Mannheim/Rhein-Neckar, 28. Januar 2017. (red/pro) Aktualisiert. Heute Abend läuft zum ersten Mal die “I am Hardstyle”-Techno-Veranstaltung in der Maimarkthalle. Über 5.000 Teilnehmer werden erwartet. Für einige Dutzend ist die Party schon vorbei, bevor sie begonnen hat. Andere werden nicht bis um 06:00 Uhr feiern, weil sie die Polizei mit Drogen erwischt – dann erfolgt ein Hausverbot. Schon zwei Stunden vor Einlass haben die Beamten zu tun.
Von Hardy Prothmann
Guck mal da hinten, ist das ein Schlecker?
Die Beamtin dreht sich um und schaut auf den Mann, den ihr Kollege meint. Die Polizisten in zivil taxieren den Mann kurz, sprechen ihn an, fordern ihn auf zu folgen. Sie weisen sich aus, dann erfolgt die äußerliche Körperkontrolle. Werden Drogen gefunden, geht es auf die Wache am Maimarkt. Werden keine gefunden, aber dringend vermutet, auch. Dort sind auch Ganzkörperkontrollen möglich.

Vier Beamte fischen auf dem Weg zum Dienst Verdächtige auf. Der Mann rechts sieht aus wie ein Zivilist. Ist er aber nicht – man beachte die rechte Seite, da lugt die Dienstpistole hervor.
Auf der Wache geht es schon rund, bevor der eigentliche Einsatz begonnen hat. Vier Beamte kommen herein – mit vier jungen Männern:
Die sind uns auf der Anfahrt aufgefallen. War ein Willkommenstreffer.
Die Beamten grinsen – nicht, weil sie irgendetwas lustig finden, sondern weil sie sich über den Erfolg freuen und wissen, das ihr Einsatz Sinn macht. Sie schlagen sich die Nacht um die Ohren und werden bis zum Morgen vermutlich sehr viele Konsumenten und vielleicht auch einige Händler erwischen.
Party vorbei, bevor sie angefangen hat
Dann kommt ein junger Mann in die Wache. Er möchte sich zu irgendetwas erkundigen. Eine Antwort auf seine Frage wird nicht mehr wichtig sein. An seiner Nase klebt weißes Pulver – er darf gleich in die Kontrolle. Für ihn ist die Party vorbei, bevor sie angefangen hat.

Einsatzbesprechung. Polizeioberrat Frank Hartmannsgruber erläutert seinen Kollegen alle wichtigen Details. Die Wand hinter ihm ist die “Privatkabine” – hier können Ganzkörperuntersuchungen durchgeführt werden.
Um 19:00 Uhr versammelt Polizeioberrat Frank Hartmannsgruber den größten Teil seiner Mannschaft zur Einsatzbesprechung. Er stellt den Einsatz vor, nennt die Rahmenbedingungen, die Abschnitte, die Zuständigkeiten. Die allermeisten Schutzpolizisten sind jung, deutlich unter 30 Jahre alt, zivil gekleidet. Sie sehen aus wie Partyvolk. In Teams mischen sie sich unter die Leute und halten Ausschau nach Auffälligkeiten, wie eben “Schlecker”.
Die Amphetamin-Konsumenten “schlecken” viel, weil sie einen trockenen Mund haben. Die Lippen glänzen, manche haben Speichelfäden in den Mundwinkeln. Viele haben sehr viel Durst,
erklärt die Beamtin, die vorhin mit dem Kollegen draußen kontrolliert hat. Mit der Erfahrung wächst der Erfolg. Schlecken, schmatzen, juckende Nasen, erweiterte Pupillen, zappeliges Verhalten – es gibt viele Besonderheiten, auf die die Polizisten achten. Bei der Toxicator, erzählt der Kollege, war der Fang beachtlich:
Jeder zweite hatte was genommen und weitere Drogen dabei. Das war echt krass.
Während sich draußen vor den Eingangsdrehtüren langsam eine immer größere Menge bildet, informiert Herr Hartmannsgruber weiter die Kollegen. Dann gibt er an Polizeioberkommissar Jens Eberwein ab. Der erklärt, wie die “Kundschaft” abgearbeitet wird. Denn die Beamten fischen nicht nur die Delinquenten heraus, sondern bearbeiten sie auch. Die Art und Menge der Drogen müssen festgestellt werden, die Personalien – die Bürokratie gehört zur Polizeiarbeit dazu. Alles muss möglichst exakt notiert werden, damit erstens der Ablauf möglichst reibungslos läuft und zweitens Staatsanwaltschaft und Gerichte die Fälle erfolgreich zu Ende führen können.

