Mannheim, 28. März 2019. (red/pm) Die Bekämpfung von Armut in Mannheim sieht die Stadt Mannheim als eine ihrer vorrangigen Aufgaben an. Im Jahr 2017 wurde daher das strategische Handlungsfeld „Bekämpfung von Armut und Armutsrisiken“ ausgerufen, das sowohl die individuelle Förderung und Stärkung durch gezielte Maßnahmen und Angebote als auch eine strukturelle Vorsorge im Sinne einer umfassenden, qualifizierten kommunalen Infrastruktur und Vernetzung umfasst.
Information der Stadt Mannheim:
„Die Bekämpfung von Armut gelingt am besten durch gute Bildungschancen sowie gute Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Das Schaffen von Bildungsgerechtigkeit ist somit die Grundlage. Allerdings hängen Bildungschancen auch entscheidend mit Gesundheit zusammen“, betont Bildungs- und Gesundheitsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb.
Die Stadt Mannheim hat daher im Jahr 2010 unter der Prämisse „Kein Kind darf verloren gehen“ eine Bildungsoffensive angestoßen. Die damaligen städtischen Aktivitäten und die ihrer Kooperationspartner wurden in eine lebensphasenorientierte Bildungskette einsortiert und mit dem Fokus auf einen gelingenden Bildungserfolg und Einstieg ins Berufsleben auf Lücken und Anschlussschwierigkeiten an relevanten Schnittstellen analysiert sowie neue Angebote und Maßnahmen entwickelt und fachbereichsübergreifend gebündelt.
Bis dahin waren das Bildungs- und Gesundheitssystem weitgehend getrennt. „Insbesondere der Fachbereich Jugendamt und Gesundheitsamt, der seit Januar diesen Jahres zusammengefasst wurde und nun Ausdruck der besonders engen Verzahnung der beiden Bereiche ist, setzt seinen Fokus auf bedürftige Familien und hier insbesondere auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen unter den Stichworten Bildungsgerechtigkeit, Teilhabe und Kinderarmut zu vermeiden“, informiert Freundlieb.
Hierzu gibt es bereits eine Vielzahl von verschiedenen Angeboten, die sich jeweils an dem individuellen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen und der Familie orientieren und kostenfrei zur Verfügung stehen. Diese reichen von den „Frühen Hilfen“ mit Vermittlung zu Ansprechpartnern bei verschiedenen Anliegen, Unterstützung durch Familienhebammen bis zu ambulanten erzieherischen Hilfen, die direkt in den Familien ansetzen.
Koordinierungsstelle bündelt Angebote
Um ihren Kampf gegen Kinderarmut zu verstärken, hat die Stadt Mannheim im September vergangenen Jahres im Rahmen des Projektes „Mannheim gegen Kinderarmut“ eine Koordinierungsstelle mit einer Psychologin eingerichtet. Das Land unterstützte das Projekt mit einer Anschubfinanzierung von 200.000 Euro.
„Die Aufgabe der Koordinierungsstelle ist es, ein integriertes Handlungskonzept zur Bekämpfung von Kinderarmut in Mannheim zu entwickeln und die vorhandenen Hilfeangebote für Familien mit Hilfebedarf in einem Präventionsnetzwerk gegen Kinderarmut zu bündeln. Von Kinderarmut bedrohte oder bereits betroffene Familien sollen möglichst früh identifiziert und an das Unterstützungs- und das Gesundheitssystem angegliedert werden“, erläutert der Leiter des Fachbereiches Jugendamt und Gesundheitsamt, Dr. Peter Schäfer.
Ein Netzwerk für ganzheitliche Betrachtung
Um Kinderarmut ganzheitlich zu betrachten, ist ein Netzwerk notwendig, das das Engagement aller in Mannheim beteiligten Akteure wie Beratungsstellen, Schulen, Kitas, Freier Träger, n Kinderärzte, Jugendamt, Schulsozialarbeit, Jugendzentren, Eltern-Kind-Zentren, etc. erfasst, ihre Angebote zusammenzuführt und bündelt und hieraus eine tragfähige Gesamtstrategie entwickelt. Dabei soll das „Übergangsmanagement“ besonders in den Blick genommen werden. Gemeint sind damit Übergänge in jeder Lebensphase eines Kindes, etwa nach der Geburt vom Krankenhaus ins Elternhaus, von dort in die Kita, vom Kindergarten in die Grundschule, von der Grund- in die weiterführende Schule oder von der Schule in den Beruf.
