Rhein-Neckar, 28. Juni 2017. (red/me) Mit großer Begeisterung haben die Wählerinnen und Wähler neue Gesichter als Volksvertreter ins Parlament gewählt. Alte Gesichter wurden nicht mehr gewählt, stattdessen ist eine Aufbruchsatmosphäre landesweit spürbar. So geschehen vor kurzer Zeit im benachbarten Frankreich. Doch in der Metropolregion Rhein-Neckar treten viele langjährige Bundestagsabgeordnete im September erneut zur Wahl an und möchten ihre teilweise Jahrzehnte lange Funktion fortsetzen.
Von Mathias Meder
Von 577 Abgeordneten wurden über 420 Abgeordnete erstmals in die französische Nationalversammlung gewählt. Einen ähnlichen Umbruch wird es vermutlich bei der Bundestagswahl im September nicht geben. In unserem Berichtsgebiet bewerben sich von 19 bisherigen Abgeordneten erneut 16 um ein Mandat – zusammengerechnet saßen diese 16 bereits 182 Jahre im Bundestag.

Sie hören auf als Bundestagsabgeordnete: Michael Schlecht (Die Linke), Dr. Egon Jüttner (CDU), Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU), Fotos: Deutscher Bundestag
Nur drei bisherige Abgeordnete hören auf. Neben Michael Schlecht (Die Linke) sind dies Dr. Egon Jüttner (CDU) und Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU). Frau Böhmer gehörte dem Bundestag seit 27 Jahren, Herr Jüttner mit einer Unterbrechung seit 2002 an. Den beiden Abgeordneten versuchen nun Torbjörn Kartes in Ludwigshafen und Nikolas Löbel in Mannheim zu folgen. Auf Michael Schlecht wird aller Voraussicht nach die Spitzenkandidatin der baden-württembergischen Linken, die Mannheimer Stadträtin Gökay Akbulut, folgen.
Gleich drei Abgeordnete der Region versuchen indes, die 27 Jahre Parlamentszugehörigkeit mit ihrer Wiederwahl im September zu erreichen. Neben Prof. h.c. Dr. Karl A. Lamers (CDU) und Dr. Michael Meister (CDU) wurde auch Doris Barnett (SPD) erstmals 1994 in den Bundestag gewählt. Trotz ihrer langen Zeiten im Parlament hat es jedoch keiner der drei Abgeordneten in die erste Reihe der Bundespolitik geschafft.

Dr. Michael Meister (CDU), Doris Barnett (SPD) und Prof. h.c. Dr. Karl A. Lamers (CDU) stellen sich nach 23 Jahren im Deutschen Bundestag erneut zur Wahl. Fotos: Deutscher Bundestag
Bereits seit fünf Legislaturperioden im Deutschen Bundestag sind Christine Lambrecht (SPD) und Lothar Binding (SPD), gefolgt von Olav Gutting (CDU), der seit 2002 den Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen vertritt. Dienstältester Bundestagsabgeordneter der Grünen ist Dr. Gerhard Schick aus Mannheim. Während zu Beginn der Grünen noch das zwei- beziehungsweise vierjährige Rotationsprinzip galt, ist heute auch nach 12 Jahren Parlamentszugehörigkeit der erneute Einzug in den Bundestag für ihn durch einen vorderen Listenplatz wohl sicher.
Mit Dr. Thomas Gebhart (CDU), Dr. Stefan Harbarth (CDU), Dr. Tobias Lindner (Grüne) und Stefan Rebmann (SPD) bewerben sich weitere Abgeordnete der Region für ihre dritte Legislaturperiode. Für viele ist der eigentliche Beruf „Abgeordneter sein“ geworden.
Doch in vielen Fällen haben die Bundestagsabgeordneten der Region einen anderen Beruf nur kurzzeitig ausgeübt. So arbeitete Dr. Michael Meister nach Studium und Promotion nur rund vier Jahre als Mitarbeiter im Operationszentrum der Europäischen Raumfahrtbehörde in Darmstadt. Bei Doris Barnett waren es immerhin neun Jahre.

Lothar Binding (SPD), Dr. Gerhard Schick (Grüne) und Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) , Fotos: Deutscher Bundestag
Der Starkstromelektriker und Mathematiker Lothar Binding war vor seiner Abgeordnetenzeit 16 Jahre beruflich tätig. Zwischen der Promotion von Dr. Gerhard Schick und seiner ersten Wahl in den Deutschen Bundestag vergingen dagegen nur drei Jahre.
Allerdings sind selbst die teilweise sehr kurzen Berufsphasen noch viel, wenn man sie mit Dr. Wolfgang Schäuble vergleicht. Der Bundesfinanzminister ist seit 1972 Mitglied des Bundestages und somit dienstältester Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Zwischen seiner Promotion und dem Beginn seiner Abgeordnetenkarriere liegt gerade einmal ein Jahr. Er stellt sich im September erneut der Wahl in seinem Wahlkreis Offenburg und wird in diesem vermutlich auch zum dreizehnten Mal das Direktmandat erhalten. So wie es aussieht, wollen die Wählerinnen und Wähler bei uns doch keine neuen Gesichter.