Heidelberg/Mannheim/Rhein-Neckar, 26. März 2014. (red/pro) Aktualisiert. Bei der Europawahl lassen sich klare Aussagen treffen: SPD und AfD sind die Gewinner. Die FDP hat teils dramatische Verluste erlitten. Schaut man sich die Ergebnisse in den Gemeinden des Landtagswahlkreises Weinheim und im Rhein-Neckar-Kreis genauer an, gibt es interessante Details – beispielsweise ist die Wahlbeteiligung dieser Gemeinden besser als im Kreis insgesamt und die SPD gewinnt sogar über den kreisweiten Vergleich. Wir haben für Sie die Zahlen mit teils überraschenden Zusammenhängen zusammengestellt.
Anm. d. Red.: Wir hatten zunächst für kurze Zeit eine Fassung veröffentlicht, bei der die Zahlen für Heidelberg nicht korrekt waren, wie wir selbst festgestellt haben. Daher mussten auch textliche Anpassungen vorgenommen werden. Wir bitte, den Fehler zu entschuldigen.
Von Hardy Prothmann
Wer sich gerne mit Zahlen befasst, kann sich viel Zeit für das Ergebnis der Europawahl nehmen. Datenbasis sind die behördlichen Zahlen Stand heute, 19:00 Uhr.
Gewinner SPD
Klarer Sieger der etablierten Parteien ist die SPD. In fast allen Gemeinden, zu denen wir berichten, gewinnt sie, oft über dem Bundestrend von plus fünf Prozentpunkten – nur in Viernheim verlieren die Genossen. Dabei liegt die SPD fast überall im Bundesdurchschnitt von fünf Prozentpunkten Zugewinn oder sogar deutlich darüber – nur Mannheim bleibt deutlich dahinter zurück. Insbesondere in Hemsbach holt sie mit 8,66 Prozentpunkten mehr den insgesamt höchsten Stand von 30,95 Prozent. Auch in Hirschberg (6,09 Prozentpunkte) und Schwetzingen (7,10 Prozentpunkte) legt sie am deutlichsten zu. Am schlechtesten schneidet sie in Heidelberg ab: 17,26 Prozent sind „ernüchternd“. Insgesamt liegt sie um 28 Prozent, mehrfach kann sie sogar die 30 Prozent überspringen. Die SPD scheint sich bei Grünen und CDU Stimmen geholt zu haben – in Mannheim aber nur von den Grünen.
Wahlsieger ist der Verlierer CDU
Die CDU verliert in Heidelberg 1,2 Prozentpunkte – sonst verlieren die Christdemokraten fast durch die Bank mehr. Am meisten in Laudenbach, wo sie 4,63 Prozentpunkte abgeben müssen, aber trotzdem mit 39,05 das beste Ergebnis holen. Im Wahlkreis Weinheim verlieren sie in Schriesheim mit minus 0,67 Prozentpunkte am glimpflichsten, sonst beträgt das Minus zwischen rund 2,5 Prozentpunkte, in Mannheim sogar 3 Prozentpunkte. In Heidelberg bleibt sie knapp stärkste Partei, wenngleich auf niedrigem Niveau – in Mannheim hingegen muss sie den Platz an die SPD abgeben. Die Law-and-Order-Kampagne hat der CDU in Mannheim nichts genutzt, die Partei verliert hier klar überdurchschnittlich. Trotz massiver Stützung durch den Mannheimer Morgen muss die Partei den Verlust hinnehmen.
Gewinner AfD
Die AfD ist überall durchgestartet und gewinnt aus dem Stand durchschnittlich rund 9 Prozent – zwei Prozentpunkte mehr als bundesweit. Nur in Heidelberg schneidet sie schlechter ab: 6,80 Prozent. Am besten steht sie in Ilvesheim mit 10,64 Prozent da. So wie es aussieht, hat die AfD in Nordbaden eine feste Basis. Nach den Zahlen hat sie vor allem bei der FDP gewildert zu haben und in großen Teilen bei der CDU. In Mannheim fährt die AfD mit 9,7 Prozent eines der besten Ergebnisse ein. Rechtsextreme Parteien wie die NPD bleiben schwach und Wählerwanderungen sind definitiv nicht ausschlaggebend für das Ergebnis der AfD. Auch von Die Linke und Grünen kommen keine Stimmen, ebensowenig gelingt es, Neu- oder Protestwähler umfangreich zu motivieren – die AfD holt sich in Nordbaden ihre Wähler/innen direkt bei CDU und FDP, also aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft.
Klarer Verlierer FDP
Klarer Verlierer ist die FDP mit im Schnitt 8,5 bis fast 10 Prozentpunkten Verlust. In Schriesheim verliert sie dramatische 10,32 Prozentpunkte. Angesichts der deutlichen Zahlen scheint es klar zu sein, dass die FDP zusammen mit der CDU an die AfD verloren hat. Zwar braucht es keine fünf Prozent mehr – doch nur in vier Gemeinden kommt die Partei überhaupt über diese Grenze. Am besten steht sie noch in Hirschberg da: 6,15 Prozent.
