Mannheim/Karlsruhe, 27. Oktober 2017. (red/pro) Aktualisiert. Nach staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen mehrere gastronomische Betriebe wegen des Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs hat das Regierungspräsidium Karlsruhe erst durch unsere Berichterstattung von diesen Ermittlungen erfahren. Die Behörde will sich nun mit der Sache befassen und prüfen, ob und wie der äußerst lukrative Dienstleistungsauftrag fortgeführt wird (bitte beachten Sie hier unsere Aktualisierung am Ende des Artikels). Auch die Städte Heidelberg und Mannheim sind geschäftlich mit den Firmen verbunden, die im Verdacht stehen, Arbeitsentgelt im hohen sechsstelligen Bereich nicht abgeführt zu haben. Nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit sollen solche Unternehmen von der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, selbst wenn noch keine Verurteilung vorliegt.
Von Hardy Prothmann
Beim Regierungspräsidium Karlsruhe wusste man bis gestern nichts von den staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen mehrere Personen eine Gastronomie-Gruppe aus der Region, die unter anderem für das Land Baden-Württemberg tätig sind sowie die Städte Heidelberg und Mannheim.
Der Vorwurf wiegt schwer: Mindestens 700.000 Euro Arbeitsentgelt sollen nicht angegeben und auch nicht abgeführt worden sein. Die Strafe für eine solche Tat reicht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft, in besonders schweren Fällen auch bis zu zehn Jahren Haft. Ein Geschäftsführer wurde wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommen. Gegen zwei weitere Personen wird ebenfalls ermittelt. Ein befindet sich nach unseren Informationen möglicherweise im Ausland.
Staatsanwaltschaft informierte öffentliche Auftraggeber bislang nicht
Verwunderlich ist, dass die Behörden sich offenbar nicht austauschen, obwohl möglicherweise eine schwere Straftat vorliegt und die mutmaßlich Tatverdächtigen lukrative Aufträge von staatlichen Behörden erhalten haben. So hat die Staatsanwaltschaft Mannheim bereits 2016 eine Durchsuchung veranlasst, 2017 nochmals und dann Anfang Oktober 2017 einen der mutmaßlich Tatverdächtigen Geschäftsführer in Haft gebracht. Um einen Haftbefehl zu erwirken, braucht es schwerwiegende Indizien, die eine solche Maßnahme rechtfertigen. Die Hürden dafür liegen hoch.
Nach unseren Recherchen hat die Gastro-Gruppe Großaufträge zur Versorgung von Flüchtlingen in zwei Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Mannheim erhalten und ist als Cateringunternehmen auch für die Städte Mannheim und Heidelberg im Geschäft. Möglicherweise bestehen noch weitere Dienstleistungsaufträge durch andere öffentliche Stellen. Auf Anfrage teilte der Rhein-Neckar-Kreis mit, dass keins der Unternehmen der Firmengruppe Aufträge durch den Kreis erhalten habe.
Das Regierungspräsidium wie die Städte Heidelberg und Mannheim und andere öffentliche Auftraggeber können laut dem “Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung “Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz” (SchwarzArbG) Auskunft von den Ermittlungsbehörden verlangen:
(1) Von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag der in den §§ 99 und 100 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Auftraggeber sollen Bewerber bis zu einer Dauer von drei Jahren ausgeschlossen werden, die oder deren nach Satzung oder Gesetz Vertretungsberechtigte nach
1. § 8 Abs. 1 Nr. 2, §§ 10 bis 11,
2. § 404 Abs. 1 oder 2 Nr. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch,
3. §§ 15, 15a, 16 Abs. 1 Nr. 1, 1c, 1d, 1f oder 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder
4. § 266a Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuches
zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als neunzig Tagessätzen verurteilt oder mit einer Geldbuße von wenigstens zweitausendfünfhundert Euro belegt worden sind. Das Gleiche gilt auch schon vor Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens, wenn im Einzelfall angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an einer schwerwiegenden Verfehlung nach Satz 1 besteht. Die für die Verfolgung oder Ahndung zuständigen Behörden nach Satz 1 Nr. 1 bis 4 dürfen den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und solchen Stellen, die von öffentlichen Auftraggebern zugelassene Präqualifikationsverzeichnisse oder Unternehmer- und Lieferantenverzeichnisse führen, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte geben.
Ein Standort wird bereits zur Übernahme angeboten
Wie in unserer ersten Berichterstattung bereits betont: Ein Ermittlungsverfahren ist noch keine Verurteilung. Wenn aber begründete Zweifel bestehen, dass ein Dienstleister möglicherweise durch illegale Beschäftigung auffällig ist, ist gesetzlich geregelt, dass dieser für die Dauer von bis zu drei Jahren von Auftragsvergaben ausgeschlossen wird. Wieso eine andere staatliche Behörde wie die Staatsanwaltschaft Mannheim nicht von sich aus öffentliche Auftraggeber über Hintergründe informiert, bleibt schleierhaft. Schließlich geht es hier um öffentliche Gelder.
Laut Regierungspräsidium gab es eine Ausschreibung, der Bewerber habe die erforderlichen Bedingungen erfüllt. Ob dem so ist, ist Gegenstand unserer weiteren Recherchen. Auffällig ist, dass eine der Firmen in den Jahren 2015-2016 auffällige Gewinnsprünge machte. Waren die erzielten Gewinne vorher eher beschaulich, summieren sie sich in den beiden zurückliegenden Jahren auf fast 4,5 Millionen Euro. Es müssen also sehr lukrative Aufträge ausgeführt worden sein.
Einer der Gastronomiestandorte, ein Restaurant in Ladenburg, wird aktuell zur Miete für 7.140 Euro angeboten. Der neue Pächter soll die Einrichtung für 357.000 Euro erwerben. Warum der Standort aufgegeben wird, wissen wir nicht.
Eine Anfrage zu den Ermittlungen an die Geschäftsführung der Unternehmen durch uns wird bisher nicht beantwortet.
Die Stadt Mannheim hat uns noch keine konkrete Antwort liefern können (Aktualisierung, 29. Oktober, 11:23 Uhr) teilt mit, dass man sich zu laufenden Verfahren nicht äußere, die Stadt Heidelberg verwies auf die Pressestelle der städtischen Tochter. Vor dort teilte man uns mit:
Es handelt sich hier um ein laufendes Verfahren, bei dem die Unschuldsvermutung gilt. Wir werden das Verfahren beobachten und zu gegebener Zeit Entscheidungen treffen.
Aktualisierung, 06. November 2017, 10:01 Uhr:
Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilte uns am vergangenen Donnerstagabend mit: “Mit dem inhaftierten Gastronom bzw. dessen Unternehmen bestehen seitens des Regierungspräsidiums Karlsruhe keine vertraglichen Beziehungen. Das Unternehmen, das in den Aufnahmeeinrichtungen in Mannheim für uns tätig ist, wird durch einen anderen Geschäftsführer betrieben und ist somit autark.”