Rhein-Neckar, 27. November 2016. (red/pro) Die Euphorie vieler Flüchtlingshelfer ist längst einer realen Ernüchterung gewichen – auch, wenn so gut wie niemand drüber sprechen mag. Wir berichten über politische Entscheidungen, aber auch über die Folgen – vor Ort und was mit und zwischen Menschen passiert. Um zu begreifen, was passiert, was sich entwickelt, muss man viele Sichtweisen einnehmen. Dieser Bericht basiert auf Nachfragen über Monate.
Von Hardy Prothmann
„No, that is not what I want“, sagt der Mann. Mit wem spricht er? Ah, er hat Kopfhörer eingestöpselt und telefoniert.
„Zwölf Euro neunundsiebzig bitte“, sagt die Kassiererin.
„Fuck you, man“, sagt der Mann, der vermutlich ein Flüchtling ist und gerade bezahlen soll. Dunkle Hautfarbe. Korkenzieherlocken. Hose in den Knien. Bunte Schuhe und ein extrem cooles Auftreten. Er riecht.
Kekse, Chips, Wein und Bier
„What?“, fragt er, wobei nicht klar ist, ob er die Kassiererin meint oder denjenigen, mit dem er telefoniert. Die Kassiererin wiederholt: „Zwölf Euro neunundsiebzig.“
Der junge Mann Anfang zwanzig kramt in seinen Taschen nach Geld und redet sehr vulgär vor sich hin mit der Person über den Knopf im Ohr. Die Schlange wird länger. Die Kunden warten.
Plötzlich redet er afrikanischen Dialekt, möglicherweise Mandinka. Die Deutschen, die Türken, die „Jugos“ in der Schlange sind genervt über das egoistische Verhalten und werden unruhig. Aber niemand sagt etwas – man möchte ja nicht auffallen. Aber alle sind sichtbar genervt.
Währenddessen packt der Mann seinen Kauf ein – wie es verlangsamter nicht sein könnte. Er ist in der Pole-Position und genießt das offenbar. Alle müssen auf ihn warten, bis er den Platz freimacht.
Die Kassiererin sagt: „Zwölf Euro neunundsiebzig, bitte“. Der junge Mann telefoniert, reicht einen Schein über zehn Euro, kramt nach Kleingeld, das er nach und nach aus seinen Taschen befördert. Er kauft Kekse, Chips, Wein und Bier.
„Ich spreche deutsch mit Ihnen“ – die Antwort ist „bitch“
„Talk English to me“, sagt der junge Mann zur Kassiererin. Dabei wirkt er aggressiv und dann ist er wieder in sein Gespräch mit dem Knopf im Ohr vertieft, auf das er lautstark antwortet.
Die Kassiererin sagt: „Nein, ich spreche deutsch mit Ihnen, zwölf Euro neunundsiebzig bitte.“
Der junge Mann sagt: „Wait“, guckt auf den Betrag in der Kassenanzeige und sagt: „You have to wait.“ Und dann: „Bitch.“ Dann grinst er und lässt sich alle Zeit der Welt, während er weiter lautstark telefoniert, während er „mühsam“ die Münzen zählt. Mittlerweile stehen zehn Kunden in der Schlange. Die andere Kasse wird aufgemacht. Den jungen Mann interessiert das alles nicht.

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Immer frecher, immer dreister
Die Kassiererin ist Mitte 50. Keine Ahnung, ob sie „bitch“ verstanden hat. Sie ist eine sehr freundliche Kassiererin, die sich bemüht, die Kunden gut zu bedienen. Ich kenne sie schon lange. Endlich ist der Kerl weg. Die Frau hat Tränen in den Augen.
