Mannheim, 26. Oktober 2014. (red/ld) Wegen der englischen Entlehnungen stirbt die deutsche Sprache aus? Denkste! Deutscher Wortschatz ist in über 100 Sprachen entlehnt, sagte Peter Meyer bei seinem Vortrag zu “Umgekehrten Fremdwörtern” am Institut für deutsche Sprache vergangenen Donnerstag.

Das tschechische Wort “sporak” kommt vom deutschen “Sparherd”. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte wurde das Wort verändert. Foto: Wikipedia CC-BY-SA 3.0/Juan de Vojníkov
Von Lydia Dartsch
Der Weltschmerz, das Waldsterben oder Kaffeeklatsch und Kindergarten sind typisch deutsche Wörter. Internationale Wörter – aus dem Deutschen ins Englische und das Französische entlehnt. Doch die meisten der deutschen Lehnwörter erkennt man nicht so einfach.
Wenige dürften sich heute noch an den Sparherd erinnern, der die Hitze des Kochfeuers möglichst effizient an die Kochplatten abgeben sollte – anders als das offene Feuer: “Das ist bei einem Herd heute normal”, sagt Peter Meyer, der seit einem Jahr am Institut für deutsche Sprache nach Lehnwörtern sucht, die aus dem Deutschen in andere Sprachen übernommen worden sind.
Deutsche Wörter in über 100 Sprachen
Aus dem Sparherd ist das tschechische sporak geworden und hat immer noch die gleiche Bedeutung: Herd. In die tschechische Sprache wurden so viele deutsche Wörter übernommen, dass der tschechische Geistliche Jan Hus bereits im 15. Jahrhundert dagegen wetterte: Sorc, das von Schürze abgeleitet ist, oder hantuch, das von Handtuch stammt, sind zwei Beispiele.
In über 100 Sprachen weltweit sind Worte mit deutschem Ursprung zu finden. Meist werden Nomen übernommen, sagt Herr Meyer. Weit abgeschlagen aber auch Verben und Adjektive. Man findet sie im Türkischen, Finnischen, Brasilianischen, Japanischen, in die skandinavischen Sprachen. Teilweise werden auch grammatische Konstruktionen übernommen.
Die Sprecher verwenden die Wörter und verändern sie, passen sie an. So wird aus Arbeit das japanische Wort für einen Nebenjob abeito. Aus dem deutschen Leberwurst wurde das englische Wort liverwurst, also die englische Leber mit der deutschen Wurst harmonisch in einem Wort vereint sind.

Nicht nur die deutsche Sprache entlehnt. Auch aus der deutschen Sprache wanderten Wörter in über 100 Sprachen.
“Entlehnungen kommen überall dort vor, wo es Sprachkontakte gibt”, sagt Peter Meyer: Solche Kontakte werden beispielsweise durch Handelsbeziehungen wie früher der Hanse hergestellt, sagt er. Deshalb finde man viele Wörter deutschen Ursprungs in schwedischen, dänischen und sogar finnischen Wörterbüchern.
Typisch sind sprachliche Entlehnungen in Grenzregionen zu anderen Sprachgemeinschaften. So lassen sich Entlehnungen in den tschechischen und den niederländischen Wortschatz erklären.
Lehnwortdatenbanken im Internet zeigen Beziehungen

Dr. Peter Meyer forscht seit einem Jahr an Entlehnungen der deutschen Sprache.
Durch Kolonialisierung wurden Sprachen noch weiter verbreitet. Teilweise entstanden daraus Creol-Sprachen wie dem Südwesterdeutsch in Namibia oder dem Riograndenser Hunsrückisch in Brasilien. “In kolonialen Kontexten musste schnell eine eine spontan verständliche Verkehrssprache gefunden werden, mit dem sich Kolonialherrschaft und die Kolonialisierten miteinander verständigen können”, sagt Herr Meyer.
Wie es zu solchen Entlehnungen kommt, sei wenig erforscht. Es ist auch ein schwieriges Gebiet: “Man kann vieles nur schwer empirisch nachweisen”, sagt er. Dazu benötige man die Aufzeichnung gesprochener Sprache einer Sprachgemeinschaft über einen sehr langen Zeitraum in der Größenordnung von 150 Jahren.
Woher welche Lehnwörter kommen und in welche Sprachen sie weitergetragen wurden, untersucht Peter Meyer für das Lehnwortportal des Instituts für deutsche Sprache. Dort kann man selbständig nach deutschen Wörtern suchen, die in andere Sprachen entlehnt wurden und sich die Beziehungen der Wörter grafisch darstellen lassen. Derzeit sind nur drei Wörterbücher eingepflegt: Polnisch, Teschener Polnisch und Slovenisch. In Zukunft soll die Datenbank mit weiteren Sprachen ergänzt werden.
Den weltweiten Einfluss von Sprachen aufeinander kann man in der World Loanword Database des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig abrufen. Über Karten kann man dort erfahren, in welche Sprachen Worte entlehnt wurden. Man sieht den Anteil an belegten Lehnworten in den Wortschätzen und kann prüfen, ob Wörter aus anderen Sprachen entlehnt wurden oder in eine andere Sprache.