Heidelberg, 27. November 2019. (red/pm)Auf ihrem Weg zur klimaneutralen Stadt hat Heidelberg einen großen Klimaschutz-Aktionsplan mit den ersten 30 konkreten Vorschlägen aufgelegt. Dieser Aktionsplan legt Ziele und Prioritäten innerhalb des „Masterplan 100% Klimaschutz“ fest. Der Gemeinderat hat am Donnerstag, 21. November 2019, das 30 Punkte umfassende Gesamtpaket mit großer Mehrheit bei zwei Neinstimmen und sieben Enthaltungen beschlossen. Über die einzelnen Maßnahmen entscheidet das Gremium dann jeweils separat.
Information der Stadt Heidelberg:
„Die Vorschläge betreffen alle Lebensbereiche, von Bauen und Wohnen, Ernährung und Konsum über die naturnahe Stadtgestaltung bis zur Mobilität. Mit diesem Vorstoß will die Stadt die CO2-Emissionen noch weiter reduzieren. Heidelberg hat den Pro-Kopf-Verbrauch von CO2 seit 1987 bereits um etwa 30 Prozent verringert. Im Mai 2019 hat Heidelberg als eine der ersten Städte bundesweit den Klimanotstand ausgerufen.
Der 30-Punkte-Katalog umfasst unter anderem die vermehrte Sanierung von Altbauten und ab 2020 ausschließlich Plusenergie-Standard für alle Neubauquartiere, für die der gesamte Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Eine zentrale Klimaschutz-Rolle kommt den Stadtwerken beim Ausbau der Photovoltaik, bei der Lieferung von CO2-neutralem Strom und „grüner“ Fernwärme zu. Ab nächstem Jahr erhalten alle Privathaushalte 100 Prozent klimaneutralen Strom. Drastisch ausgebaut werden soll die Eigenproduktion im Bereich erneuerbare Energien.
Aber auch private Investoren wie die Heidelberger Energiegenossenschaft spielen eine wichtige Rolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Im öffentlichen Nahverkehr sollen die Fahrgastzahlen bis 2025 um 20 Prozent steigen, es soll zeitnah mindestens vier Sonderbuslinien ins Umland zur Reduzierung der Auto-Pendler geben. Zudem will die Stadt noch mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für das Jobticket gewinnen. Geplant sind zeitnah vier Radschnellwege sowie eine Radhauptachse in das Neckartal. Zur CO2-Bindung sind „Klimawäldchen“ in den Stadtteilen vorgesehen.
CO2-Bilanz: Der CO2-Ausstoß sinkt, obwohl die Stadt wächst
Im Auftrag der Stadt erstellt das Heidelberger ifeu-Institut regelmäßig eine CO2-Bilanz. Das Ergebnis der aktuellen Bilanz der Jahre 1987 bis 2018: Seit dem Jahr 2004 sinken die CO2-Emissionen kontinuierlich – und das obwohl die Stadt seitdem gewachsen ist. In den 30 Jahren zwischen 1987 und 2017 sanken die CO2-Werte um 13 Prozent. Diese Informationen hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 21. November 2019 entgegengenommen.
Ein wichtiger Baustein der Klimaschutz-Aktivitäten Heidelbergs ist der neue Energie- und Zukunftsspeicher der Stadtwerke Heidelberg. Mit ihm macht Heidelberg einen großen Schritt in Richtung „grüne“ Energieversorgung. Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Heidelberg, und Prof. Dr. Rudolf Irmscher, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg, haben das imposante, mit Wasser befüllte Bauwerk im Stadtteil Pfaffengrund am Mittwoch, 20. November 2019, erstmalig mit dem Fernwärmenetz verbunden.
Fortschreibung des „Masterplan 100% Klimaschutz“
Der Klimaschutz-Aktionsplan ist ein Maßnahmen-Mix aus Bereichen wie Mobilität, Konsum und Ernährung, Bauen und Sanieren. Er schärft damit die Zielrichtung des bereits bestehenden ,Masterplan 100% Klimaschutz‘, den es seit 2014 gibt. Darin sind rund 140 Maßnahmen verankert, die die Stadt und Experten des Heidelberg-Kreises Klimaschutz & Energie umsetzen (www.heidelberg.de/masterplan100). Der Masterplan hat großen Anteil an den sinkenden CO2-Werten in Heidelberg.
In seiner Sitzung am 21. November 2019 hat der Gemeinderat mit großer Mehrheit die Fortschreibung des ,Masterplan 100% Klimaschutz‘ beschlossen und damit folgende Neuerungen: Für 2025 ist ein Maximal-Ausstoß von insgesamt 800.000 Tonnen und für das Jahr 2030 von insgesamt 600.000 Tonnen als Zwischenziele der gesamtstädtischen CO2-Emissionen definiert. Das wären bei 800.000 Tonnen eine Minderung um rund 35 Prozent im Vergleich zum Beginn der Bilanzierung, bei 600.000 Tonnen eine Minderung um rund 50 Prozent. Über die Einzelmaßnahmen sowie die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen entscheidet der Gemeinderat dann wiederum separat.
