Mannheim, 27. Juni 2016. (red/cr) Theater bedeutet Sprache, Kommunikation. Theater, das kann ein komplexes Sprachwerk sein, mit Versmaß, epischen Monologen und Wortwitz. Doch Sprache bedeutet nicht nur gesprochenes Wort. Sprache heißt auch Körpersprache. Und die versteht jeder. Daher ging es bei einem Theaterworkshop mit Geflüchteten am vergangen Freitag darum, wie man sich mit Körpersprache ausdrücken kann. Fazit: Oft einfacher als gedacht.
Wenn du etwas nicht verstehst, hebst du einfach deine Hand und sagst “Salatgurke”.
Schauspielerin Ragna Pitoll steht in einem Ballettsaal des Nationaltheaters. Mit vierzehn anderen Personen bildet sie einen Kreis. Eine dieser Personen ist Nur. Er kommt aus Syrien und ist seit acht Monaten in Deutschland.
Er wirkt noch etwas unsicher. Außer ihm ist noch ein weiterer Teilnehmer da, der geflüchtet ist. Aziz aus Afghanistan. Alle anderen im Kreis leben schon lange in Deutschland. Vor allem sind alle anderen Frauen.
Universalsprache

Ragna Pitoll (vorne mit Jackett) spielt in “Die Schutzflehenden” eine zentrale Rolle und hat sich so bereits mit dem Thema Flucht befasst. Stefanie Bub war an dem Stück als Dramaturgin beteiligt. Foto: Hans Jörg Michel
“Das ist meistens so.” Dramaturgin Stefanie Bub koordiniert die Mannheimer Bürgerbühne und weiß, dass Theaterprojekten oft männliche Teilnehmer fehlen. Davon ließ sie sich aber nicht entmutigen.
Im Rahmen der Thementage “Flucht – Ankunft – Heimat” am Nationaltheater mit dem Motto “Willkommen um zu bleiben?” leitete sie zusammen mit Ragna Pitoll einen Theaterworkshop.
Dabei ging es nicht um ausschweifende Monologe oder witzige Wortspiele. Schwerpunkt war die Körpersprache.
Zusehen und nachmachen
Ziel war es, sprech-sprachliche Barrieren zu vermeiden. Theoretisch sollte man mitmachen können, ohne Deutschkenntnisse zu haben,
erklärte Frau Bub. Im Laufe des Workshops konnte man immer wieder staunen, wie viel tatsächlich ohne Sprache funktioniert.
Das Prinzip der Nachahmung zieht sich durch alle Übungen. Dabei sind alle in der gleichen Situation: Die Workshopleiterinnen machen etwas vor, dann machen es alle zusammen nach.
So etwa beim Kennenlernspiel: Man sagt seinen Namen und macht ein Geräusch oder eine Bewegung dazu. Der nächste in der Runde muss den Namen und das Geräusch oder die Bewegung nachahmen und darf dann seinen eigenen Namen mit etwas verbinden. Je weiter die Reihe, desto mehr muss man sein Gedächtnis anstrengen, um die Abfolge zu wiederholen.
Grimassen erwünscht

Foto: Hans Jörg Michel
Jedoch kann man sich durch die Verknüpfung mit einer körperlichen Aktivität, einer Geste, die Namen viel besser merken.
Manches sieht von außen betrachtet komisch aus. Zum Beispiel, wenn man sein Gesicht ausschüttelt. Aber in der Gruppe sah man, dass sich die anderen genauso trauen müssen. Und das gab einem Mut.
Manches war sogar zumindest unterbewusst vertraut. Die Übungen und Spiele fordern Konzentration und Schnelligkeit. Ähnlich vieler Spiele, die man als kleines Kind spielt. Man muss nicht viel erklären.
Zu einer Gruppe zusammenwachsen
Der Text ist nur ein kleiner Teil der Sprache, die auf der Bühne stattfindet,
so Dramaturgin Stefanie Bub. Gedächtnis- und Bewegungsspiele sind ein Teil der Sprache, die alle verstehen. Bei einem Samurai-Spiel etwa deuten die Teilnehmer an, sich anzugreifen und auszuweichen. Wer zu langsam reagiert, muss sich “erdolchen”. Und das gerne auf theatralische Weise.
Da konnten alle zusammen lachen – denn das versteht jeder auch ohne Sprache. Nach und nach wurde aus knapp 15 einander fremden Menschen eine Gruppe.
Eine Gruppe, in der man sich ausdrücken kann, in der man sich vertraut. So eine Gruppe wird bereichert durch ganz unterschiedliche Ideen – wie kann man etwas durch Bewegungen oder Geräusche darstellen? Einfach vormachen und ausprobieren anstatt langen Diskussionen und theoretischer Überlegungen.
Kunst verbindet
Was Workshopleiterin Stefanie Bub am meisten gefreut hat: Aziz hat gesagt, er würde gerne weiter Theater machen. Bei der Mannheimer Bürgerbühne geht es erst in der nächsten Spielzeit ab September weiter.
Eine Teilnehmerin konnte jedoch anderweitig helfen. Sie spielt beim Forum der Jugend und hat ihn eingeladen, einfach mitzukommen.
So entstanden innerhalb der Gruppe auch Kontakte. Und wer weiß, vielleicht erinnert man sich bei der nächsten Begegnung noch daran, was für eine Geste man beim Willkommensspiel gemacht hat.