Ich frage die Angestellte: „Wie geht es Ihnen?“ Sie sagt: „Die werden immer frecher, immer dreister.“ Ich frage: „Wen meinen Sie?“ Sie sagt: „Als die Flüchtlinge vor einem Jahr kamen, war es manchmal anstrengend. Aber es ging. Sie haben ja schon oft gefragt. Seit nur noch schwarze, junge Männer da sind, geht es gar nicht mehr. Ich bin noch nie in meinem Leben so oft so unwürdig behandelt worden. Das finde ich schlimm, weil ich eigentlich denke, dass man den Menschen helfen muss.“
Die freundliche Kassiererin atmet durch und sagt: „Für mich ist das ganz schlimm. Ich werde behandelt wie ein Stück Dreck. Es gibt keine Höflichkeit. Kein freundliches Wort. Aber ich muss meinen Job machen. Meine Familie braucht das Einkommen und…“
Dann stoppt sie. Ich frage: „Was meinen Sie mit und?“ Sie sagt: „Und ich will keine Rassistin sein. Aber jeder Tag ist ein Prüfstand. Und ich bin freundlich zu allen Kunden, egal woher. Sie haben das eben selbst erlebt. Wieso muss ich so viel Erniedrigung erfahren?“
Wirklich kränkend sind die Blicke
Ich frage überall nach, wo Menschen Kontakt zu Flüchtlingen haben. Also da, wo alle vorbeikommen, und das sind beispielsweise Supermarktkassen.
Die freundliche Kassiererin sagt: „Ich hab doch nichts gegen irgendjemanden. Aber die schwarzen, jungen Männer klauen und wir müssen wegsehen. Über Wochen. Wenn wir was zu denen sagen, werden wir ausgelacht. „Call the police“, sagen die dann und grinsen. Was sollen wir Frauen tun? Wir brauchen Security. Ich bin schon so lang an der Kasse, ich möchte eigentlich keine Security, ich möchte nur meinen Job für die Kunden machen.“
„Kränkt es Sie sehr, dass Sie so behandelt werden?“, frage ich. Die Kassiererin sagt: „Das Gehabe mit dem Geld? Nein, das nervt nur. Es gibt immer mal welche, die sich aufspielen. Wirklich kränkend sind die Blicke. Ich habe noch nie so viel Verachtung in Augen von anderen sehen können.“
Ich sage zu ihr: „Ich meinte das Wort „bitch“?“ Sie sagt: „Ich habe nur wait verstanden und Sie haben ja gesehen, wie der sich Zeit gelassen hat.“
Ich sage: „Ist egal, es war unhöflich. Sie haben einen guten Job gemacht. Schönen Abend.“
Sie sagt: „Danke schön. Schönen Abend. Und danke, dass Sie nachgefragt haben.“
Eine Woche später gibt es Security an der Kasse. Erniedrigendes Verhalten fällt seitdem überwiegend aus – aber es sind auch weniger Kunden da. Insgesamt sind „gefühlt“ überhaupt sehr viel weniger Kunden im Markt – woran man das festmachen kann? Die besten Parkplätze sind oft frei. Überhaupt sind viele Parkplätze frei, die vor Wochen noch oft belegt waren.

Lesetipp: Als wir vor über einem Jahr diesen Artikel veröffentlicht hatten, wurden wir aus gewissen Kreisen als „Rassisten“ beschimpft. Mittlerweile hat die Stadt Mannheim für die Neckarpromenade und Teile der Innenstadt eine Verfügung erlassen, um Platzverbote durchzusetzen. Vor einigen Wochen vollstreckte die Polizei 41 Haftbefehle nach monatelanger akribischer Observation. Es gibt zahlreiche Körperverletzungdelikte – eine junge Frau wurde im Sommer brutal zusammengeschlagen und vergewaltigt – von einem Flüchtling aus den Maghreb-Staaten. Neckarpromenade und Teile der Quadrate sind mittlerweile ein Schwerpunkt der Drogenhändlerszene. Polizei und Stadt haben vor einigen Wochen in einer gemeinsamen Pressekonferenz erweiterte Maßnahmen angekündigt. Die Vorwürfe gegen unsere Berichterstattung haben gewisse Kreise nie zurückgezogen.
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