Rhein-Neckar/Südwesten, 26. September 2016. (red/cr) Flüchtlinge kommen meist aus Ländern, die vielen Menschen in Deutschland fremd sind. Immer wieder kommt die Frage auf: Gibt es in den Herkunftsländern andere Krankheiten als hier, die von den Flüchtlingen importiert werden? Welche Erkrankungen sind häufig und wie hoch in das Ansteckungsrisiko? Und was muss man beachten, wenn man sich zum Beispiel in einer Flüchtlingsunterkunft engagiert?
Von Christin Rudolph
Menschen auf der Flucht begeben sich aus weit entfernten Ländern in Afrika, Asien und Europa auf eine gefährliche Reise durch fremde Regionen. Sie sind teilweise tagelang auf überfüllten Booten zusammengepfercht, schlafen im Freien und oft auf sich alleine gestellt.
Wenn sie schließlich angekommen sind, leben Asylsuchende in der Regel einige Zeit in Gemeinschaftsunterkünften. Die waren in der Vergangenheit teilweise chronisch überbelegt. Dabei kommen sie mit vielen Menschen in Kontakt.
Mit anderen Asylsuchenden und Helfern, aber auch außerhalb der Unterkünfte im öffentlichen Raum, in Arztpraxen und auf Ämtern.
Gibt es ein Risiko?
![By James Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons](https://rheinneckarblog.de/files/2016/09/Vaccination_of_girl.jpg)
Symbolbild By James Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons
Gibt es Krankheiten, die Asylsuchende „mitbringen“? Und was müssen beide Seiten beachten?
Das Robert Koch-Institut veröffentlicht monatlich einen Bericht zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden in Deutschland.
In der Ausgabe für den vergangenen August wurden 411 Fälle von meldepflichtigen Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden aufgeführt.
Die „ganz normale“ Erkältung
Insgesamt seien seit Jahresanfang die Fallzahlen gesunken, auf derzeit circa 70 bis 100 Fälle pro Woche. Zum Thema Gesundheitsrisiko wird festgestellt:
Das RKI sieht derzeit weiterhin keine erhöhte Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende.
Asylsuchenden würden vor allem an Magen-Darm-Infektionen sowie an Krankheiten leiden, gegen die es Impfungen gibt. So seien etwa in der beginnenden kalten Jahreszeit Erkältungen häufig.
Asylsuchende sind also vorwiegend von den gleichen Infektionskrankheiten betroffen wie Einheimische auch. Die Gefahr, sich als solcher bei einem Asylsuchenden anzustecken, ist gering. Eher ist es andersherum.
Die Asylsuchenden sind eher eine gefährdete Gruppe als eine Gruppe, von der für andere eine Gefahr ausgeht.
Wer steckt wen an?
Aus Analysen der Meldedaten von Infektionsgeschehen der letzten Jahre in Unterkünften von Asylsuchenden schließt das Robert Koch-Institut, dass sich die Erkrankten in den meisten Fällen in Deutschland angesteckt haben.
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Denn Asylsuchende sind anfälliger für einige Infektionskrankheiten als der Durchschnitt Deutschlands. Zum einen wird in den Herkunftsländern gar nicht bis unregelmäßig geimpft. Asylsuchende sind also weniger gut gegen Krankheiten geschützt, gegen die sich die meisten Menschen in Deutschland impfen lassen oder eine höhere Immunität bereits entwickelt haben. Zum anderen erhöhen die anstrengende Reise und der Platzmangel in vielen Aufnahmeeinrichtungen das Ansteckungsrisiko für Asylsuchende.
Sonderfall Tuberkulose
Eine Infektionskrankheit gibt es jedoch, auf die besonderes Augenmerk gelegt wird: Tuberkulose. Sie kommt in den Herkunftsländern häufiger vor als in Deutschland.
Daher gibt es eine gesetzliche Regelung, wonach jede Person über 15 Jahren vor der Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegen muss, dass sie nicht an einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose leidet.
Meist liegt ein solches Zeugnis nicht vor. In dem Fall wird eine Röntgenuntersuchung durchgeführt. So werden die allermeisten Asylsuchenden kurz nach der Ankunft in Deutschland auf Tuberkulose untersucht. Infizierte werden isoliert behandelt und damit das Ansteckungsrisiko minimiert.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
Dr. med. Andreas Gilsdorf, Leiter des Fachgebiets Surveillance in der Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert Koch-Institut, sagte uns dazu auf Anfrage:
Tuberkulose ist insofern eine Besonderheit, dass alle Asylsuchenden darauf untersucht werden. Wir gehen zwar davon aus, dass es unter ihnen mehr Fälle von Tuberkulose gibt als unter der einheimischen Bevölkerung. Jedoch gibt es keine vergleichbaren Zahlen.
Da für alle anderen Menschen in Deutschland die Röntgenuntersuchung auf Tuberkulose nicht verpflichtend ist, ist nicht bekannt, wie viele Deutsche tatsächlich infiziert sind.
Einige Bundesländer untersuchen Asylsuchende bei der Aufnahme zusätzlich auf Magen-Darm-Infektionen sowie auf Hepatitis B und C.
HIV? Kein Problem
Die Möglichkeit, dass Asylsuchende schwerwiegende, hierzulande seltene Infektionskrankheiten nach Deutschland importieren, schätzt das Robert Koch-Institut aktuell als gering ein.
Nur vereinzelt wurden Fälle solcher Krankheiten übermittelt. So gab es etwa seit Jahresbeginn nur fünf Fälle von Läuserückfallfieber.
In einzelnen Herkunftsländern wie zu Beispiel Nigeria liegen die HIV-Infektionsraten deutlich höher als in Deutschland. Dr. Gilsdorf schätzt jedoch HIV bei Asylsuchenden als geringes Problem ein.
HIV bei Asylsuchenden macht uns keine Sorgen. In Deutschland gab es bei den Infektionsraten insgesamt eine leichte Erhöhung in den letzten Jahren, wobei auch Migranten aus Afrika eine Rolle spielen. Diese Rolle ist aber im Vergleich zu den Risikogruppen sehr gering.
Einfach impfen lassen
Generell gilt: Wer den Empfehlungen der Ständigen Impfkommision nachkommt (Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln und Influenza für Personen ab 60 Jahre in der Saison), für den besteht kaum ein Risiko.
Lediglich bei Helfern in engem Kontakt zu Asylsuchenden geht das Robert Koch-Institut von einem etwas erhöhten Risiko aus. Hier empfiehlt die Ständige Impfkommission zusätzlich zu den Standardimpfungen Impfungen gegen Folgende Krankheiten:
- Hepatitis A
- Hepatitis B
- Auffrischimpfung gegen Polio, falls die letzte Impfung mehr als 10 Jahre zurückliegt
- Influenza (in der Saison)
Einfache Maßnahmen wie häufiges Händewaschen, das Reinigen häufig berührter Flächen und Türklinken und Abstand zu Erkrankten sind immer sinnvoll und Ansteckungen zu vermeiden. Unabhängig davon, wer erkrankt ist.