Der “Kindergarten” – hier erfolgt die bürokratische Verarbeitung der Delinquenten.
Hohe Einsatzkompetenz durch viel Erfahrung
Man wird von Einsatz zu Einsatz besser – bei früheren Techno-Parties entstanden “Staus”. Die versucht man durch effizientere Abläufe zu vermeiden. Das Polizeipräsidium Mannheim hat sich unter Einsatzleiter Frank Hartmannsgruber hier viel Kompetenz erarbeitet:
Es gibt mehrere Präsidien, die sich für unser System interessieren. Ich habe in diesem Jahr einige Präsentationstermine, bei denen ich den Kollegen unsere Erfahrungen und Abläufe vorstelle,
sagt Herr Hartmannsgruber. Der Erfolg macht seine Arbeit und die seiner Kollegen für andere Präsidien interessant.
Eigensicherung muss auch sein – ebenso Verpflegung und Logistik
Eine Beamtin ist zuständig für SOD – Sicherheits- und Ordnungsdienst. Im Gegensatz zu den zivilen Streifen ist sie in voller Montur und eindeutig als Polizistin erkennbar. Sie sorgt mit ihren uniformierten Kollegen für die Eigensicherung – also der Wache und der Kollegen draußen, falls es zu “Schwierigkeiten” kommen sollte. Alle geben sich bei Kontrollen als Polizisten zu erkennen, präsentieren ihre Ausweise und machen vor allem durch die Ansprache klar, wer sie sind, aber manchmal braucht es Uniformen, damit die Verdächtigen klipp und klar verstehen, dass man nicht mit ihnen diskutieren möchte, sondern eine Kontrollsituation vorliegt.

Die Bürokratie erfolgt digital, aber letztlich landen die Fälle auch in vorbereiteten Umschlägen.
Das THW hat der Polizei ein Zelt mit Gaslüfter aufgebaut. Dort gibt es Versorgung und die Möglichkeit, sich zwischendrin mal auszuruhen. Die Feuerwehr hat den Brandschutz überprüft und stellt die Brandwachen. Rund 20 Mitarbeiter vom DRK leisten Hilfe – was mit Sicherheit im Laufe der Nacht häufiger vorkommt. Meist wegen Kreislaufproblemen, was meist nicht am ausgiebigen Tanzen liegt, sondern an der Einnahme von “Hilfsmitteln”. Dazu kommen die bei Großveranstaltungen üblichen Verletzungen wie Schnittwunden, Prellungen, Verstauchungen. Auffällig ist: Gewalt ist bei Techno-Parties in aller Regel kein Thema. Schlägereien oder Widerstand gegen die Ordnungskräfte haben Seltenheitswert.
Nach der Einsatzbesprechung gehen die Beamten auf ihre Posten. Draußen wird kontrolliert, in der Wache geht es zum Empfang, danach in den “Kindergarten”, wo die ertappten Drogensünder dann abgearbeitet werden. Es gibt mehrere Computer-Arbeitsplätze, Drucker, Kopierer – alles temporär aufgebaut und für diesen Einsatz optimiert:
Von der Verpflegung, über die Technik und Ausstattung der Kollegen bis hin zur Abarbeitung ist alles wichtig – ich bin sehr dankbar für den großartigen Einsatzwillen, den alle Beteiligten hier zeigen,
sagt Herr Hartmannsgruber. Der “Logistiker” ist Polizeikommissar Günter Frey – er achtet darauf, dass alles, was gebraucht wird, erstens vorhanden ist und zweitens auch funktioniert.
Die überwiegend jungen Kollegen haben sich alle freiwillig gemeldet, wie auch Polizeikommissar Frederik Klemm, der eigentlich in Heidelberg Beamter ist, heute aber Führungsassistent von Herr Hartmannsgruber – Herr Klemm ist aktuell “unter Beobachtung” bei der Führungsgruppe Direktion Polizeireviere. Der junge Beamte tut sich hervor, hat sein Interesse für die Aufgabe kund getan und sammelt nun Erfahrungen.