Als ein Baustein des Konzeptes wurde beispielsweise bereits an der Schnittstelle Jugendhilfe/Gesundheitswesen ein Screening bei allen Neugeborenen und deren Eltern entwickelt und inzwischen an allen drei Mannheimer Geburtskliniken umgesetzt. (https://www.mannheim.de/de/nachrichten/fuer-einen-guten-start-ins-leben)
U-Untersuchung bei Kinderärzten
Gleichzeitig wird nun die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kinderärzten intensiviert, um deren Zugangswege zu den Familien mit kleinen Kindern besser einzubeziehen und die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen zu steigern: Haben Eltern die U-Untersuchungen für ihre Kinder versäumt, ist geplant, dass diese in den Praxen der Kinderärzte nachgeholt werden können. Sie werden dann über das Gesundheitsamt finanziert, da die Krankenkassen nach Ablauf der Fristen keine Finanzierung der Untersuchung mehr übernehmen.
Das Vorgehen soll möglichst rasch flächendeckend in ganz Mannheim eingeführt werden. „Wir erhoffen uns durch diese Änderung eine deutliche Zunahme der Inanspruchnahme von U-Untersuchungen und haben die Familien an den zuständigen Praxen fester angebunden“, erklärt Schäfer, der selbst Kinderarzt ist.
Sprechstunde für Familien mit Beratungsbedarf
Innerhalb des Projektes Kinderarmut beschäftigt sich der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Gesundheitsamtes mit der Thematik der ergänzenden gesundheitlichen Versorgung. Hierfür steht eine Familiengesundheits- und Kinderkrankenpflegerin bereit, die einmal im Monat eine Sprechstunde für Familien mit erhöhtem Beratungsbedarf im jeweiligen Stadtteil anbieten wird. Perspektivisch soll diese Sprechstunde flächendeckend und regional im Stadtgebiet implementiert werden.
Ein Beispiel für ein gelungenes Übergangsmanagement an der Schnittstelle zur Grundschule stellt etwa ein Projekt auf der Hochstätt dar: https://www.mannheim.de/de/nachrichten/projekt-schulstart-leicht-gemacht-ein-erfolg
„Ziel unseres Vorgehens ist es, von Armut bedrohte Familien zu identifizieren, die Situation der Kinder, die in Armut leben, zu verbessern, eine Mitnahme der Armut in das Erwachsenenleben zu verhindern, langfristig den Anteil der Mannheimer Kinder, die in Armut leben, zu reduzieren und Kinderarmut als übergeordnetes Thema in einer integrierten Planung zu etablieren. Unser Ansatz, dieses Thema mit dem der Gesundheit zu verbinden, ist außergewöhnlich, aber doppelt sinnvoll: Denn Gesundheit ist ein Thema, das eng mit Bildungserfolg verknüpft ist. Über diesen systemischen Ansatz sind die Eltern gut zu erreichen“, bekräftigt die Bürgermeisterin.
Hintergrund – Strategische Ziele der Stadt Mannheim
Die Stadt Mannheim hat in den vergangenen eineinhalb Jahren zusammen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Leitbild erarbeitet, das beschreibt, wie Mannheim im Jahr 2030 aussehen soll. Dazu wurden die derzeit aktuellen acht strategischen Ziele der Stadt Mannheim mit den von den Vereinten Nationen verabschiedeten 17 globalen Nachhaltigkeitszielen für das Jahr 2030 verglichen und entsprechend für eine kommunale Umsetzung in Mannheim weiterentwickelt.
Diesem Leitbildprozess Mannheim 2030 liegt ein Beschluss des Gemeinderates aus dem Jahr 2017 zu Grunde. Von den 17 Nachhaltigkeitszielen betreffen vier ganz unmittelbar das Thema „Kinderarmut“:
- Ziel 1: Armut in jeder Form und überall beenden
- Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern
- Ziel 4: Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern
- Ziel 11: Nachhaltige Kommunen“