Stuttgart/Rhein-Neckar, 26. Januar 2016. (red/ms) Wie entwickelt sich die Kriminalität in Baden-Württemberg? Und werden wir über diese Frage noch vor den Landtagswahlen etwas erfahren? Für gewöhnlich erscheint die Kriminalstatistik der Polizei gegen Ende Februar oder Anfang März. Für dieses Jahr steht bislang noch kein Termin fest. Doch Kriminalität und Sicherheit sind ein zentrales Wahlkampf-Thema – da wären harte Fakten wünschenswert.
Anfang März 2013 jubelte Innenminister Reinhold Gall (SPD):
Für die Sicherheit der Bürger ist das eine sehr erfreuliche Entwicklung: Die Kriminalitätsbelastung in Baden-Württemberg ist 2012 um zwei Prozent auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken.
Herr Gall ist oberster Dienstherr der Polizei in Baden-Württemberg. Ihm untergeordnet sind das Landeskriminalamt und die zwölf regionalen Polizeipräsidien, die wiederum für Baden-Württembergs Reviere weisungsbefugt sind.
Nach dem Prinzip der Gewaltenteilung müssten die Politik als Legislative und die Polizei als Exekutive eigentlich unabhängig von einander sein – tatsächlich gibt es aber “Schnittstellen”, wie beispielsweise Innenminister Reinhold Gall, der seinem Ministerium die Marschrichtung vorgibt und eine Kontrollfunktion gegenüber der Exekutiven einnimmt.
Grundsätzlich ist es nur sinnvoll, dass sich die verschiedenen Organe des Rechtsstaats gegenseitig überprüfen können. Allerdings sind Menschen Menschen — und dadurch ist auch denkbar, dass es zu Verzerrungen
Sicherheit bewegt wie kein anderes Thema
Am 13. März stehen die Landtagswahlen bevor. Insbesondere die SPD hat um ihren Status zu bangen, denn in aktuellen Umfragen verliert die ehemalige Volkspartei massiv und liegt nur noch knapp über der AfD.
Was hat das nun mit der Arbeit der Polizei und der Entwicklung der Kriminalität in Baden-Württemberg zu tun?
Ganz einfach: Kaum ein Thema bewegt die Menschen derzeit so sehr, wie die Sorge um ihre Sicherheit.
Trotz schockierender Ereignisse aus der jungen Vergangenheit: Deutschland steht in Sachen Sicherheit verhältnismäßig noch immer sehr gut da. Aber auch noch so gut wie vor ein paar Jahren?
Stimmung am Tiefpunkt
Gefühlt hat sich einiges verändert. Gefühlt ist die Stimmung so schlimm, wie lange nicht mehr. Pfefferspray und Schreckschusswaffen sind zu Verkaufsschlagern geworden. Und insbesondere in Großstädten trauen sich immer weniger Frauen alleine aus dem Haus.
Aber wie sieht es mit den Fakten aus? Gibt es wirklich eine drastische Zunahme der Kriminalität? Und wenn ja: In welchen Bereichen?
Absolute Aussagen lassen sich kaum treffen – denn die gesamte Kriminalität kann nie erfasst werden. Es gibt immer ein Dunkelfeld, Taten die nie aufgeklärt werden und von denen nie jemand erfahren hat. Trotzdem gibt es Instrumente, mit denen man die Entwicklung der Kriminalität dennoch beurteilen kann.
Eines davon ist die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) – hier finden sich alle Straftaten wieder, die die Polizei im Vorjahr registriert hat. Außerdem sind alle Verbrechen und Delikte in Kategorien unterteilt: Etwa in Gewaltstraftaten oder Sexualdelikte.
Termin noch nicht bekannt
Für gewöhnlich erscheint die Statistik für Baden-Württemberg gegen Ende Februar oder Anfang März, hin und wieder auch erst gegen Ende März. Für dieses Jahr ist noch kein Termin festgelegt, wie das Innenministerium gegenüber unserer Redaktion mitteilt:
Die PKS wird in den nächsten Wochen ausgearbeitet werden. Einen Vorstellungstermin gibt es noch nicht.
Spannend wird daher, ob die Statistik noch vor oder nach den Landtagswahlen präsentiert werden wird. Womöglich hängt das auch damit zusammen, welche Ergebnisse sich präsentieren lassen.
Wo sind die Fakten?
Nach Informationen der Redaktion hat es insbesondere im Bereich “Eigentum” eine Steigerung der Vorfälle gegeben – das heißt: Mehr Diebstähle, mehr Einbrüche, mehr Überfälle. Außerdem scheint es gerade in der jungen Vergangenheit gehäufte Meldungen über Sexualdelikte gegeben zu haben.
Das sind allerdings nur grobe Trends – für definitive und präzise Aussagen müssen harte Fakten und belastbare Zahlen vorliegen. Das tun sie momentan nicht. Für eine mündige Meinungsbildung wäre das sicherlich sehr wünschenswert.
Vielleicht ist das aber auch zeitlich gar nicht möglich. Das ist natürlich ebenfalls denkbar: Der Arbeitsaufwand, die Statistik zu erstellen, ist höher als angenommen und die Veröffentlichung verzögert sich, ohne dass es irgendwelche Hintergrundgedanken gibt.
Was hat man nun zu erwarten?
Vielleicht hängt das Veröffentlichungsdatum aber auch von den Umständen ab: Eine bedenkliche Entwicklung der Kriminalität könnte die regierenden Parteien Stimmen im Wahlkampf kosten und die politischen Gegner stärken.
Umgekehrt dürften SPD und Grüne davon profitieren, wenn es große Erfolge zu vermelden gäbe. Vielleicht gäbe es dann auch einen Ratschlag des Innenministeriums gegeben, sich mit der Erstellung der Statistik zu sputen.
Oder anders gefragt: Würde sich das Innenministerium die Gelegenheit nehmen lassen, eine Statistik, die voller Erfolge und positiver Entwicklungen steckt, erst wenige Tage oder Wochen nach einer so entscheidenden und richtungsweisenden Wahl zu veröffentlichen?