Mannheim/Rhein-Neckar, 27. Oktober 2014. (red) Was ist los im Klinikum Mannheim? Staatsanwaltliche Untersuchungen, Hygiene-Mängel, interne Machtkämpfe beschäftigen die Belegschaft und die Patienten. Wann der Betrieb wieder in aller Ruhe laufen wird, ist nicht absehbar. Denn der Rücktritt des Geschäftsführers Alfred Dänzer ist sicher nicht die letzte Personlie.
Von Hardy Prothmann
Beim Klinikum Mannheim gibt es zur Zeit zwei offene Wunden. Einerseits der aktuelle “Hygiene-Skandal”, der nur bedingt einer ist. Andererseits ein politisches Kesseltreiben, bei dem es um Macht und Geld geht. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), der Aufsichtsratschef der städtischen Tochter ist, will beide Fälle strikt getrennt sehen – aber ist das möglich?
Es gibt seit langem das Bestreben, dass die Fakultät in der Geschäftsführung mitreden will. Doch das Klinikum gehört zu 100 Prozent der Stadt. Früher musste man Verluste übernehmen, seit einigen Jahren läuft der Betrieb kostendeckend und erwirtschaftet sogar eine Umsatzrendite von rund zwei Prozent, die in die gemeinnützige GmbH investiert wird. Außerdem erhält das Klinikum Geld von der Universität Heidelberg für Dienstleistungen, die der medizinischen Fakultät in Rechnung gestellt werden. Laut Landesrechnungshof könnten hier aber rund 3 Millionen Euro eingespart werden – die angeblich zuviel gezahlt worden seien.
Würden diese 3 Millionen Euro ausfallen, würde das die Umsatzrendite von rund 6 Millionen Euro halbieren und das Klinikum wieder zu einem Zuschussbetrieb machen. Rund 300 Millionen Euro setzt das Klinikum jährlich um. Rund 70.000 Patienten werden im Jahr stationär versorgt, die Zahl der Operationen liegt zwischen 20.-25.000.
Ermittlungen wegen Betrugs
Im September wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs gegen drei Mediziner ermittelt. Schon Anfang des Jahres und dann im Sommer wurden die Begehrlichkeiten der Fakultät gegenüber der GmbH deutlich. Und jetzt folgte eine anonyme Anzeige zu Hygiene-Mängeln bei der Sterilgutversorgung (Operationsinstrumente), angeblich, weil Geld eingespart worden sei.
Nüchtern betrachtet wurde auf den Hygiene-Mangel sofort reagiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde prüft, der Aufsichtsrat wird eine Untersuchungskommission bilden, die herausfinden soll, warum vorliegende Meldungen zur Hygiene-Situation “versackt” seien, wie OB Dr. Kurz das vergangene Woche in einer Pressekonferenz formuliert hatte.
Hygiene-Mängel
Es gibt ein anonymes Meldesystem namens CIRS (Critical Incident Reporting System) – doch offensichtlich funktioniert es nicht. Oder der konsequente Umgang damit. Dr. Kurz und der ärztliche Direktor Prof. Dr. Frederik Wenz bestätigten mindestens zwei Fälle, bei denen unklar ist, warum die Meldungen nicht zu Konsequenzen geführt haben. Man wolle hier sehr transparent informieren, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist.
Direktor Wenz stellte weiter klar, dass man im Jahr 4-6 “haftpflichtrelevante Fälle” gäbe – die Zahl sei konstant. Angesichts von 70.000 Operationen eine verschwindend geringe Zahl. Angeblich sollen zwei Patienten, die 2013 operiert worden sind, wegen Infektionen infolge der Operationen klagen. Ein Fall könnte nach unseren Informationen in Zusammenhang mit einer CIRS-Meldung stehen.
Aufklärung versprochen
Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Kurz nahm den von Geschäftsführer Alfred Dänzer angebotenen Rücktritt an, bedankte sich aber ausdrücklich für dessen Arbeit. Aktuell nimmt Herr Dänzer Urlaub, bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers übernehmen Dr. Franz Metzger, Geschäftsbereichsleiter Unternehmensentwicklung, Dr. Eibo Krahmer, Geschäftsbereichsleiter Finanzen, und Verwaltungsdirektor Jürgen Blocher die Interimsleitung.
Auch die Zahl der Operationen ist von 60-70 täglich auf die Notfälle zwischen 10-20 pro Tag beschränkt worden, bis die einwandfreie Sterilgutversorgung garantiert werden kann. Das wird vermutlich in einigen Wochen der Fall sein – es wird bauliche Veränderungen geben, vor allem aber Schulungen des Personals und Validierungen der Geräte. Das Klinikum rechnet mit 1,5-2,5 Millionen Euro Umsatzausfall.
Diese Wunde ist relativ leicht zu heilen – die Vertrauenswunde nicht. Krankenhauskeime sind immer wieder ein Thema und die Sorge, ein Krankenhaus kranker zu verlassen, als man es aufgesucht hat, ist groß. Ob die Verkündung, man habe alles notwendige umgesetzt, um die Sterilgutversorgung hygienisch einhundertprozentig zu gewährleisten, ausreicht, um das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen, ist fraglich. Hier muss Imagearbeit geleistet werden.
Machtkampf
Die zweite Wunde liegt tiefer – der Streit um die Stellung der Fakultät und die Forderung nach geschäftlicher Mitbestimmung im Krankenhausbetrieb scheint eitrig zu sein. Fasst ist man versucht zu glauben, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen und die anonyme Anzeige, die die Hygiene-Problematik aufgezeigt hat, irgendwie doch etwas mit der Fakultät zu tun haben. Auffällig ist die Häufung.
Das Klinikum Mannheim ist ein großer Betrieb – zwar städtisch, aber doch eine Firma. 4.000 Beschäftigte. Die Geschäftsführungsposten und andere leitende Funktionen sind sehr ordentlich dotiert, um das Klinikum herum gibt es darüber hinaus viele Dienstleister. Und es geht um sehr viel Geld, dass man verdienen kann. Plus Renommee und Einfluss. Der Dekan der Fakultät Prof. Dr. Uwe Bicker ist ein altes Semester, aber erst vor zwei Jahren angetreten. Geschäftsführer Alfred Dänzer wäre kommendes Frühjahr in Ruhestand gegangen.
Beide Posten müssen neu besetzt werden – doch von wem und wer entscheidet das? Hier wird man bald erkennen können, wer welche Interessen hat. Ob diese Leute allerdings tatsächlich geeignet sind, diese Aufgaben verantwortungsvoll zu erfüllen, darf getrost bezweifelt werden, sollten sie auch nur ansatzweise in Verdacht geraten, mit den Anzeigen etwas zu tun zu haben. Wer auch immer hier “Spiele” spielt handelt sowieso vollständig verantwortungslos – gegenüber den verunsicherten Patienten und auch der Belegschaft, die nicht nur durch die täglichen Aufgaben, sondern jetzt auch durch ein beschädigtes Ansehen öffentlichen Druck aushalten muss, für den sie nicht verantwortlich ist.