Heidelberg: fortschrittlicher als Bund und Land
Im Vergleich mit Bund und Land weist Heidelberg in vielen klimaschutzrelevanten Bereichen deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse auf, beispielsweise bei den Gebäudeenergiestandards: Die Stadt setzt bei Neubauten den Passivhausstandard bei allen städtischen Gebäuden, im neuen Stadtteil Bahnstadt und auf den Konversionsflächen Patton Baracks und Patrick-Henry-Village (PHV) um. Das städtische Förderprogramm Rationelle Energieverwendung fördert den Passivhausstandard im Wohnbereich. Der Bund hat in den vergangenen Jahren trotz großer technischer Fortschritte beim energieeffizienten Bauen die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) weiterentwickelt. Diese bleiben weit hinter den Anforderungen des Passivhausstandards zurück, und auch das geplante Gebäudeenergiegesetz wird keine Verschärfungen bringen.
Der 30-Punkte-Aktionsplan für mehr Klimaschutz
- Plusenergie-Quartiere: Patrick-Henry-Village (PHV) und alle Neubauquartiere ab dem Jahr 2020 werden Plusenergie-Quartiere, für die mehr Energie erzeugt als verbraucht wird.
- „Grüne“ Wärme: Die Stadtwerke Heidelberg stellen allen Fernwärme-Kundinnen und -Kunden bis 2020 insgesamt 50 Prozent „grüne“, CO2-neutrale Wärme zur Verfügung. Die Fernwärme wird bis 2030 weitestgehend CO2-neutral gestaltet. Ab 2030 soll keine weitere Fernwärme aus Steinkohle bezogen werden.
- Fernwärme: Die Stadtwerke Heidelberg wollen bis 2025 ein Drittel der Fernwärme in Heidelberg selbst erzeugen.
- Photovoltaik: Die Photovoltaik in Heidelberg soll bis 2025 so ausgebaut werden, dass sie 25 Megawatt zusätzliche Leistung bringt.
- „Grüner“ Strom: 100 Prozent „grüner“, CO2-neutraler Strom für die Stadtwerke-Kundinnen und
-Kunden. - Altbauten: Verdoppelung der Altbausanierungsrate bis 2030. Die Sanierungsrate für Heidelberger Privat-Immobilien soll auf jährlich mindestens 2,5 Prozent erhöht werden, die städtischer Immobilien auf mindestens 3 Prozent. Die Kosten der energetischen Sanierung dürfen die Warmmiete nicht erhöhen.
- Bus und Bahn: Steigerung der Fahrgastzahlen im ÖPNV um 20 Prozent bis 2025.
- Bio-Essen: Stufenweise Aufstockung des Bio-Anteils an der Mittagsverpflegung in Heidelberger Schulen und Kindertageseinrichtungen von 30 Prozent auf 50 Prozent bis 2022.
- Nachhaltig feiern: Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement und klimafreundliches Catering bei Stadtfesten, Sportveranstaltungen und Bürgerfesten; Wahl klimafreundlicher Veranstaltungsorte inklusive klimafreundlicher Energieversorgung, beim Catering möglichst hoher Anteil an pflanzlichen, regionalen, saisonalen und Bio-Produkten, Vermeidung von Verpackungen; Kommunikation klimafreundlicher Angebote.
- Job-Ticket: Einführung des Job-Tickets in 50 Prozent der Heidelberger Unternehmen bis 2025. Bislang haben nur Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden Zugang zum Jobticket. Bewerbung beim Bund als Modellstadt für die Einführung des 365-Euro-Tickets.
- Radschnellwege: Ausbau von vier Radschnellwegen in die Region sowie Ausbau einer Hauptradachse im Neckartal.
- Sonderbuslinien: Einrichtung von vier plus x Sonderbuslinien zur Reduzierung des Anteils an motorisiertem Individualverkehr am Pendlerverkehr. Per Sonderbus sollen Pendlerinnen und Pendler am Stadtrand abgeholt werden, die dort ihr Auto stehen lassen. Gemeinsam sollen die Stadt Heidelberg, die umliegenden Kommunen und die großen Arbeitgeber in Heidelberg und im Umland die vorliegenden Pendlerströme erfassen und die Maßnahmen entwickeln, wie der Verkehr auf den ÖPNV und das Fahrrad umgelegt werden können.
- „Klimawäldchen“: Pflanzung eines „Klimawäldchens“ in jedem Stadtteil – insgesamt 3.000 Bäume bis zum Jahr 2025 (jährlich 500 Bäume), insbesondere für derzeit versiegelte Flächen.