Verlierer Bündnis90/Die Grünen
Die Grünen haben keinen Grund zur Freude. Im Landtagswahlkreis Weinheim holen sie nur in Laudenbach magere 1,2 Prozentpunkte mehr, sonst geht es zwischen zwei und drei Prozentpunkten Verlust bergab. Auch in Heidelberg verlieren die Grünen 4,7 Prozentpunkte. Obwohl man auch in Dossenheim ganze 3,43 Prozentpunkte verliert, bleibt Dossenheim mit 19,85 Prozent die stärkste Gemeinde. In Hemsbach müssen sie die größte Niederlage hinnehmen – minus 4,63 Prozentpunkte und damit nur noch einstellige 9,76 Prozent. Das ist noch schlechter als Viernheim, wo die Grünen leicht auf 9,9 Prozent zulegen. In Mannheim verlieren die Grünen zwei Prozentpunkte – trotz eines engagierten Wahlkampfs. Den Grünen gelingt es nicht, Europakompetenz zu vermitteln.
Stabile Linke auf niedrigem Niveau
Die Linke hält sich zwischen drei und vier Prozent stabil. Beste Gemeinden sind Dossenheim mit 4,15 Prozent und Mannheim mit 5,90 Prozent. Bis auf Laudenbach (-0,50 Prozentpunkte) legt man überall leicht zu. In Heidelberg gewinnt man 1,9 Prozent – Rekord bei unserer Betrachtung.
Wahlbeteiligung – Dossenheim mit stolzen 66,08 Prozent – Mannheim mit enttäuschenden 44,1 Prozent
Nur Heddesheim und Hemsbach bleiben unter der Kreis-Wahlbeteiligung von 53,93 Prozent und den im Landtagswahlkreis deutlicheren 57,41 Prozent. Sonst liegen die Gemeinden im Wahlkreis Weinheim deutlich drüber – führend ist Dossenheim mit stolzen 66,08 Prozent, gefolgt von Hirschberg (63,23 Prozent) und Ladenburg (61,38 Prozent). Unsere Orte sind offensichtlich politisch insgesamt doch sehr politisch interessiert und motiviert. Dramatisch sieht es in Mannheim aus: nur 44,1 Prozent. Das ist zwar eine Steigerung von rund drei Prozentpunkten gegenüber 2009, doch kann Mannheim mit einem so schwachen Wert den Versuch, sich zur „Europäischen Kulturhauptstadt“ zu machen, fluchs begraben. Bei so wenig Zustimmung der Wähler/innen bei einer Europawahl ist das tatsächlich mehr als peinlich – insbesondere vor dem Hintergrund einer bundesweit gestiegenen Wahlbeteiligung und mit starken Wahlbteiligungen um Mannheim herum. Auch Viernheim scheint es mit Europa nicht so zu haben (37,8 Prozent).
Wahlkreis Weinheim im Vergleich zum Rhein-Neckar-Kreis
Auch hier ist die SPD klarer Sieger. Sowie die AfD, die im Schnitt auf 9,11 Prozent kommt (Kreis 8,75 Prozent). Die CDU liegt gut zwei Prozentpunkte hinter dem Kreis zurück und verliert auch fast doppelt so hoch. Die Grünen verlieren deutlich über dem Kreisschnitt, bleiben aber prozentual fast 1,5 Prozentpunkte besser. Obwohl die FDP der größte Verlierer ist, hält sich die Partei ein wenig besser als im Kreis. Die Linke ist leicht schlechter als im Vergleich zum Kreis. Die Wahlbeteiligung ist deutlich besser.
Stadt-Land-Vergleich
In den Städten haben die Menschen deutlich weniger an der Europawahl teilgenommen, insbesondere in Mannheim, Schwetzingen und Viernheim. Aber auch die große Kreisstadt Weinheim bildet das Schlusslicht unter den Kreisgemeinden und bleibt sowohl hinter dem Kreisschnitt als auch im Vergleich zu den anderen Gemeinden im Wahlkreis Weinheim mit 50,05 Prozent weit zurück. Und auch hier ist die AfD stark – das Bild ist zwar nicht einheitlich, aber tendenziell ist die AfD in den Städten scheinbar stärker bis auf den Ausreißer Heidelberg mit dem schwächsten Ergebnis. Hier profitieren alle von einer starken Wahlbeteiligung – insbesondere SPD und die Linke, die offenbar nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei der FDP Stimmen holen konnten. Die AfD kann sich nur bei der FDP Stimmen holen. Heidelberg ist damit entweder ganz anders als andere Städte oder zeigt einen Trend vor, den man bundesweit beobachten kann: Die etablierten Parteien verlieren zunehmend.