Karlsruhe/Mannheim, 26. Oktober 2016. (red/pro) Vier Anwälte auf der Seite der Klägerin, der Erbengemeinschaft des verstorbenen Muharrem Baklan, zwei Anwälte auf der Seite der Beklagten, der BAK Kardesler Lebensmittelhandelsgesellschaft mbH – es geht um einen Markenrechtsstreit. Beide Seiten haben einem Urteil des Landgerichts Mannheim widersprochen. Die Klägerin will Schadensersatz, die Beklagte will das nicht und auch nicht die Marken „BAKTAT“ und „BAK“ hergeben müssen. Die Materie ist äußerst komplex und überhaupt nicht leicht zu lösen. Am Ende schlägt das Gericht einen Vergleich vor – doch ob dieser gefunden werden kann, ist vollkommen offen.
Von Hardy Prothmann
Oberlandesgericht Karlsruhe. Sitzungssaal 8, 10:00 Uhr. Der Vorsitzende Richter Schmukle und die Beisitzer Prof. Dr. Schwarz sowie Dr. Zülch eröffnen die Sitzung, klären Formalien und steigen in die Materie ein.
Wie gestern bereits exklusiv berichtet, geht es bei der Auseinandersetzung um einen Markenstreit zwischen der Erbengemeinschaft des 1992 verstorbenen Muharrem Baklan und der BAK Kardesler GmbH, deren Geschäftsführer Mustafa Baklan ist, ein Bruder des Verstorbenen. Herr Baklan hatte nach dem Tod eine Generalvollmacht durch die Witwe ausgestellt bekommen und übertrug 1994 die Marken „BAK“ und „BAKTAT“ auf seine neu gegründete Gesellschaft. Damit hatte er nach Auffassung des 6. Zivilsenats ein nicht zulässiges Insich-Geschäft getätigt. Damit folgen die Karlsruher Richter der Auffassung des Landgerichts Mannheim, die die Erbengemeinschaft als rechtmäßige Besitzer der Marken erkannt hat.
Gründung gegen Leistung
Die beiden Seiten tragen vor. Die Erbengemeinschaft begehrt Auskunft über die Geschäfte und will dann entsprechende Zahlungen erhalten. Die Gegenseite betont, dass der Wert des Unternehmens nicht auf den Marken beruhe, sondern auf den unternehmerischen Leistungen der Baklan-Brüder Mustafa und Halil.
Die Richter erkennen diese Leistungen an – aber eben auch den Anspruch der Erben. Ein Sinnbild könnte dies sein: Das Haus Baklan ist zwar sehr solide ausgebaut, aber es steht auf dem Fundament des Gründers Muherrem Baklan. Und da die Erbengemeinschaft erst 2013 von der möglichen Inhaberschaft erfahren habe, könnten auch erst jetzt Ansprüche geltend gemacht werden.
Doch was bedeutet das praktisch? Dass die Inhaberschaft der Marken rückübertragen werden muss, sollte es zu einem gerichtlichen Urteil kommen, steht mehr oder weniger außer Frage. Doch was dann? Kann der erfolgreichen Firma die Nutzung der Marken untersagt werden? Wie errechnet man Ansprüche über 22 Jahre mit Zins und Zinseszins?
Wertvolle Marke
Völlig unstrittig ist: „BAKTAT“ hat sich über die Jahre zu einer wertvollen Marke entwickelt. Aber die BAK Kardesler führte diese offenbar zu Unrecht – auch wenn dies nicht aus bösem Willen geschehen sein sollte, was niemand unterstellt. Wie gleicht man also einen gegebenen Anspruch aus? Muss man 3.000 Produkte einzeln prüfen und klären, ob eine Markenverletzung vorliegt? Das wäre eine Mammutaufgabe – und selbst hier ist neuer Zwist vorprogrammiert: In jedem Fall müsste der Anspruch möglicherweise nicht nur ausverhandelt, sondern erstritten werden. Für das Unternehmen eine untragbare Situation – aber ebenso untragbar wäre, wenn die Erben nicht eine angemessene Entschädigung erhielten.
Der Vorsitzende Richter appelliert an beide Seiten, Vernunft walten zu lassen und erkundigt sich, ob den bereits ein Vergleich gesucht worden sei. Die Anwälte der Erben teilen mit, dass man dies versucht habe, aber die Gegenseite nicht geantwortet habe. Mustafa Baklan sitzt auf seinem Stuhl und verzieht keine Miene. Sein Anwalt sagt:
Die Gegenseite hat doch das Gefühl, einen Sechser im Lotto zu haben.
