Hirschberg/Ladenburg/Rhein-Neckar, 26. März 2013. (red/ld) Ein rätselhaftes Bienensterben hat die Erde erfasst. Im Jahr 2008 starben bei einem Fall in Südbaden tausende Völker. Dazu häufen sich Nachrichten von der sogenannten Killerbiene und an allem Schuld ist mal wieder der Mensch! Darum geht es in der schweizer Dokumentation von Markus Imhoof. Im Anschluss an den Film diskutierten Dr. Alexander Spangenberg, Vorsitzender des BUND Ladenburg und der Imker Dirk Lankenau aus Ladenburg mit dem Publikum.
Von Lydia Dartsch
Das vor dem Film angebotene Honigbrot mit Ladenburger Honig blieb den Zuschauern buchstäblich im Hals stecken, als im Film „More than Honey“ von Markus Imhoof der amerikanische Großimker John Miller glücklich dem Bienensummen lauscht:
Das ist der Klang des Geldes,
sagt er. Und genauso wenig zimperlich geht er mit seinen Bienen um.
Seine Bienenstöcke leben alle paar Wochen woanders: Sobald die Blüte auf den riesigen Mandelplantagen vorbei ist, fährt er seine Stöcke mit dem Truck tausende Kilometer durch das Land zur nächsten Plantage. Dass bei dem Transport und durch die Insektizide, die auf den Plantagen verspritzt werden, immer wieder Völker sterben, schmerzt ihn nicht mehr. Die Völker werden geteilt und ihnen werden neue Königinnen verpasst. Die kommt per Versand, in der gewünschten Rasse.
Rassebienen versus Killerbienen
Probleme hat auch der schweizer Bergimker Fred Jaggi, dessen Bienen der „Alten Landrasse“ plötzlich von einem rätselhaften Parasiten befallen werden. Gegen die ist die sogenannte Killerbiene offenbar resistent, hat der Killerbienenimker Fred Terry herausgefunden, der seit Jahren mit dieser aggressiven und unkontrollierbaren Sorte arbeitet.
Über 400 Bienenarten gibt es. Viele, wie die Hummeln, leben wild. Andere, wie die Honigbiene oder die afrikanische Biene leben in Völkern und Superorganismen zusammen, klärten Dr. Alexander Spangenberg und Dirk Lankenau nach dem Film auf und beantworteten die Fragen der Zuschauer.
Ladenburg ist noch nicht betroffen
Die Feinde der Bienen sind überall gleich: Monokulturen, Stress, Pflanzenschutzmittel und die Varoa-Milbe, deren Larven sich nicht nur von den Bienenlarven ernähren, sondern die als ausgewachsene Milbe die Bienen befällt und sie mit Viren ansteckt, die ihre Flügel verkrüppeln lassen. Sie gilt als der größte Feind der europäischen Honigbiene, denn ohne Behandlung sterben die Bienenvölker. Nur in Australien ist sie noch nicht eingewandert.
In Ladenburg ist man besorgt, aber zuversichtlich, von ihr verschont zu werden. Wenn doch, so weiß der Ladenburger Imker Dirk Lankenau, ist sie mit Oxal- und Ameisensäure zu vertreiben.
Das wirkt wunderbar. Man muss nur schauen, dass das Wetter sonnig ist,
sagt er. Vom Bienensterben sei er nicht direkt betroffen: Vor sechs Jahren habe er ganz unbedarft mit 25 Bienenvölkern angefangen und die Stöcke im Trinkwasserschutzgebiet aufgestellt. Dort bestehe keine Gefahr, dass sie mit Chemikalien in Berührung kommen. Außerdem gebe es dort eine große Blütenvielfalt. Ein Paradies für die gestreiften Insekten. Nur einmal habe es einen Vorfall des Bienensterbens gegeben, als einer seiner Nachbarn zum falschen Zeitpunkt seine Obstbäume gespritzt habe.
Monokulturen und industrialisierte Landwirtschaft begünstigen das Sterben
Ebenso sei das Bienensterben in Südbaden im Jahr 2008 auf eine falsche Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen, sagte Herr Lankenau. 1.100 Bienenvölker seien damals an einer Clothianidinvergiftung gestorben. Ein Mann aus den Zuschauerreihen bezifferte die Zahl sogar auf 12.000.
Schuld an dem Bienensterben war Clothianidin, ein Neonicotinoid, das in gebeiztem Saatgut verwendet wird. So nennt man Saatgut, das als Tablette in den Boden gesät wird, ummantelt mit Nährstoffen, Dünger und eben Pflanzenschutzmitteln. Das Nervengift Clothianidin soll eigentlich den Drahtwurm von Maiswurzeln fernhalten.
