Mannheim/Rhein-Neckar, 25. Oktober 2018 (red/pro) Die Dr. Haas-Gruppe, zu der als bekannteste Marke der Mannheimer Morgen (MM) gehört, übernimmt nach Darstellung des MM das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF). Im Juli hatte der Sender Insolvenz anmelden müssen, da der Umsatzwegfall von rund 1,4 Millionen Euro nach dem Verlust der Lizenz für das RTL-Fenster, nicht kompensiert werden konnte. Die gute Nachricht ist, dass sich ein Investor gefunden hat. Die schlechte: Dadurch wird eine Monopolisierung des Medienmarktes erheblich vorangetrieben.
Kommentar: Hardy Prothmann
RNB-Leser wissen, dass wir häufig kritisch mit anderen Medien umgehen. Das betrifft nicht nur den MM, RNF oder SWR, sondern viele andere Medien auch, wenn es einen Bezug zu unserem Berichtsgebiet gibt und das RNB kritikwürdige Inhalte oder Entwicklungen feststellt.
Aktuell meldet der MM:
Der Fortbestand des Rhein-Neckar Fernsehens (RNF) ist gesichert: Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Juli dieses Jahres ist ein Investor für den regionalen TV-Sender gefunden. Die Mannheimer Mediengruppe Dr. Haas (unter anderem „Mannheimer Morgen“) kündigte am Donnerstag an, das RNF nach erfolgreichem Abschluss des Insolvenzverfahrens vollständig zu übernehmen. „Die Dr. Haas-Mediengruppe ist davon überzeugt, dass die Metropolregion auch weiterhin ein journalistisch anspruchsvolles Medienangebot in Zeiten von Fake News und Social Media benötigt“, so Björn Jansen, Sprecher der Dr. Haas-Geschäftsführung. „Mit unserem Engagement bei RNF wollen wir dazu beitragen, dieses Angebot zu erhalten und in der Zukunft auszubauen. Gleichzeitig bietet der Einstieg bei RNF der Haas Mediengruppe die Chance, ihre Aktivitäten in der Metropolregion sowohl im Medienangebot als auch im mediennahen Dienstleistungssegment deutlich zu erweitern.“
Sie müssen das sehr genau lesen, um die Inhalte zu verstehen und vor allem die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Das Rhein-Neckar-Fernsehen bleibt also zunächst erhalten. Der 1986 gegründete Sender – damit der älteste private Regionalfernsehsender Deutschlands – kehrt sozusagen an die Anfänge zurück, denn damals gehörte der Sender zur Dr. Haas-Gruppe, bevor Mitbegründer und Geschäftsführer Bert Siegelmann den Betrieb 1994 übernommen hatte. Doch die Übernahme wird erst erfolgen, wenn 15 der 45 Mitarbeiter abgebaut sind. Das ist ein harter Einschnitt.
Das RNF hatte bereits in den vergangenen Jahren erheblich zu kämpfen und wies überwiegend Fehlbeträge im Jahresergebnis aus. Der Verlust der Lizenz für das regionale RTL-Fenster uns damit ein Umsatzverlust von rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr, konnte der Sender nicht kompensieren. Damit war die Insolvenz vorprogrammiert. Der massive Einschnitt bei den Personalkosten war damit unumgänglich.
Mit weniger Personal kann man auch nur weniger produzieren ist nur bedingt richtig: Durch die Digitalisierung können viele Produktionsprozesse eines Senders mit weniger Personal geleistet werden. Trotzdem braucht man aber Teams und Reporter draußen. Ein Beispiel: Diese müssen mit den Aufnahmen aber nicht ins Studio zurück, sondern können diese vor Ort in den Sender übertragen. Dafür benötigt es entsprechende Investitionen in Technik, die unterm Strich aber günstiger sind, als Personal.
Trotzdem fehlt der sichere Umsatz aus der Lizenz. Und der klassische Werbemarkt für journalistische Medien wächst nicht, sondern schrumpft. Das muss auch die Dr. Haas-Gruppe seit Jahren verkraften. Betrug der Anteil der Werbeeinnahmen am Gesamtumsatz 2006 noch 53 Prozent, waren es 2011 nur noch 46 Prozent und laut der letzten aktuell vorliegenden Bilanz 2016 nur noch 38 Prozent. Rund 100 Millionen Umsatz macht die Gruppe.
