Rhein-Neckar/Stuttgart/München, 26. April 2016. (red) Soviel ist sicher: Nicht nur der türkische Staatspräsident Erdogan geht aktuell gegen kritische Journalisten vor, sondern auch der deutsche Staat. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt aktuell gegen fünf Personen – mutmaßlich handelt es sich dabei um Journalisten.
Von Hardy Prothmann
Apologeten der deutschen Pressefreiheit sollten den Ball flach halten – insbesondere wenn man zu Empörungstiraden auf die Türkei ansetzt. Auch in Deutschland wird immer wieder gegen kritische Journalisten ermittelt – auch in Deutschland drohen Geld- und Haftstrafen für Journalisten.
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Fünf Autoren im Visier der Staatsanwälte
Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft München I gegen insgesamt fünf Personen, wie uns auf Nachfrage mitgeteilt worden ist. Es bestehe der Anfangsverdacht einer Straftat, weswegen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, so die Staatsanwaltschaft:
Die Staatsanwaltschaft München I, die grundsätzlich nur bzgl. der Veröffentlichung Buches örtlich zuständig wäre, hat aufgrund Sachzusammenhangs sich schließlich entschlossen, die Verfahren bzgl. aller Veröffentlichungsmedien zu übernehmen.
Ermittelt werde wegen des Paragrafen 353d Nr. 3 StGB strafbar sein, darin heißt es:
3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Das Strafmaß bei einem nachgewiesen Verstoß gegen dieses Strafgesetz liegt bei Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis.

Wie kamen deutsche Sturmgewehre des Herstellers Heckler und Koch nach Mexiko? Dieser Frage sind Journalisten nachgegangen und erst diese Recherchen haben staatsanwaltliche Ermittlungen ausgelöst. Jetzt wird gegen einen Teil der beteiligten Journalisten ermittelt – durch Staatsanwaltschaften. Quelle: Report Mainz
Hintergrund der Ermittlungen sind Veröffentlichungen im Heyne-Verlag, wo das Buch „„Netzwerk des Todes“ erschienen ist und der ARD. Die Ermittlungen richten sich gegen Autoren der Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam“. Die Gemeinschaftsproduktion von SWR und BR deckte investigativ einen illegalen Handel mit Kriegswaffen des baden-württembergischen Waffenproduzenten Heckler und Koch auf. Für die herausragende journalistische Dokumentation wurde der Münchner Filmemacher Daniel Harrich dieses Jahr mit dem Grimme-Preis für journalistische Leistungen ausgezeichnet.
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Auf erste journalistische Veröffentlichungen im Jahr 2010 folgten fünf lange Jahre, bis es zu Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Waffenschmiede und zur Anklage kam – gegen Journalisten geht es schneller.
Kretschmann: Keine Probleme mit Spenden
Heckler und Koch ist eine Firma, zu der nicht nur der CDU-Politiker Volker Kauder eine besondere Nähe zeigt. Auch die baden-württembergischen Grünen erfreuten sich in jüngster Vergangenheit an Rekordspenden von 100.000 Euro durch den Verband Südwestmetall, bei dem die Waffenschmiede Mitglied ist. Ministerpräsident Winfried Kretschmann antwortet verwundert auf die Frage eines Journalisten, ob er mit dieser Spende Probleme habe, dass er damit keine Probleme habe.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte also nach langen Jahren ein Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit Waffenexporten nach Mexiko – aktuell soll laut Recherchen des SWR-Magazins „Report Mainz“ Anklage gegen zwei frühere Manager des Rüstungskonzerns sowie vier weitere frühere Mitarbeiter erhoben werden, einer davon soll früher Präsident eines Landgerichts gewesen sein – zuständig für „Behördenkontakte“. In der Anklage heißt es, es sei „bandenmäßig vorgegangen“ worden.
Keine Ermittelung gegen Behörden
Laut SWR wird nicht gegen Mitarbeiter und Beamte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ermittelt. Zitiert wird die Staatsanwaltschaft Stuttgart: „Es wurde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend geprüft. Dabei ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbewehrtes Verhalten.“
Aktuell geht es dafür jetzt gegen Journalisten. Die ersten Ermittlungen führte ebenfalls die Staatsanwaltschaft Stuttgart, wie die Münchner Staatsanwaltschaft auf Anfrage mitteilt, „wegen der Veröffentlichung von Unterlagen in Zusammenhang mit diesem Verfahren in unterschiedlichen Medien, wurden Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart eingeleitet.“
Waffendeals vs. Pressefreiheit
In Deutschland sind wir stolz auf unsere Rechtsstaatlichkeit – wissen muss man aber auch, dass sich investigativ arbeitende Journalisten sehr schnell ins Fadenkreuz der Behörden bringen. Seltsamerweise häufig dann, wenn es um Waffendeals und militärische Angelegenheit geht – das war damals bei Spiegel so, vor einigen Jahren beim Debattenmagazin Cicero und aktuell gegenüber der ARD.
Auffällig ist und bleibt, dass man Politiker, die die Pressefreiheit hoch halten und verteidigen, in diesen Zusammenhängen vergeblich sucht. Im Fall von „Ziegenficker“-Beleidigungen drängeln sie sich vor den Mikrophonen – im Fall erschossener Studenten, wie in Mexiko, will man lieber keine Probleme haben.
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