen Pressefreiheit.
Im Jahr 2015 gingen fünf Beschwerden gegen uns ein – drei von Herrn Fontagnier und zwei weitere von Vorständen des Vereins “Mannheim sagt Ja”, dessen Vorsitz Herr Fontagnier inne hat. Fünf Beschwerden also von drei Vorständen einer Organisation, die uns zudem kürzlich verklagt hatte, was mit Vergleich beendet worden ist. Die Beschwerden wurden nicht unter dem Namen “Mannheim sagt Ja” eingereicht – sondern von “Privatpersonen”.
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