Mannheim/Rhein-Neckar, 28. Oktober 2016. (red/pro) Unsere Redaktion hat heute Rechtsaufsichtsbeschwerde (Fachaufsichtsbeschwerde, Dienstaufsichtsbeschwerde) wegen mangelhafter Auskunftsbereitschaft der Staatsanwaltschaft Mannheim bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe eingereicht. Der Hintergrund ist, dass der Großteil unserer Anfragen an die Behörde unbeantwortet bleibt und die Nennung von Rechtsgrundlagen dafür ausbleibt. Wir vermuten hier eine selbstherrliche Willkür sowie behördlich Arroganz. Nach dem Landespresssegesetz sind Behörden zur Auskunft verpflichtet – diese generelle Auskunftspflicht kann aus wichtigen Gründen verweigert werden. Diese sehen wir aber konkret als nicht gegeben an.
Der Rechtsaufsichtsbeschwerde ist ein unangenehmer “Briefwechsel” per email vorausgegangen. Wir hatten uns zunächst über das Auskunftsverhalten der Ersten Staatsanwältin Sandra Utt beschwert, die für Presseanfragen zuständig ist.
Diese Beschwerde reichte Frau Utt an ihren Chef, den Behördenleiter Alexander Schwarz, weiter. Dieser ist auf keinen unserer Hinweise nachvollziehbar eingegangen.
Behörden sind zur Auskunft verpflichtet
Die Auskunftspflicht von Behörden ergibt sich aus dem Landespressegesetz, das auch nach höchstrichterlicher Rechtssprechung für presseähnliche Medien wie das Rheinneckarblog gilt. Dort steht:
§ 4
Informationsrecht der Presse
(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
(2) Auskünfte können verweigert werden, soweit
1. hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder
2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder
3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder
4. ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet.
(3) Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse allgemein verbieten, sind unzulässig.
(4) Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, daß ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden.
Leider werden Anfragen unserer Redaktion immer wieder mit Hinweisen auf “Datenschutz” oder “Persönlichkeitsrechte” zurückgewiesen.
Aktuelles Beispiel einer “Nicht-Auskunft”
Dazu ein Beispiel. Zur aktuellen Mitteilung, dass ein tatverdächtiger Drogenhändler mit libyscher Staatsbürgerschaft in den Quadraten verhaftet worden ist, haben wir folgende Fragen gestellt:
Leistete die Person Widerstand bei der Durchsuchung/Festnahme?
Handelt es sich um eine Person, die Asyl beantragt hat?
An welchem Ort sollte sich die Person, sofern Asylbewerber, eigentlich aufhalten?
Seit wann ist die Person in Deutschland registriert?
Welchen Straftatsbereich betreffen die anderen beiden Vollstreckungshaftbefehle?
Als Antwort kam nach zwei Stunden und 23 Minuten:
der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Pressemitteilung.
Der Beschuldigte ist als Flüchtling registriert.
Die Beantwortung Ihrer übrigen Fragen ist aus Datenschutzgründen nicht möglich.
Welchen “festgestellten Sachverhalt” Frau Utt meint, können wir nicht nachvollziehen. Meint Sie den mutmaßlichen Drogenhandel? Danach haben wir nicht gefragt, sondern nach den beiden anderen Vollstreckungshaftbefehlen. Ob die auch wegen Drogenhandels waren, beantwortet die Antwort aber nicht eindeutig, also können wir die Antwort nicht verwenden.
Der Tatverdächtige ist also als Flüchtling registriert. Hier haben wir also eine inhaltliche Auskunft erhalten.
Weshalb Antworten auf die anderen Fragen mögliche Datenschutzverletzungen ergeben könnten, erschließt sich uns nicht.
Die Frage nach dem Ort verletzt keinen Datenschutz. Wenn die Antwort beispielsweise gelautet hätte, der Tatverdächtige ist in Karlsruhe registriert – wo wäre da ein Datenschutz verletzt?
Die Frage nach dem Datum (könnte auch der Monat sein), ebenfalls nicht. Als Beispiel: “Der Tatverdächtige ist im März 2016 in Deutschland registriert worden” – wo wäre da ein Datenschutz verletzt?
Wo der Unterschied zu mitgeteilten Gründen für die aktuelle Verhaftung (Handel mit BTM) und nicht erteilten Angaben zu anderen Haftbefehlen sein soll, erschließt sich uns nicht. Denn der eine Haftbefehl wird inhaltlich erläutert, die anderen nicht? Verletzt also die Staatsanwaltschaft den Datenschutz selbst? Wohl kaum.
Wir können keinen Hinderungsgrund wie in Absatz 2 des oben zitierten Pressegesetzes erkennen, die eine Auskunft nicht möglich macht. Wir fragen nach einem Ort, nicht nach einer Adresse. Wir fragen nach einem behördlichen Vorgang, nicht nach einem Aktenzeichen oder konkreten Personalien, wie Fragen nach Deliktsgebieten, nicht nach einer konkreten Tat.
