Mannheim, 27. Januar 2016. (red/ms) Mit 10.400 Menschen im Stadtgebiet ist die Belegungszahl im Vergleich zwar wieder gesunken – dennoch nimmt Mannheim nach wie vor mehr Flüchtlinge auf als jede andere Stadt in Baden-Württemberg. Am Anfang war das chaotisch und sorgte für teils untragbare Zustände. Allmählich scheint sich die Lage jedoch zu stabilisieren und belastbarere Strukturen werden geschaffen.
Von Minh Schredle
Nachdem die Flüchtlingsunterbringung in Mannheim teils sehr „improvisiert“ erfolgte, scheinen sich die Strukturen in der Stadt zu stabilisieren. Wie Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) mitteilt, habe sich die Belegungszahl im Mannheimer Stadtgebiet relativ konstant auf etwa 10.400 Menschen eingependelt.
Davon sind etwa 700 Personen in der regulären Landeserstaufnahmestelle (LEA) in der Pyramidenstraße untergebracht, der Großteil der Menschen kommt allerdings in den Bedarfsorientieren Erstaufnahmestellen (BEA) auf den Mannheimer Konversionsflächen unter.
„Lebensbedingungen verbessern sich“
Auf dem Spinelli-Gelände in Feudenheim wohnen nach Angaben der Verwaltung derzeit rund 3.000 Menschen. In den vergangenen Wochen habe es erhebliche Verbesserungen bei der Infrastruktur gegeben, sagt Dr. Peter Kurz:
Inzwischen sind alle sechs Wohngebäude zur Nutzung freigegeben.
Das habe bislang nur für zwei der Gebäude gegolten, der Großteil der Menschen wurde bis dato in Lagerhallen untergebracht. Laut Dr. Kurz könne man nun für deutlich bessere Umstände in der BEA sorgen – die Lebensbedingungen in den ersten Wochen seit der Reaktivierung von Spinelli waren nach Ansicht der Redaktion skandalös.
Zentralisierung auf Columbus
Da sich das Spinelli-Gelände nicht im Besitz der Stadt Mannheim, sondern in Händen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) befindet, musste erst eine Freigabe aus Berlin erfolgen, bevor die Nutzung aller Wohngebäude stattfinden darf. Nun sollte sich die Lage im Lager deutlich verbessern.
Auch auf dem Benjamin Franklin Village scheint es voran zu gehen: Ab dem 31. März dieses Jahres sollen die Teilgebiete „Sullivan“ und „Funari“ freigegeben werden. Hier sind aktuell jeweils gut 1.000 Menschen untergebracht. Ab Anfang April soll nur noch im Columbus-Quartier – dem ehemaligen Gewerbegebiet von Franklin – eine Unterbringung von Flüchtlingen erfolgen.
Um die Kapazitäten maximal auszunutzen wurden hier über die vergangenen Monate der Brandschutz verbessert. Inzwischen sind nach Angaben von Oberbürgermeister Dr. Kurz an etwa drei Vierteln der Gebäude im Columbus-Quartier Fluchttreppen angebracht worden. Dank eines zusätzlichen Rettungsweges kann die Belegung von maximal acht Personen pro Wohnung auf bis zu zwölf Personen erhöht werden. Dr. Kurz sagt dazu:
Allein im Columbus-Quartier können jetzt 6.500 Menschen unterkommen.
In Notfällen könne man die Kapazitäten hier sogar auf bis zu 8.500 Plätze erweitern – die Unterbringungsbedingungen unter diesen Umständen wären aber nicht langfristig zufriedenstellend.
Wie der Oberbürgermeister betont, habe man im Rathaus keine Zweifel daran, dass die Flächen „Funari“ und „Sullivan“ dank der zusätzlich geschaffenen Plätze im Columbus-Quartier pünktlich würden freigegeben werden können.
Das Columbus-Quartier wird laut einer vertraglichen Festlegungen mit dem Land Baden-Württemberg noch bis zum 31. Dezember 2018 als BEA genutzt werden. Mit einer Bevölkerung von bis zu 8.500 Menschen gleicht die Flüchtlingsunterkunft Franklin einer Kleinstadt oder mindestens einer Gemeinde.
Dementsprechend soll die Infrastruktur weiter ausgebaut werden. Wie der Oberbürgermeister im Gespräch mit Journalisten bekannt gab, soll es auf Franklin künftig einen Supermarkt geben, wo Flüchtlinge zu Discounterpreisen einkaufen können sollen.
Polizeiwache kommt – aber ohne zusätzliche Unterstützung des Landes
Auch die Sicherheitslage auf Franklin soll sich verbessern – immer wieder kommt es hier zu Tumulten, die der Polizei Großeinsätze abverlangen. Nach längerem Zögern wurde nun aus Stuttgart die Genehmigung erteilt, hier einen Polizeiposten einzurichten. Acht Beamte sollen nun dauerhaft auf Franklin stationiert werden.
Allerdings ist noch unklar, wo genau. Laut Oberbürgermeister Dr. Kurz kommen derzeit zwei Standorte infrage. An beiden müssten noch geringfügige Ertüchtigungsmaßnahmen durchgeführt werden, bevor eine Nutzung erfolgen kann. Man rechne damit, dass die Wache auf Franklin im März ihre Arbeit aufnehmen könne.
Für Ärger im Gemeinderat sorgte der Umstand, dass die acht Beamten, die auf Franklin für Sicherheit sorgen sollen, aus dem Personalbestand des Polizeipräsidiums Mannheim abgezogen werden – vom Land Baden-Württemberg werden der Polizei Mannheim vorerst keine zusätzlichen Kräfte zur Verfügung gestellt.
Und das, obwohl Mannheim im Vergleich zur Einwohnerzahl überproportional viele Flüchtlinge aufnimmt und zusammen mit Heidelberg den vermutlich wichtigsten Beitrag zur Bewältigung der Krise in ganz Baden-Württemberg leistet. Die Rufe nach mehr Personalstärke beim zuständigen Präsidium wurden bislang gepflegt ignoriert.
Nach unseren Informationen handelt es sich um die Beamten der Besonderen Aufbau-Organisation (BAO) „Südosteuropa“ – diese Beamten haben Erfahrung mit Migrationsthematiken.
„Stadt und Staat müssen Präsenz zeigen“
Wie Oberbürgermeister Dr. Kurz sagt, habe sich die gesundheitliche Versorgung in den Lagern über die vergangenen Wochen hinweg deutlich verbessert haben. Nach Unzufriedenheiten habe das Regierungspräsidium den medizinischen Versorger ausgetauscht. Nun könnten unter anderem systematische Impfungen angeboten werden:
Das wird bereitwillig angenommen.
Die Kosten für die Impfung übernehme nicht die Stadt Mannheim, sondern das Land Baden-Württemberg. Ebenso wird das Land voraussichtlich die Gehälter von 20 neuen städtischen Angestellten übernehmen, die ab Anfang Februar eine „Sozial- und Verfahrensberatung“ auf Franklin anbieten sollen.
Laut Dr. Kurz gebe es dafür bereits eine feste politische Zusage aus Stuttgart – allerdings muss die Summe von rund fünf Millionen Euro für die kommenden drei Jahre zunächst noch in den Haushaltsplänen der Ministerien bewilligt werden.
Oberbürgermeister Kurz betont, es sei wichtig, dass Stadt und Staat auf Franklin Präsenz zeigen – mit mehr Polizei und den Verfahrensberatern soll das in den kommenden Wochen umgesetzt werden. Und für mehr Ruhe sorgen.