
Rund 100 Teilnehmer erarbeiteten beim 2. Netzwerktreffen der Regionalstrategie Demografischer Wandel einen Maßnahmenkatalog, um die Metropolregion auf die Überalterung der Gesellschaft einzustellen.
Mannheim/Rhein-Neckar, 28. Juni 2013. (red/ld) Das Netzwerk „Regionalstrategie Demografischer Wandel“ (RDW) befasst sich seit der Demografiewoche im vergangenen Oktober damit, wie der Wandel in der Region gestaltet werden kann (Wir haben umfangreich berichtet). Beim zweiten Netzwerktreffen gestern wurde ein Strategiepapier dazu entworfen. Lob für ihre Aktivitäten erhielten die gut 100 Teilnehmer von Hans-Joachim Fuchtel, Staatsekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Von Lydia Dartsch
Das Szenario 2030: Baggerfahrer Klaus hat mit seinen 50 Jahren noch 17 Jahre Zeit bis zur Rente. Kein Problem: Auf der Baustelle in seinem barrierefreien Bagger läuft er keine Gefahr mehr, beim Aussteigen mit dem Fuß umzuknicken. Sein Kollege Leon hat heute nachmittag frei, weil er seine Eltern pflegt. Der Chef ist froh, dass er Leon hat. Seinen Mitarbeitern hat er schon vor Jahren zusätzliche Leistungen eingeräumt, um sie weiterzubilden und sie möglichst lange an sich zu binden. Schließlich gibt es auf dem Arbeitsmarkt heute sechs Millionen Menschen weniger als noch vor ein paar Jahren.
So oder so ähnlich wird es in 17 Jahren aussehen. Davon geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus. Darauf reagieren muss man schon jetzt:
Nur wenn wir frühzeitig handeln, können wir unseren Wohlstand erhalten. Die Metropolregion Rhein-Neckar ist da gut aufgestellt. Was Sie auf den Weg gebracht haben, ist nicht zu toppen: 450 Veranstaltungen im vergangenen Jahr,
sagte Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, der direkt von einer Dienstreise aus Griechenland zum Netzwerktreffen der RDW gekommen war.
„Nur“ 600.000 weniger Arbeitskräfte in Baden-Württemberg
Je nach Region werde der demografische Wandel und der damit verbundene Verlust von Arbeitskräften die Bundesrepublik unterschiedlich hart treffen: So geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales davon aus, dass es Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern am härtesten treffen werde. Dort werden 2030 insgesamt 1,2 Millionen weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter sein. Das ist ein Rückgang von knapp 35 Prozent in diesen Ländern. In Baden-Württemberg werden es „nur“ 600.000 weniger Arbeitskräfte sein – ein Rückgang von rund zehn Prozent. Nur in Hamburg wird die Zahl konstant bleiben.

Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales lobte die Aktivitäten in der Region.
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen müssten sich schon jetzt darauf vorbereiten, sagte Staatssekretär Fuchtel. Große Konzerne hätten dagegen kaum Probleme, sich den Herausforderungen zu stellen. Denn wenn viel weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt sind, werden sich die Nachfrageverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt umkehren.
Unternehmen bewerben sich um Arbeitskräfte
Nicht mehr die Firmen suchen dann die besten Mitarbeiter aus, sondern sie bewerben sich bei ihnen mit zusätzlichen sozialen Leistungen und einem attraktiven Arbeitsplatz. Maßnahmen sind beispielsweise die Einrichtung barrierefreier Arbeitsplätze, Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeiter oder die Möglichkeit, sich – ähnlich der Elternzeit – Pflegezeit für die Betreuung seiner Angehörigen beantragen zu können. Wenn die mittelständischen Unternehmen sich darauf nicht einstellen, sehe es schlecht aus für sie und die deutsche Wirtschaft:
Das Problem ist dann, dass die Arbeit da ist, aber niemand, der sie macht. Als Folge wandern die Aufträge ins Ausland ab.
Die kleinen und mittleren Unternehmen, die er als Motor für Innovation pries, würden schließen müssen. Innovationen würden nicht entwickelt werden können und Deutschland verliere seine starke Position im internationalen Wettbewerb. Um das zu verhindern und langfristig mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu haben sei die „Rente mit 67“ eingeführt worden.
Wenn wir möchten, dass die Menschen länger arbeiten, müssen wir sie besser begleiten.
Deshalb habe das Bundesministerium die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ins Leben gerufen. Sie soll Unternehmen dabei helfen, sich rechtzeitig auf den demografischen Wandel einzustellen. Mit einem Online-Tool können Unternehmen testen, wie gut es aufgestellt ist und wie es dem Prozess begegnen kann. Die Webseite biete zudem Hinweise zu Fördermöglichkeiten.
Duale Ausbildung stärken
Auf Arbeitnehmerseite müsse man schon bei jungen Menschen beginnen. Man müsse ihnen den sozialen Aufstieg erleichtern und dafür „Bildungspakete“ schnüren. Duale Ausbildungen und Berufsschulen gehörten ebenfalls dazu, sagte er. Im europäischen Arbeitsmarkt sei die Kombination aus Wissensvermittlung und praktischer Ausbildung nicht weit verbreitet.
Vor allem in ländlichen Gebieten werde man mit dem demografischen Wandel zu kämpfen haben, sagte er. Denn wenn Berufsschulen in Kleinstädten wegen zu geringer Schülerzahlen schließen müssten, bliebe den Auszubildenden nichts anderes übrig, als für ihre Ausbildung in die größeren Städte zu gehen. Es sei absehbar, dass sie auch dort bleiben:
Durch diesen Klebeeffekt werden wir eine Zuwanderung aus ländlichen Regionen in die Städte erleben,
sagte Staatssekretär Fuchtel. So werde den Unternehmen im ländlichen Raum der Nachwuchs fehlen. Fachkräfte aus dem Ausland könnten das verhindern:
Deshalb müssen wir Berufsschulen öffnen für junge Europäer,
sagte er. Sein Ministerium habe dafür bereits Programme und Informationsangebote – wie die Webseite www.make-it-in-germany.de – für Bewerber aus dem Ausland und Arbeitgeber ins Leben gerufen.
Rückmeldungen bis 19. Juli möglich
Man müsse jetzt Maßnahmen ergreifen und die Zukunft gestalten. Dafür kann man beim Studium Generale an der Universität Mannheim Kurse in Sachen Demografischer Wandel belegen.
Um die Metropolregion Rhein-Neckar auf die Zukunft einzustellen, erarbeiteten die rund 100 Teilnehmer des RDW-Netzwerkstreffens ein Strategiepapier. Das sei das Ergebnis der Demografiewoche im vergangenen Herbst, sagte Ralph Schlusche, Vorstand des Lenkungskreises RDW. Ziel sei es, die Erkenntnisse aus den Veranstaltungen darin aufzunehmen, Maßnahmen zu formulieren und diese für Akteure auf den verschiedenen Ebenen verbindlich zu machen.
Wir haben mit den zentralen Akteuren seit Dezember diskutiert. Jetzt geht es darum, möglichst alle Mitglieder des Netzwerks einzubinden,
sagte RDW-Netzwerkmanager Frank Burkard. Bis zum 19. Juli haben Demografie-Akteure die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Der Lenkungskreis des Netzwerks wird sich nach der Sommerpause mit dem Papier beschäftigen. Im Herbst soll es dann in den Verbandsgremien verabschiedet werden.