Journalisten müssen keine Gründe für ihre Recherchen angeben
Journalisten sind übrigens ihrerseits nicht verpflichtet, den Grund für Fragen anzugeben, weil das die Recherchen behindern könnte (siehe BVerfG, 1 BvR 1307/91, Wirtschaftswoche, Einsicht in Grundbuch). Wir teilen hier aber mit, warum wir diese Fragen gestellt haben. Uns ist durch Recherche bekannt, dass viele Asylbewerber sind an ganz anderen Orten aufhalten, als da, wo sie eigentlich sein sollten. So gab es im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim eine auffällige Häufung von Taschendieben, die eigentlich in Nordrhein-Westfalen registriert sind.
Daraus folgt, dass die “schutzsuchenden Asylbewerber” äußerst mobil sind und für ihre kriminellen Raubzüge auch hunderte von Kilometern zurücklegen. Das gilt auch für Terrorverdächtige – der Syrer, der im Raum Speyer verhaftet worden ist, hätte eigentlich ebenfalls in Nordrhein-Westfalen sein müssen.
Die Frage nach dem Datum kann mögliche Rückschlüsse auf den Einstieg in die Kriminalität geben. Ist der Tatverdächtige möglicherweise erst seit, sagen wir, Juli 2016 in Deutschland registriert, wäre das ein Indiz darauf, dass er noch im Antragsverfahren direkt Kontakt zu Drogenhändlern aufgenommen hat und sofort tätig wurde. Spannend sind auch die mutmaßlich gefälschten “italienischen” Papiere – wieso hat der Tatverdächtige diese, wenn er doch in Deutschland registriert ist? Weil bereits die beiden anderen Haftbefehle vorlagen? Hat er sich die Papier in Deutschland besorgt? Wüssten Sie, wo man gefälschte Pässe herbekommt?
Und die Frage nach Widerstand bei der Festnahme basiert auf Recherchen, dass die Drogendealer in Mannheim sich zunehmend aggressiv gegenüber der Polizei verhalten. Ob und wie sich dieser Tatverdächtige verhalten hat – wir wissen es nicht, weil eine Antwort angeblich den Datenschutz verletzt.
Behörden haben der Öffentlichkeit zu dienen
Es erschwert eine ordentliche Information der Öffentlichkeit enorm, wenn man mit Behörden zu tun hat, die an einer Information der Öffentlichkeit nicht interessiert sind und sich störrisch quer stellen. Unserer Erfahrung nach arbeiten die meisten Behörden sehr professionell.
Die Motive oder andere Gründe für diese sehr unprofessionelle Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft Mannheim kennen wir nicht. Hier sei auch auf die “Causa Kachelmann” verwiesen – ein sehr unrühmliches Beispiel.
Am vergangenen Dienstag haben wir beispielsweise Auskunft zum Verfahren gegen den NPD-Stadtrat Christian Hehl ersucht. Frau Utt hat uns laut ihres Chefs Schwarz am späten Nachmittag angeblich versucht anzurufen. Es war besetzt. Nach Ansicht von Herrn Schwarz “war ein weiterer Versuch, Sie zu erreichen, nicht veranlasst”. Da bleibt einem wirklich die Spucke weg. Wir hatten auch per email angefragt – aber offenbar ist Frau Utt nicht in der Lage auf eine email per email zu antworten. Warum auch immer.
Nachdem eine Beschwerde und weitere Hinweise keine Verbesserung erzielt haben, müssen wir die vorgesetzte Behörde, die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe einschalten und hoffen, dass dadurch ein Umdenken einsetzt. Manche Behörden reagieren nur auf Druck.
public watchdog
Als letzter Schritt bliebe eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. In unserem Interesse ist das nicht, aber möglicherweise nicht zu vermeiden.
Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung hebt der Europäische Gerichthof für Menschenrechte in Straßburg die öffentliche Kontrollfunktion der Presse hervor. Die Presse habe die Funktion des „Wächters der Öffentlichkeit“ – sog. „public watchdog“. Die Presse hat die Aufgabe, über Mißstände (sic!) im Bereich der Politik und in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren,
heißt es in einem Papier der Konrad-Adenauer-Stiftung (kas) zu “Auskunftspflichten staatlicher Behörden gegenüber Medien” von Prof. Dr. Johannes Weberling (Berlin), der uns in der Vergangenheit bereits mehrfach vertreten hat. Ebenfalls interessant:
Der Auskunftsanspruch der Presse verhindert deshalb in Deutschland bereits die Entstehung von Mißständen (sic!) in der öffentlichen Verwaltung, da die Verantwortlichen auch wegen der Vielfalt und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Medienunternehmen damit rechnen müssen, daß rechtswidrige Handlungen nicht verheimlicht werden können, sondern an die Öffentlichkeit kommen.
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