
Eines der Opferautos des Autobahnschützen. Die seit 2008 andauernde Anschlagsserie könnte jetzt aber beendet sein. (Foto: BKA)
Rhein-Neckar/Sinsheim/Kronau, 28. Juni 2013. (red) Die seit 2008 andauernde Serie von Schüssen auf Autobahnen in ganz Deutschland steht vermutlich kurz vor der Aufklärung. Am Sonntag, den 23. Juni, nahm das Bundeskriminalamt (BKA) einen 57-jährigen Mann in Nordrhein-Westfalen fest. Laut BKA sei er geständig. Die Polizei ermittelt jetzt in über 700 Fällen, darunter sind auch Vorfälle aus Kronau und Sinsheim.
Fünf Jahre lang verbreitete ein Mann auf deutschen Autobahnen Angst und Schrecken. Er schoss überwiegend auf Autotransporter und Lkw’s, insgesamt über 700 mal. Er verletzte eine Frau schwer – und kam lange, ohne gefasst zu werden, davon. Bis jetzt. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat am Sonntag in Kall in der Eifel (Nordrhein-Westfalen) einen Tatverdächtigen festgenommen. Der Mann ist 57 Jahre alt und selbst Lkw-Fahrer bei einer Spedition in Monschau.
Die Serie der Anschläge auf Deutschlands Autobahnen beginnt 2008 mit neun registrierten Fällen. Meist zielte der Schütze auf mit Neuwagen beladene Autotransporter. Seit 2009 drückte er immer häufiger ab, traf auch Wohnmobile und andere Fahrzeuge. Betroffen waren die Autobahnen 3 bis 6, die A8 sowie die A61 in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Nach fünf Jahren geht das BKA von über 700 Taten aus.
Frau schwerverletzt: Schuss in den Hals
Auch wenn der Täter nicht gezielt auf die Fahrer schoss, verletzte er Menschen. Die Schüsse verursachten mehrere Verkehrsunfälle, etwa, bei Kronau, als ein getroffener Lkw auf einen anderen auffuhr. Der tragischste Fall bei Würzburg: 2009 traf eine Kugel eine Autofahrerin am Hals. Sie wurde schwer verletzt. Ab dem Frühjahr 2012 mussten die Ermittler feststellen, dass der Schütze, Munition mit größerem Kaliber zu verwenden beginnt. Der Druck auf die Polizei wuchs, der Täter war immer noch nicht identifiziert und somit auf freiem Fuß.
Insgesamt 90 Beamte arbeiteten seit Oktober des vergangenen Jahres in der „Aufbaukommission Transporter“ an dem Fall. Den Ermittlungen zufolge fielen die Schüsse nicht vom Straßenrand, daher vermutete man einen Lkw-Fahrer als Täter, der von seinem Führerhaus aus während der Fahrt auf den Gegenverkehr schießt. Da viele betroffene Fahrer die Anschläge erst am Ende ihrer Fahrt bemerkten, waren die Hinweise auf mögliche Anschlagsgebiete sehr dünn. Auch eine ausgeschriebene Belohnung, zunächst in Höhe von 27.000 Euro und zuletzt 100.000 Euro, änderte daran nichts.
Nach einer aufwendigen Fahndung konnte das Bundeskriminalamt den mutmaßlichen Schützen aber letztendlich doch festnehmen. Ein vermeintlich großer Fahndungserfolg. Doch der Weg zu diesem Erfolg wird bereits kritisiert. Denn die Ermittler führte eine monatelange technische Überwachung ans Ziel.
Kritik an Ermittlungsmethoden
So wurden bundesweit Autobahnabschnitte mit Geräten zur Erfassung von Kennzeichen überwacht, die im großen Stil Daten der vorbeifahrenden Fahrzeuge sammelten. Die gewonnen Daten glichen die Ermittler mit den Fahrtstrecken des betroffenen Lkw ab. So kam das BKA dem Lastwagen-Fahrer aus der Eifel auf die Spur.
Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner hält den längerfristigen Einsatz der Lesegeräte entlang ganzer Autobahnabschnitte allerdings für zweifelhaft. Es gebe «für diese bundesweit erstmals eingesetzte Ermittlungsmethode aus Datenschutzsicht keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage», sagte er in Mainz.
Millionen von unverdächtigen Personen geraten ins Visier der Ermittlungsbehörde, um einen Verdächtigen zu überführen,
kritisierte Wagner das Vorgehen der Ermittlungskommission. Seinen Berechnungen nach wurden seit Dezember 60 bis 80 Millionen Datensätze unverdächtiger Menschen erfasst. Diese seien jedoch nach zehn Tagen in der Datenbank wieder gelöscht worden, wenn keine Anschläge für diese Datensammlung vorgelegen habe, erklärte daraufhin BKA-Chef Jörg Ziercke.
Der Fahndungserfolg hat also gleich wieder einen bitteren Beigeschmack. Der Erfolg gibt den Ermittlungsbehörden in diesem Fall jedoch Recht.