- „Grüner Gürtel“: Ausweitung des „Grünen Gürtels“ in Heidelberg, also der Flächen, auf denen sich Tier- und Pflanzenarten ansiedeln können und die der Biotopvernetzung und der biologischen Vielfalt im urbanen Raum dienen.
- Öffentliche Gebäude werden „klimafit“: Realisierung von Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen an öffentlichen Gebäuden und Plätzen bis 2025.
- Konzepte mit Fokus Klimaschutz: Alle Entwicklungs- und Planungskonzepte stehen zukünftig unter dem Fokus Klimaschutz, Klimaanpassung und Erhalt der Biodiversität. Die Flächen mit hoher ökologischer Wertigkeit müssen verbindlich im Modell räumliche Ordnung, im Flächennutzungsplan und im Stadtentwicklungskonzept fixiert werden. Hierdurch könnte ein sogenannter Grüngürtel für Heidelberg festgelegt werden.
- Nachhaltig wirtschaften: Teilnahme von 20 Prozent aller kleinen und mittleren Heidelberger Unternehmen am Netzwerk „Nachhaltiges Wirtschaften“.
- Klimaschutzprüfung und Umweltfachausschuss: In Kooperation mit einer wissenschaftlichen Einrichtung soll eine Klimaschutzprüfung in den Gemeinderatsvorlagen etabliert werden. Ein Umweltfachausschuss soll zudem künftig alle klimarelevanten Gemeinderatsanträge beschließen. Bei allen städtischen Klimaschutzbeschlüssen soll es eine verpflichtende Vorlage von Maßnahmen zur Partizipation und zum sozialen Ausgleich geben. Ein partizipatives Instrument soll den zukünftigen Generationen eine Stimme verleihen.
- Fahrradabstellanlagen: Parkplätze in Parkhäusern/Tiefgaragen und im öffentlichen Raum sollen stetig in Fahrradabstell- oder Radverkehrsanlagen umgewandelt werden.
- Gehwegparken: Gehwegparken wird stadtweit verhindert, Falschhandeln wird konsequent geahndet.
- Am Wochenende kostenlos mit Bus und Bahn: Einführung des kostenlosen ÖPNV im RNV-Gebiet am Wochenende. Gleichzeitig Erhöhung der Parkgebühren für die städtischen Parkhäuser und den öffentlichen Raum um 50 Prozent.
- 365-Euro-Jahreskarte für Bus und Bahn: Einführung einer 365-Euro-Jahreskarte für den ÖPNV, sobald das Land die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat.
- Ökologische Landwirtschaft: Einrichtung eines städtischen Dialogs mit Bürgern, die Heidelberger Boden privat oder gewerblich landwirtschaftlich nutzen. Es sollen Hilfen zum Umstieg auf eine ökologisch und klimatisch verträglichere landwirtschaftliche Nutzung entwickelt und umgesetzt werden.
- Parkraumbewirtschaftung: Einführung einer Parkraumbewirtschaftung, die die Kosten für die Bereitstellung des Parkraums besser als bisher abbildet und Falschparken konsequenter ahndet.
- Masterplan 100% Klimaschutz: Weiterentwicklung des Masterplans mit konkretem Maßnahmenzeitplan und -abfolge – wie bisher in Kooperation mit einem unabhängigen wissenschaftlichen Institut. Der Masterplan soll regelmäßig überprüft, evaluiert, angepasst und der Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt werden.
- Prüfung der Klimaschutzziele: Ein unabhängiges wissenschaftliches Institut überprüft die Heidelberger Klimaschutzziele und legt dar, wie ambitioniertere Klimaschutzziele – wie ein Vorziehen der Heidelberger Klimaneutralität von 2050 auf Ende der 2030er Jahre – zu erreichen sind.
- CO2-Bilanz für den Verkehr: Die Stadtverwaltung legt eine CO2-Bilanz für den Verkehrsbereich für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis vor, die unter anderem die Wechselwirkungen zwischen Heidelberg und den Umlandgemeinden zeigt.
- Wärmepotenzial: Eine Potenzialerhebung soll zeigen, wie eine CO2-neutrale Wärmeversorgung in Heidelberg aus Kostensicht am besten erreicht werden kann.
- Prognose zur CO2-Reduktion: Es soll eine Prognose abgegeben werden, zu wie viel CO2-Reduktion die einzelnen Maßnahmen führen werden. Außerdem soll ein Indikatoren-Set für alle umgesetzten Klimaschutzmaßnahmen erstellt werden, um deren Effektivität zu zeigen.
- Maßnahmen zuordnen: Die Verwaltung wird beauftragt, die verschiedenen Maßnahmen den einzelnen Sektoren zuzuteilen.“