Rems-Murr-Kreis/Edinburgh/Luxemburg, 28. Februar 2018. (red) Im schwäbischen Berglen wir ein Whisky namens “Glen Buchenbach” gebraut. Das findet ein internationales Konglomerat, die schottische Destillerien besitzen, überhaupt nicht in Ordnung. “Glen” dürfe nur für schottischen Whisky verwendet werden – darüber wird jetzt sogar auf europäischer Ebene gestritten.
Von Udo Seiwert-Fauti
Wenn sich in Österreich ein Fußballverein „Waldhof“ nennen würde, würde dann jeder Deutsche meinen, das wäre jetzt auch nur entfernt ein Fußballclub mit typisch Mannheimer Flair?
So in etwa lässt sich das „Problem“ darstellen, vor das sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg im Moment gestellt sieht. Da hat doch die schottische Unternehmensvertretung Scotch Whisky Association in Edinburgh in einer Klage behauptet, der Begriff „Glen“ – den ein schwäbischer Whiskyhersteller nutzt, um sein Produkt zu vertreiben – würde bedeuten, dass der Schwaben-Whisky eindeutig implizieren würde, er sei eigentlich schottisch oder doch zumindest bewusst so benannt, um mit Schottland verbunden zu werden.
Glen Buchenbach aus Berglen
Glen ist eigentlich ein gälisches Wort und heißt übersetzt ins Deutsche: (kleines) Tal. Der schwäbische Whisky – um den es nun vor dem höchsten EU Gericht geht – nennt sich „Glen Buchenbach“ und wird im schwäbischen Ort Berglen von der dort ansässigen „Waldhornbrennerei Klotz“ hergestellt und verkauft.
Der Buchenbach, so hat mir Inhaber Klotz bestätigt, fließt wirklich vor der Tür der Brennerei und liefert das für jegliche Whiskydestillation wichtige und geschmacksbestimmende klare Wasser. Der Ort in Schwaben heißt wirklich BerGLEN und liegt im Rems-Murr-Kreis. 300 Liter des Glen Buchenbach produziert das Familienunternehmen im Jahr und dachte niemals daran, dass ihr Whisky plötzlich in Europa nicht nur für Diskussionen sorgen könnte, sondern ein veritablen Rechtsstreit – wegen 300 Litern!
Internationales Konglomerat gegen eine kleine, schwäbische Brennerei
Der schottische Unternehmensverband,
Die Scotch Whisky Association (SWA), eine Interessenvertretung der schottischen Whisky-Industrie hinter dem finanziell starke Unternehmen wie Louis Vuitton Moet Hennessy (LVMH) und Remy Cointreau aus Frankreich, Diageo aus Großbritannien sowie einige japanische Unternehmen als schottische Whiskybrennereibesitzer stehen, repräsentiert über 95 Prozent der Scotch-Whisky-Produktion mit rund 2.500 Marken und sah das mit dem Glen natürlich ganz anders als der kleine schwäbische Familienbetrieb.
In erster Instanz legten sie vor dem Landgericht Hamburg dar, dass der Name „Glen“ unzweifelhaft urschottisch sei und daher nach EU-Recht schützenswert sei. Niemand außer schottischen Whiskyherstellern, so die Edinburgher, dürfe ihn in Zusammenhang mit Whisky benutzen. Whiskyfans kennen die schottischen Premiummarken Glenfarclas, Glenmorangie oder den „Touristenwhisky“ Glenfiddich.
Die Glen-Frage
Das „Glen“ ist aktuell ein „Riesen-Whisky-Problem“, denn nicht nur in Schottland, sondern beispielsweise auch im EU-Mitgliedsland Irland (hier und in den USA nicht Whisky, sondern Whiskey) oder in der kanadischen Atlantikprovinz Nova Scotia (Neu-Schottland) wird gälisch gesprochen. Auch dort – natürlich wissen das die Edinburgher Juristen – wird die Bezeichnung „Glen“ für dort hergestellte Whiskies verwendet und möglicherweise kommt das Wort Glen eher aus dem irischen und nicht dem schottischen Gälisch.
Zur Person:
Udo Seiwert-Fauti arbeitet für mehrere deutsch- und englischsprachige Medien (ARD, BBC) sowie in Deutschland und international als Fachdozent in der Journalistenausbildung. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören das EU-Parlament und der Europarat; außerdem ist er bei der Bundespressekonferenz und dem Scottish Parliament in Edinburgh akkreditiert. Er berichtet für uns in unregelmäßigen Abständen zu UK- und Europathemen, die wir spannend für unsere Leserschaft finden.
Vor dem obersten kanadischen Gericht in „Markenschutz-Angelegenheiten“ unterlagen die Edinburgher bereits. Die Kanadier wollten überhaupt nicht einsehen, dass der kanadische Whisky „Glen Breton“ auch nur entfernt etwas mit Schottland zu tun haben könnte. Cape Breton Island ist eine Nova Scotia vorgelagerte Insel, wo ebenfalls Gälisch gesprochen wird.
Die Schotten hält auch dieses Urteil anscheinend nicht zurück. Die Edinburgher wollen offensichtlich „aus markenrechtlichen Gründen“ alles schützen, was auch nur entfernt mit Schottland zu tun haben könnte. Die Hamburger Richter stimmten zwar in großen Teilen bereits der Argumentation des schwäbischen Whiskyproduzenten bei, jedoch beim Begriff „Glen“ wurde es ihnen rechtlich zu heiß. Sie legten daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die „Glen Frage“ vor, der bislang noch nicht darüber entschieden hat.
Allerdings: Der Generalanwalt beim EuGH hat jetzt seine Einschätzung der „Glen-Lage“ veröffentlicht. Sie gilt beim Luxemburger Gerichtshof oft als richtungsweisend für ein späteres Urteil. Der Luxemburger Generalanwalt wog also die Argumente beider Seiten ab und kam im Fazit zum Schluss, die endgültige Entscheidung der „Glen Frage“ sei doch wohl mehr eine nationale als eine europäische Entscheidungsfrage. Das Hamburger Gericht sei nach Meinung des höchsten Anwalts beim EuGH wirklich am besten in der Lage, zu entscheiden, ob ein deutscher Verbraucher bei einem in Deutschland und Schwaben hergestellten Produkt mit der Bezeichnung „Glen Buchenbach“ meinen könnte, er würde nun mit Schottland irgendwie verbundenen Whisky kaufen und trinken.
“Diese Schotten haben mir gerade noch gefehlt”
Es sieht aktuell so aus, als würden deutsche Verbraucher und auch die „schottische Whisky-Schutzmacht“ aus Edinburgh noch in diesem Jahr juristisch aus Europa und aus Hamburg rechtlich einwandfrei erfahren, wie Deutsche mit dem schwäbischen Whisky umzugehen und was sie dann zu denken haben. Die schwäbische Brennerei besteht jedenfalls auf einer deutlichen Klärung, wie Inhaber Klotz feststellt. Die Schotten hätten ihm gerade noch gefehlt, sagt er und schüttelt den Kopf.
Eins ist zumindest sicher. Beim Trinkgruß wird man sich nicht in die Quere kommen. Auf Schwäbisch heißt es Bröschderle. Auf Gälisch beim Whiskytrinken: Slainte!
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