Rhein-Neckar, 26. Juli 2013. (red/gb) Am 30. Juni 2013 ging in der ehemaligen Tongrube Lobenfeld in Lobbach (Rhein-Neckar-Kreis) ein Solarpark in Betrieb. Das ist gut, denn der Ausbau der Solarenergie ist eine gute Sache. Gebaut wurde der Solarpark von der Wirsol AG aus Waghäusel, die als Sponsor des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim auch einem breiteren Publikum bekannt ist. Damit wäre dieser Artikel schon zu Ende, wären nicht Seltsamkeiten aufgetaucht.
Gastbeitrag: Carsten Labudda
Am vergangenen Dienstag entschied der Kreistag mit den Stimmen von CDU, SPD und Freien Wählern, dass die kreiseigene AVR Energie GmbH sich an der Solarpark Lobenfeld GmbH beteiligt. Die Grünen, die FDP und Die Linke stimmten gegen diese Beteiligung. Was war geschehen?
Gemeinde Lobbach … 24,8 %
AVR Energie GmbH … 25,1 %
Wirsol Solar AG … 49,9 %
Andreas & Markus Wirth Solaranlagen GmbH & Co. KG … 0,2 %
Das hat die Kreisräte der Linke stutzig gemacht. Warum geht der Kreis eine Minderheitsbeteiligung an einer bestehenden privatwirtschaftlichen Solaranlage ein? Warum behält Wirsol 49,9 Prozent? Was steckt hinter der 0,2-Prozent-Beteiligung von Andreas und Markus Wirth, zumal letzterer der Kopf von Wirsol ist und auf diesem Wege doch über eine Mehrheit verfügt? Geht denn da alles mit rechten Dingen zu? Fragen über Fragen, weshalb wir mit einer Anfrage an den Landrat um Klärung baten.
Warum Steuergeld für die Privatwirtschaft?
Nach nicht einmal einer Woche erhielten wir die Antworten. Zumindest das, was der Landrat Stefan Dallinger für Antworten hält.
Wir wollten wissen, warum die öffentliche Hand eine Minderheitsbeteiligung eingehen soll. Der eine Teil der Antwort des Landrates lautete: Weil die privaten Partner eine Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand nicht akzeptiert hätte, denn dann würden für das Unternehmen die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechtes greifen. Nun denn, aus Sicht der Wirsol AG ist das verständlich, da wird man ungern das Heft aus der Hand geben wollen.
Aber wie ist es mit der Sicht der öffentlichen Hand? Warum muss sie überhaupt bei einer privaten Firma einsteigen? Hierzu schreibt der Landrat, dass der Solarpark ohne Mitwirkung von Gemeinde und Kreis nicht entstanden wäre:
…da sowohl eine Änderung des Flächennutzungsplans als auch ein Zielabweichungsverfahren erforderlich waren. Schließlich musste noch ein Bebauungsplan für den Solarpark erstellt und rechtskräftig umgesetzt werden. Hinzu kamen intensive Verhandlungen mit dem Projektentwickler.
Nein, so was! Soweit ich weiß, muss für jede Gewerbeansiedlung durch die öffentlichen Gremien das Baurecht geschaffen werden. Nach der Logik des Landrates müssten also die Bürger Heddesheims nun Anteile an der Spedition Pfennig halten. Die Eppelheimer Bürger wären an den Wild-Werken beteiligt. Und die SAP wäre nach Herrn Dallingers Logik eigentlich ein volkseigenes Kombinat. Es ist offensichtlich, dass die Begründung des Landrates vorgeschoben ist.
Ich habe deshalb den Landrat gefragt, was eigentlich passieren würde, wenn der Kreis in Form der AVR sich nicht an dem bereits eröffneten Solarpark in Lobenfeld beteiligen würde. Die Antwort aus dem Landratsamt:
Eine Nichtbeteiligung der AVR Energie GmbH würde ausschließlich dieser Gesellschaft schaden, da erfreulicherweise das Projekt durch die finanzielle Vorleistung der Firma Wirsol realisiert wurde.
Achso. Es würde mithin nichts passieren, wenn der Kreis sich nicht an dem privatwirtschaftlichen Projekt beteiligt hätte. Der Solarpark leistet seinen Dienst, und zwar völlig unabhängig von eine Beteiligung aus Steuergeldern.