Polizeioberkommissar Jens Eberwein (Bildmitte) erläutert die Bürokratie.
Jedes angezeigte Drogendelikt hat Folgen
Wie gehen die Partygänger mit den Kontrolle um, will ich wissen? Ist den meisten klar, was die Kontrollen bedeuten?
Leider viel zu wenig, ist zumindest mein Eindruck,
sagt Herr Klemm und Herr Hartmannsgruber nickt. Denn mit der erfolgreichen Feststellung von Drogenbesitz und/oder -konsum geht das volle Programm los. Jeder Fall kommt zur Anzeige. Viele haben nur “Stoff” für den eigenen Bedarf dabei – die Meldung an die Führerscheinstelle erfolgt trotzdem. Egal, ob man mit 17, 18 Jahren noch keinen Führerschein hat, einen auf Probe oder einen regulären.
Die Folgen sind offenbar vielen nicht klar. Es können regelmäßige Urin- und Blutabgaben angeordnet werden. Es müssen Beratungstermine wahrgenommen werden. Es gibt Geldstrafen und wenn der Führerschein erstmal weg ist, ist das gar nicht so einfach, den wieder zu bekommen,
sagt Herr Klemm.

Viele haben kleine Mengen bei sich – hier 0,6 Gramm Marihuana. Die juristischen Folgen mögen überschaubar bleiben – die konkreten sind, dass der Führerschein in Gefahr ist und erhebliche Umstände und Kosten folgen können.
Hohe Sicherheitsleistungen für Ausländer
Der Veranstalter und die Polizei haben im Vorfeld deutlich auf die Kontrollen hingewiesen – trotzdem wird die “Fangquote” vermutlich wieder hoch sein. Viele lernen offenbar erst durch Schaden. Der Veranstalter hat gut 600 Teilnehmer aus Frankreich gemeldet, mehrere hundert aus Österreich und der Schweiz. Wird hier jemand erwischt, wird es sofort sehr teuer.
Die Staatsanwaltschaft hat der Polizei “Preislisten” ausgehändigt. Je nach Art und Menge der Drogen gibt es hier unterschiedliche “Sicherheitsleistungen” zu erbringen. Sprich: Die Verdächtigen müssen einen Geldbetrag in Höhe der zu erwartenden Strafe hinterlegen. Ein Beispiel: Wer am Steuer erwischt wird, ist mit 500 Euro aufwärts dabei. Im Vorfeld wurden drei Geldautomaten in der Umgebung befüllt – auch das eine Maßnahme, die auf Erfahrung aus der Vergangenheit beruht. Teils mussten so oft höhere Beträge abgehoben werden, dass die Automaten leer waren.