Bienensterben Schuld von Monsanto und Bayer
Eigentlich sollte es gar nicht mit den Bienen in Berührung kommen. Doch im Fall von Südbaden seien bei der Aussaat Stäube entstanden. Anstatt des Drahtwurms, starben die Bienen an dem Nervengift. Ein Unfall sei das gewesen, sagte Lankenau. Die Bauern hätten nicht die richtigen Geräte für das Saatgut gehabt. Dadurch seien die Stäube entstanden. Alexander Spangenberg sah das anders:
Das war kein Betriebsunfall.
Er macht die Nahrungsmittelkonzerne, wie Monsanto oder Bayer für das Bienensterben verantwortlich. Der Konzern Bayer habe mit unwissenschaftlichen Studien der Umweltbehörde bescheinigt, dass Clothianidin ungefährlich sei für Bienen. Anschließend habe sie und nach ihr auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen.
Die Umweltbehörde hat das geprüft,
sagte ein Zuschauer. Alexander Spangenberg erklärte, die Prüfung durch die Umweltbehörde sei ein reiner Verwaltungsakt. Entgegen der Erwartung führe sie keine eigenen, unabhängigen Studien durch. Es gebe keine unabhängigen Prüfstellen. Wenn es nach ihm ginge, wäre der Stoff gar nicht erst zugelassen worden. Denn auch, wenn die eingesetzten Mittel unter der Schadgrenze liegen, nehmen die Bienen das Gift mit jedem Flug auf.
Dann sterben sie auch. Nur langsamer.
sagte Herr Spangenberg und spricht von der Industrialisierung der Landwirtschaft. Die mache den Bienen das Leben auch schwer mit Monokulturen und gentechnisch veränderten Pflanzen. Bei Groímker John Miller sieht man Mandelbäume bis zum Horizont.
Mit weniger braucht man gar nicht erst anfangen,
sagt er. Das ganze Jahr über fährt er seine Bienenstöcke auf zwei großen Trucks tausende Kilometer durch die USA, von einer Plantage zur anderen. Denn wenn die Blüte auf einer Plantage mit einem Mal vorbei ist, haben die Bienen mit einem Schlag keine Nahrung mehr. Sie müssen umgesiedelt werden. Zudem sind Monokulturen besonders anfällig für Schädlinge, was die Verwendung von Pestiziden und Insektiziden unumgänglich macht.
Bienen verlieren die Orientierung
Die Bienen verlieren ihre Orientierung. Die Spritzmittel beeinträchtigen ihren Geruchssinn. Weil es auf den riesigen Plantagen überall gleich aussieht, fehlen ihnen Orientierungspunkte, mit denen sie zurück zu ihrem Stock finden.
Es kann passieren, dass der Imker zum Bienenstock kommt und keine Bienen mehr da sind.
sagte Dirk Lankenau. Der Stress, dem die Bienen durch die fehlende Orientierung, die Spritzmittel und die Monokulturen ausgesetzt sind, machen sie anfällig für Krankheiten und Parasiten, wie die Faulbrut oder die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe. Die Anfälligkeit für Parasiten und Krankheiten wird zudem gefördert durch die von einigen Imkern angestrebte genetische Reinhaltung der Bienen, die angesichts der hunderten Bienenarten und dem Besamungsakt in der Luft schwer kontrollierbar ist.
Faulbrut tötet Völker
Ist ein Stock von der Faulbrut befallen, ist das in Deutschland meldepflichtig. Die Amerikanische Faulbrut frisst die Bienenlarve von innen auf. Aus ihr entsteht ein grauer Brei voller Sporen. Diese Sporen heften sich an die Ammenbienen, die die Brut aufziehen und verbreiten sich so auf andere Larven. Angesichts der kurzen Lebensdauer von bis zu 35 Tagen, ist diese Krankheit für den Stock hoch gefährlich.
Wird sie in einem Volk festgestellt, muss das befallene Volk getötet, sowie sämtliche Materialien vernichtet werden, auf denen sich Sporen befinden könnten. Außerdem verhängt das Veterinäramt einen Sperrbezirk um den Stand, um eine Übertragung auf andere Völker zu verhindern. Alle Völker im Umkreis von einem Kilometer müssen daraufhin auf die Faulbrut untersucht werden. Im Rhein-Neckar-Kreis gab es in den letzten Jahren zwar keine Fälle der Faulbrut. Im restlichen Baden-Württemberg und in Deutschland erkranken aber immer wieder Bienenvölker. Eine Übersicht der Fälle bietet die Webseite des Imkerkatasters.