Zudem verloren die Zeitungen, die durch Anzeigen- und Vertriebserlöse über 80 Prozent des Umsatzes erwirtschaften, massiv an Auflage. Zählte der MM 2006 noch knapp 80.000 Abonnenten, waren 2011 nur noch gut 71.000, 2016 knapp 61.000 und aktuell sind es nur noch 55.480. Bis 2021 wird die Abo-Auflage klar unter 50.000 einbrechen. Zeitung ist ein „altes“ Medium – immer weniger junge Menschen bis 30 Jahre lesen Zeitung. Es kommen also einerseits zu wenig neue Abonnenten nach und andererseits stirbt den Zeitungen die Leserschaft weg – das gilt ähnlich auch für das Fernsehen. Und beide Mediensparten haben die ältesten Nutzer – im Durchschnitt jenseits der 60.
Was ist die Lösung? Neben Preiserhöhungen soll das „mediennahe Dienstleistungssegment“ ausgebaut werden. Das können ähnliche Leistungen sein, wie sie auch im Journalismus getätigt werden, es ist aber kein Journalismus, sondern das sind Auftragsproduktionen, deren Inhalte der Auftraggeber bestimmt. Ob die Rechnung aber aufgeht, ist nicht ausgemacht. In den Anfangstagen des Privatfernsehens hatte sich einige Tageszeitungsverlage an den Sender beteiligt oder diese gegründet und sind dann schnell wieder ausgestiegen, weil sie das Fernsehgeschäft nicht verstanden haben. Dass nun eine Zeitung einen Sender zurückkauft, ist bundesweit einmalig.
Heute macht das mehr Sinn als vor 30 Jahren, denn durch das Internet gibt es jetzt einen neuen und günstigen Ausspielkanal für Videoproduktionen. Diese können nun „inhouse“ erbracht werden, was vermutlich eine schlechte Nachricht für bisherige Zulieferer bedeutet. Der MM versucht sich bereits seit einiger Zeit mit Videoformaten, die handwerklich aber eher mäßig gemacht sind.
Richtig ist die Aussage, dass journalistisch hochwertige Angebote sehr wichtig für die Gesellschaft sind. Ein Problem ist aber die schrumpfende Medienvielfalt zugunsten wachsender Monopole. Das beeinträchtigt erheblich eine konkurrierende Meinungsvielfalt. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es nur noch „Einzeitungskreise“. Das heißt, eine Monopolzeitung ist vor Ort die einzige journalistische Informationsquelle. Jetzt bekommt diese Zeitung auch die Kontrolle über den einzigen ernstzunehmenden privaten TV-Sender (RONTV ist nicht ernst zu nehmen). Das kann erhebliche inhaltliche Auswirkungen haben. Was viele nicht wissen: Die Dr. Haas-Gruppe ist an einer Vielzahl weiterer Medien beteiligt, beispielsweise BigFM oder Radio Regenbogen.
Man darf gespannt sein, wie andere Zeitungshäuser darauf reagieren. Denn Mannheimer Morgen, Schwetzinger Zeitung und Bergsträßer Anzeiger (alle Dr. Haas-Gruppe) konzentrieren sich im wesentlichen auf ihre Kerngebiete, das RNF hingegen auf die Metropolregion und damit auch Hessen und Rheinland-Pfalz. Hier ist die Rheinpfalz der monopolistische Platzhirsch, in Hessen ist die Echo-Gruppe (Verlagsgruppe VRM) dominant.
Klar ist, dass durch die Übernahme die Meinungsmacht der schrumpfenden Zeitung nun wieder größer geworden ist. Dass daraus automatisch ein hochwertiges journalistisches Angebot erwächst, ist nicht garantiert. Immerhin, mit Ralph Kühnl ist ein ausgewiesener Journalist künftig alleiniger Geschäftsführer. Der hat klare journalistische Ansprüche, muss sich aber dem Markt beugen – Umsatz ist am Ende wichtiger als Inhalt.
Bert Siegelmann verlässt das Unternehmen, soll aber weiter beratend tätig sein.