Die Richter verziehen keine Mienen, aber man merkt, dass der Vortrag nicht gut ankommt. Sie erläutern nochmals, dass im Zuge einer richterlichen Entscheidung das Risiko für das Unternehmen möglicherweise sehr hoch sei und ein Unfrieden zwischen den Verwandten kaum zu schlichten wäre. Deshalb halten sie auch eine Einmalzahlung und Lizenzierung der Marken für keine befriedende Lösung.
Das Risiko einer Entscheidung sollte der Beklagten klar sein. Dagegen steht: Die Marken sollten dem Unternehmen gehören. Dafür ist aber ein substanzieller Betrag als Ausgleich nötig. Das kostet Geld, viel Geld,
sagt der Vorsitzende Richter Schmukle und unterstreicht den Ernst der Lage mit ruhigem Blick und ergänzt: „Das ist vor allem eine nüchterne wirtschaftliche Überlegung.“
Verzwickte Lage
Die Lage ist verzwickt. Die Richter erkennen die unternehmerische Leistung der Baklan-Brüder an. Aber eben auch das Anrecht der Erben auf Beteiligung. Haben die Erben eine zu hohe Vorstellung, was die Entschädigung angeht, werden die Baklan-Brüder möglicherweise nicht darauf eingehen. Damit aber gefährdeten sie den weiteren Erfolg des Unternehmens, weil die Richter im Sinne der Erben nach der Rechtslage entscheiden müssten. Ihnen würden die Marken zugeschlagen und dann könnte ein jahrelanger Prozessmarathon folgen, was teuer und zermürbend wäre – für beide Seiten.
Die Baklan-Brüder denken sicher aus ihrer Perspektive, dass die Forderung von „viel Geld“ eigentlich „ungerecht“ ist. Aber sie müssen verstehen, dass sie die Marken eben mit hoher Wahrscheinlichkeit zu unrecht geführt haben. Der Fehler wurde in der Vergangenheit gemacht und ist nun äußerst schmerzhaft.
Andererseits verwundert, dass man den Fehler nicht schon viel früher erkannt hat. Die Baklan-Brüder haben ein modernes Unternehmen aufgebaut – in einem fremden Land und Rechtssystem. Sie mussten sich also immer kompetent beraten lassen. Sie haben viele zertifizierte Produkte und ein hohes Qualitätsmanagement – auch das erreicht man nur mit „teurer“ Beratung von außen. Sie wissen, dass das A und O ihres Geschäfts die Qualität der Produkte ist. Dabei geht es nicht nur um den Anbau, sondern die komplette Verarbeitung bis zum Verkauf an die Abnehmer. Und nie hat jemand überprüft, wie es sich mit dem existenziellen Markenkern „BAKTAT“ verhält? Das ist etwas überraschend.
Viel Geld und/oder viel Ärger?
Nach rund eineinhalb Stunden einigt man sich darauf, Verhandlungen für einen Vergleich aufzunehmen und das Ergebnis bis Ende November mitzuteilen. Am 14. Dezember ist Verkündigungstermin. Das wird ein Schicksalstag für BAK Kardesler. Gegen eine hohe Zahlung erhält man die Markenrechte und steckt den Ärger weg oder man erzwingt eine Entscheidung, deren Folge ein vermutlich über Jahre andauernder Prozess sein wird.
Sicherlich werden die Baklan-Brüder das mit ihren Juristen durchrechnen. Möglicherweise steht am Ende das Ergebnis, dass die Marken BAK und BAKTAT aufgegeben und durch neue Marken ersetzt werden. Das würde den Rechtsstreit nicht aufheben, aber den Druck umkehren. Dann säßen die Baklan-Brüder am längeren Hebel und könnten darauf hoffen, dass den Erben irgendwann die Puste ausgeht – denn eins ist sicher. Sollte es zum Streit kommen, wird dieser Unsummen an Anwaltshonoraren verschlingen. Und die Familienverhältnisse wären komplett zerstört – vielleicht sind sie das jetzt schon.
Die Anwälte der Erbengemeinschaft verlassen gut gelaunt das Gebäude und sehen ihre Auffassung bestätigt. Als wir Herrn Baklan ansprechen, sagt einer seiner Anwälte: „Sie brauchen nichts fragen. Wir äußern uns nicht.“