Mannheim/Rhein-Neckar, 27. Mai 2016. (red/as) Anas und Abed sind syrische Flüchtlinge, die auf Benjamin Franklin Village in Mannheim untergebracht wurden. Die beiden hatten ein Leben mit Familie und Beruf, bis sie wegen des Krieges flüchten mussten. Das Deutsche Rote Kreuz hat ihnen die Möglichkeit gegeben, einen ersten Schritt in die Selbstständigkeit in Deutschland zu machen: Anas und Abed sind hauptamtliche Mitarbeiter beim DRK.
Von Annika Schaffner
Anas Darkoushy ist 34 Jahre alt und seit acht Monaten in Deutschland. Er ist auf Benjamin Franklin Village in Mannheim untergebracht. Anas kommt aus Syrien, hatte dort ein eigenes Haus und einen gut bezahlten Job bei der “Telekom”.
Der Krieg hat alles verändert,
sagt er. Seine Frau und seine zwei kleinen Töchter sind noch in Aleppo. Er hofft, sie bald wieder bei sich zu haben.
Abed Al Baghdadi ist gerade mal 23 Jahre alt und musste ebenfalls aus Syrien flüchten. Er hat als Physiotherapeut in einem syrischen Krankenhaus gearbeitet und war in seiner Freizeit Basketballtrainer. Seit neun Monaten ist er in Deutschland. Nach verschiedenen Stationen in Stuttgart, Bruchsal und Sinsheim kam er nach Mannheim.
Die beiden fühlen sich wohl in Mannheim und loben die Mitarbeiter vom DRK, die das Lager auf Franklin betreiben. Vor allem Christiane Springer, die sie mittlerweile „Mama“ nennen, hat es ihnen angetan.
Sie behandelt uns als ganz normale Menschen, isst mit uns am gleichen Tisch,
erzählt Abed.
Wie Flüchtlinge DRK-Mitarbeiter werden
Das Deutsche Rote Kreuz versucht, auch die Flüchtlinge in ihre Gemeinschaft mit einzubringen. Abed und Anas dürfen beide seit kurzem einem hauptamtlichen Job nachgehen. Anas konnte zumindest teilweise das machen, was er früher schon gemacht hat: Organisieren. Er arbeitet in der Verwaltung des DRK und hilft bei der Koordination der Flüchtlingsunterkunft.
Abed arbeitet als Sanitäter auf der Rettungswache von Franklin. Er konnte sogar eine kostenlose Ausbildung machen und hat nun neben dem syrischen Abschluss auch ein deutsches Zertifikat, was sehr sehr wichtig für seine Zukunft sein wird.
Der DRK hat 15 weitere Asylsuchende angestellt. Meistens ist dies möglich, wenn sie in ihrer Heimat ähnliche Berufe gelernt haben, wie Abed und Anas. Außerdem ist es wichtig, dass die DRK-Mitarbeiter gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht haben, die sie dann später einstellen. Anas erzählt stolz, dass er sich freiwillig eingebracht und mitgeholfen hat. Die beiden sprechen sehr gut Englisch und sind den Mitarbeitern in der Flüchtlingsunterkunft oft eine große Hilfe, wenn es ums Übersetzen geht.
Der Einstieg in ein neues Leben
Die beiden sind nicht nur dankbar, eine Beschäftigung zu haben oder Geld zu verdienen: „Es ist der Einstieg in ein neues Leben!“, sagt Anas.
Erst wenn man einen Job hat, Geld verdient und Steuern zahlen kann, wird man vom hilflosen Flüchtling zu einem normalen Menschen.
„Dann hat man ein eigenes Leben!“, fügt Abed hinzu. Die Arbeit beim DRK ist für sie ein erster Schritt in diese Richtung.
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Andere Flüchtlinge haben es schwerer, einen Job zu finden. Oft ist die Sprache das größte Problem, erzählt Anas. Er versucht seine Freunde deshalb immer dazu zu bringen, an den Deutsch-Kursen teilzunehmen, die auch auf Franklin angeboten werden. Er selbst macht ab September einen Deutschkurs an der Abendakademie:
Die Sprache ist der Schlüssel für ein Leben in Deutschland!
Obwohl die beiden meinen, sie würden noch nicht gut deutsch sprechen – meiner Meinung nach ist vor allem ihr Sprachverständnis schon ziemlich fortgeschritten, wenn man bedenkt, dass sie erst seit acht beziehungsweise neun Monaten in Deutschland leben. Und vor dem Sprechen, kommt das Verstehen.
Sie wirken sehr vernünftig und sind zuvorkommend. Sie machen das Beste aus ihrem Leben in der Flüchtlingsunterkunft, auch wenn ihre Zukunft so unsicher ist. Die beiden wollen damit ein Beispiel für ihre Landsleute sein. Mich beeindruckt, wie positiv beide eingestellt sind – insbesondere vor dem Hintergrund dessen, was sie alles verloren haben, der Zerrissenheit der Familien.
Zukunftsträume
Anas will, sobald auch seine Familie hier ist, Business Management an der Mannheimer Universität studieren. Auch Abed will für seine Arbeit als Sanitäter noch mehr deutsche Zertifikate erhalten und weiter in diesem Beruf arbeiten. „Ich denke das sind ganz normale Träume“, meint Abed auf die Frage, wie er über seine Zukunft denkt. Familie, Arbeit, eine sicheres Leben.
Natürlich würden sie gerne nach Syrien zurückkehren, denn es war oder ist ihre Heimat. Doch es würde im Moment einfach keinen Sinn machen und Anas meint: „Dieser Krieg ist nicht unser Krieg.“. Beide sind „happy to be here“ und versichern:
Wir haben nun eine zweite Heimat gefunden. Was wir in Syrien verloren haben, haben wir hier wieder gefunden.
Wieder erwähnen sie Frau Springer und es wird deutlich, wie wichtig es für Menschen auf der Flucht ist, jemanden zu haben, der sie respektiert und fördert.
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Wir sind alle Menschen.
Abed lobt aber auch alle anderen Mitarbeiter in der Mannheimer Flüchtlingsunterkunft, vor allem nach Erfahrungen in anderen Unterkünften:
Die Leute arbeiten hier nicht für Geld, sie arbeiten für uns. Für Menschen.
Als in der Benjamin Franklin Village noch über 6.000 Flüchtlinge untergebracht waren, sei vieles sehr chaotisch gewesen, da die Helfer wenig Zeit zum Organisieren hatten. Doch jetzt sei es schon viel besser und es herrsche ein sehr angenehmes Klima. Im Moment wohnen nur noch etwas über 370 Menschen auf Franklin.
Auf die Frage, was sie zu den Menschen sagen würden, die Schlechtes über sie denken, antworteten sie sehr offen. Anas meint, dass es in jeder Nationalität gute und schlechte Menschen gäbe. Und dass schlechte Nachrichten sich immer viel schneller verbreiten. Er würde gerne die Deutschen einladen und ihnen zeigen, was sie für Menschen sind, die da auf Franklin wohnen, dann würde niemand mehr schlecht über sie reden.
You are a human, I am a human, we are all humans!
fügt Abed hinzu. Sie scheinen gar nicht zu verstehen, wie oder warum jemand etwas anderes denken könnte. Zum Schluss sagt Anas:
Alle Rheinneckarblog-Leser können gerne mal vorbeikommen und uns kennen lernen!
Anm. d. Red.: Da der Zugang zur Flüchtlingsunterkunft nicht frei ist, können wir gerne auf Anfrage den Kontakt herstellen.
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