Blutegel so groß wie Kaninchen
Die Varroamilbe ist der gefährlichste Parasit für die Bienen. Wie ein Blutegel heftet es sich an die Bienen und ernährt sich von ihnen: Mit ihrer Größe von 1,6 Millimeter ist sie in menschlichen Dimensionen ein Blutegel von der Größe eines Kaninchens. Die Milbe pflanzt legt ihre Eier in den Bienenlarven ab und frisst sie von innen auf. Im erwachsenen Stadium beißt sie sich an den erwachsenen Bienen fest und überträgt mit ihrem Biss Krankheiten, durch die beispielsweise die Flügel der Bienen verkümmern. Die Bienen können nicht mehr fliegen und der Nachwuchs stirbt. Behandeln lassen sich die Völker mit Oxal- und Ameisensäure.
Biologische Vielfalt statt Monokulturen
Dirk Lankenau freut sich, dass seine Völker bisher von alldem verschont geblieben sind. Er setzt auf Biodiversität. Seine Bienenstöcke hat er im Wasserschutzgebiet aufgestellt, wo keine Pflanzenschutzmittel verspritzt werden und es viele unterschiedliche Blütenarten gibt. Außerdem schottet er seine Bienen nicht von anderen Bienenrassen ab. Das dient seinem Hongiertrag und dem Ertrag der Landwirte, die ebenfalls auf eine Pflanzenvielfalt setzen.
Ein Experiment scheint ihm Recht zu geben: So haben Biologen herausgefunden, dass Honigbienen erst in Anwesenheit von Wildbienen richtig produktiv werden und mehr Blüten bestäuben, als wenn Honigbienen alleine diese Aufgabe übernehmen. Wenn mehr Blüten bestäubt werden, können auch mehr Früchte wachsen und reifen. Die Ernteerträge der angebauten Pflanzen erhöhen sich. Gleichzeitig erhöht sich die Honigausbeute.
Es ist, als würden sich die Bienen gegenseitig zu mehr Leistung motivieren,
sagte Lankenau. Doch die Anwesenheit von Wildbienen erfordert aber vielfältige Anbauarten – wo Monokulturen herrschen, gibt es keine Wildbienen, denn die brauchen Blütenvielfalt.
Killerbiene als Hoffnungsträger
Während die europäische Honigbiene entgegen landläufiger Meinungen eher zahm ist, schreckt die afrikanische Honigbiene, als „Killerbiene“ bezeichnet, die Menschen vor allem in den USA auf. „Killerbienen töten Rentner“ hieß beispielsweise eine Überschrift im Magazin „Focus“ vor knapp fünf Jahren über die aus einem brasilianischen Labor ausgebüchsten Völker, die sich seitdem weiter verbreiten. Diese Bienen sind zwar aggressiver als ihre europäischen Verwandten und auch giftiger, zeigt der Film. Dafür sind sie resistent gegen Krankheiten wie die Faulbrut und die Varroa-Milbe macht ihnen nichts aus. Zudem, so heißt es im Film, produzieren sie mehr Honig, als die europäischen Honigbienen.
Ihr Nachteil: Sie sind nicht kontrollierbar; heute hier, morgen woanders.
Sie sind ständig am Schwärmen,
sagte Dirk Lankenau. Trotzdem liegt seine Hoffnung als Imker auf der afrikanisierten Honigbiene mit ihren Resistenzen als weitere Lösung gegen das Bienensterben:
Die Bienen in Afrika haben eine Regenerationskraft, die wir hier gar nicht kennen.
Der amerikanische Killerbienen-Imker Fred Terry hat im Film bereits seinen Frieden mit „seinen“ Tieren geschlossen: Seit er mit ihnen arbeitet, trägt er einen Imkeranzug, den er vorher nicht brauchte, wenn er Bienenvölker umsetzt, die sich in Wohnhäusern eingenistet haben und die Bewohner piesacken. Und wenn dem umgesiedelten Volk der neue Stock in der Wüste nicht gefällt, trägt er es ihnen auch nicht nach, wenn sie ohne „Good Bye!“ weiter schwärmen.
Anmerkung der Redaktion:
„More Than Honey“ (91 Minuten) ist ein Film von Markus Imhoof und im Jahr 2012 im Senator-Filmerleih in Berlin erschienen.