In der öffentlichen Debatte hat denn auch Kreisrat Herold von der FDP deutliche Worte gefunden:
Die Beteiligung des Kreises dient lediglich zur Risikominimierung eines privaten Investors.
Genau so sehe ich das auch. Die Steuerzahler im Rhein-Neckar-Kreis beteiligen sich über die kreiseigene AVR an der Haftungssumme der Solarpark Lobenfeld GmbH.
Wirsol AG und Wirth Solaranlagen GmbH
Da stellt sich natürlich die Frage: Warum? Wenn sachliche Gründe für uns nicht wirklich zu erkennen sind, dann fragen wir eben nach personellen Verflechtungen. So wollte ich zunächst erfahren, wie die Wirsol AG und die Andreas und Markus Wirth Solaranlagen GmbH zueinander stehen, denn Markus Wirth ist Chef der einen wie der anderen Firma. Der Landrat schreibt dazu:
Die beiden beteiligten Firmen sind nicht verbunden. Es handelt sich um einen um eine AG und zum anderen um eine von der Familie Wirth gegründete GmbH. Die gewählte Gesellschaftskonstruktion ist aber eine gewollte Regelung, so dass eine Darstellung der rechtlichen und finanziellen Beziehungen der beiden Unternehmen weder erforderlich noch geboten ist.
Die Firmen sind also juristisch verschieden und personell zum Teil dasselbe. Und da ist es nicht geboten, über Verflechtungen zu reden? Und gewollt ist das Ganze auch so. Aber warum das so gewollt ist – und von wem – das geht uns als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger nichts an? Ich glaube das einfach nicht.
Da lohnt ein Blick auf das Personal der Wirsol AG. Neben dem Vorstandsvorsitzenden Markus Wirth, der zugleich Chef der am Solarpark beteiligten Andreas & Markus Wirth Solaranlagen GmbH ist, gibt es eine zweite Personalie, die stutzig macht.
Im vierköpfigen Vorstand der Wirsol AG ist Nikolaus Krane, der bis 2010 Vorstandsmitglied beim (inzwischen insolventen) Solaranlagenbauer Conergy war. Krane war im August 2011 eines der ehemaligen Vorstandsmitglieder von Conergy, gegen die seitens der Aktionäre Schadensersatzforderungen über insgesamt 268 Millionen Euro geltend gemacht wurden. Es ging um Vorwürfe Bilanzfälschung, Kursmanipulation und Insiderhandel. (Siehe Spiegel online vom 17.06.2009)
Damit war Krane juristisch aus dem Schneider, doch das Geschmäckle, dass hier ein Geschäftsmann mit dubioser Vorgeschichte bei der Wirsol AG untergekommen sein könnte, bleibt nach dem Eindruck so manches Beobachters haften.
Personelle Verflechtungen zwischen Kreis und Wirsol AG?
Bleibt die Frage, ob es vielleicht personelle Verflechtungen zwischen der Wirsol AG und Funktionsträgern des Kreises oder einer der kreiseigenen Tochtergesellschaften geben könnte. Auch danach habe ich gefragt. Doch auch bei dieser Frage gab der Landrat sich schmallippig:
Weder die Verwaltung des Rhein-Neckar-Kreises noch die Geschäftsführung der AVR GmbH sehen es als ihre Aufgabe an, personelle Verbindungen zu hinterfragen.
Aufklärung sieht anders aus. Für Die linke und offenkundig auch für die Grünen und die FDP im Kreistag war dieser eklatante Mangel an Transparenz Grund genug, der fragwürdigen Geschäftsbeziehung zwischen dem Kreis und einer privaten Firma die Zustimmung zu verweigern.
Alle drei Parteien haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Entwicklung der erneuerbaren Energien im Rhein-Neckar-Kreis für wichtig und richtig erachten. Als reines Mittel zur Risikominderung einer Privatfirma sind uns allen jedoch die Gelder der Steuerzahler zu schade.
Anm. d. Red.: Carsten Labudda ist Stadtrat im Weinheimer Gemeinderat und Mitglied des Kreistags Rhein-Neckar-Kreis.