Gehört auch zur logistischen Ausstattung für die Einsatzkräfte. Das sind keine Drogen, sondern Ohrstöpfel auf Staatskosten, damit es keine Hörschäden bei den Beamten gibt.
Die Kontrollen auf und um das Maimarktgelände werden von der Verkehrspolizeidirektion unterstützt – insbesondere in der Anfahrtsphase wird verstärkt kontrolliert. Wer mit Drogen erwischt wird und sein Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher abstellen kann, muss auch noch für die Abschleppgebühren aufkommen. Für viele wird das also eine sehr, sehr teure Party werden. Am Morgen werden dann Kräfte des Polizeireviers Oststadt aus dem Einsatz vor Ort herausgelöst und übernehmen die Abfahrtskontrollen. Stichwort: “Ganzheitliches Einsatzkonzept” – klingt “grün”, ist aber “einsatzblau”. So optimiert man die Einsatzkräfte.
Die “vernünftigen” Party-Gänger, die niemanden im Verkehr gefährden, müssen allerdings auch mit Kontrollen rechnen – der Zugverkehr wird von Beamten der Bundespolizei in Absprache mit der Mannheimer Polizei kontrolliert.
Wir betonen das immer wieder – die Polizei wünscht allen Partygästen einen schönen Abend und eine super Stimmung. Wir wünschen allen ganz viel Spaß – aber der ist dann zu Ende, wenn Drogen konsumiert werden und wir das feststellen. Dann ist eben Schluss mit lustig,
sagt Herr Hartmannsgruber und guckt ernst – weil er und seine Kollegen “leider” sehr erfolgreich sind.
Guck mal, die da vorne, die ist ja echt Hardstyle,
sagt die junge Beamtin zu ihrem Kollegen. Gemeint ist eine Frau, die in Hotpants und nackten, schlanken Beinen mit “Ohrentunnels” in einer Gruppe von Männern steht und offenbar vollkommen unempfindlich gegen die Minusgrade ist, während die Polizisten ihre Jacken bis oben zugezogen haben und frösteln. Von der Figur her ist die Frau ein “Blickfang” – nicht nur für Männer, sondern auch für die Beamtin.
Man beobachtet die Dame eine Zeit lang, dann beginnt auch für sie der Gang der Dinge. Empfang, Kindergarten, Ganzkörperkontrolle – und die Party ist vorbei, weil die Beamten in ihrem BH fündig wurden. Egal ob Socke, Sohle, BH, Unterhose, Mund – die Beamten kennen die meisten Verstecke. Und lernen immer wieder neue kennen, die dann keine mehr sind.
Und mal ehrlich – alle feiern und die Beamten lässt das kalt?
Ich zappel auch schon mal mit, wenn der Beat mir gefällt. Aber keine Sorge, der Blick bleibt wachsam,
sagt die Beamtin und grinst.

Die Polizei-“Apotheke”. Einmal-Handschuhe, Reinigungsmittel und andere Sachen, die man für die Abfertigung benötigt.
Aktualisierung, 29. Januar 2017: Information der Polizei
“Bei einer Technoveranstaltung von Samstag auf Sonntag in der Maimarkthalle mit über 5000 Besuchern wurden insgesamt 500 Gäste und über 100 Autofahrer kontrolliert.
Bereits bei der Anfahrt wurden sechs Autofahrer von der Verkehrspolizei aus dem Verkehr gezogen, die “zugedröhnt” waren. Blutentnahmen waren fällig; ihre Führerscheine wurden beschlagnahmt.
Bei den Abfahrtskontrollen nach der Veranstaltung am Sonntagmorgen gab es keine Beanstandungen mehr.
Während der Party wurden 50 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt, gegen einen Besucher wird wegen des Verdachts des Handeltreibens ermittelt.
Ein Gast aus München wird zudem wegen Widerstands gegen Polizeibeamte angezeigt. Bei der Kontrolle hatte er sich gewehrt und einen Polizeibeamten mit einem “Ellenbogencheck” gegen den Kopf leicht verletzt.
Ein weiterer Gast, der vor der Bühne einen Gast schlug, konnte festgenommen werden und blieb wegen seiner Drogenbeeinflussung vorübergehend im Polizeigewahrsam. Der Verletzte wurde vom Deutschen Roten Kreuz, das während der Dauer der Veranstaltung insgesamt 40 Personen behandeln musste, versorgt.
Bemerkenswert erscheint, dass viele beanstandete Partygäste aus dem benachbarten Frankreich anreisten. Zur Sicherung des Strafverfahrens wurden bei ihnen Sicherheitsleistungen erhoben.”