Mannheim/Rhein-Neckar, 26. Mai 2014. (red/ms) Die Beweisaufnahme im Verfahren gegen Emil S. ist beendet. Das Urteil ist auf den 27. Juni angesetzt. Als letzter Zeuge im Prozess wurde der Psychiater Professor Doktor Klaus Foerster gehört. Er wurde vom Gericht als Gutachter bestimmt, um zu prüfen, wie hoch ein Rückfallrisiko beim Angeklagten ist, wenn er aus der Haft entlassen wird – er kommt zu dem Urteil, dass Emil S. einen Hang zur Kriminalität hat und auch nach Freiheitsentzug weiterhin als gefährlich angesehen werden muss. Eine Sicherheitsverwahrung scheint demnach wahrscheinlich.
Von Minh Schredle
Der Prozess gegen Emil S. neigt sich dem Ende zu. Am heutigen Tag sollte der Sachverständige Prof. Dr. Karl Foerster sein Gutachten vorstellen, das mit unter dafür entscheidend sein könnte, ob neben einer lebenslangen Haftstrafe für den Angeklagten eine anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet wird.
Verteidiger Maximilian Endler erhob Einspruch dagegen, den Sachverständigen als Zeugen zu hören. Dies sei “Makulatur”, da eine angeordnete Sicherheitsverwahrung verfassungswidrig wäre.
Sicherheitsverwahrung verfassungswidrig?
Am 04. Mai 2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass §66 des Strafgesetzbuches, in dem die Regelungen zur Sicherheitsverwahrung festgelegt wurden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die damalige Rechtslage durfte nur bis zu einer Neuregelung und längstens bis zum 31. Mai 2013 anwendbar bleiben.
Am 01. Juni 2013 trat ein neues Gesetz in Kraft – allerdings sei dies keine Neuregelung, findet Rechtsanwalt Endler – in der Begründung seines Antrages schreibt er:
In Artikel 1 dieses Gesetzes werden verschiedene Änderungen des Strafgesetzbuches aufgeführt. So wurde §66c neu eingefügt und es wurden die §§67a, 67c, 67d, 67e und 68c geändert. Eine Änderung von §66 StGB erfolgt nicht, ebenso wenig wurde dieser in unveränderter Form neu verkündet.
Demnach gäbe es laut Herrn Endler derzeit keine gültige Fassung des §66 StGB mehr und demnach auch keine Rechtsgrundlage mehr, eine Sicherheitsverwahrung anzuordnen. Alle Fälle, in denen dies dennoch geschehen ist, sind nach Ansicht des Verteidigers verfassungswidrig.
Gericht teilt diese Bedenken nicht
Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde, die diese Frage klären soll. Herr Endler kündigte an, er werde die Aussetzung des Verfahrens beantragen, bis diesbezüglich ein Urteil getroffen wurde, falls das Gericht beabsichtigen sollte, eine Sicherheitsverwahrung anzuordnen.
Nachdem dieser Antrag gestellt wurde, zog sich das Gericht für eine Viertelstunde zur Beratung zurück. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sie “die Bedenken des Verteidigers nicht teilen”. Eine Begründung gab es seitens der Richter nicht.
Kein direkter Kontakt zwischen Angeklagtem und Sachverständigem
Zwischen dem Angeklagten und dem Sachverständigen hat nie ein Gespräch stattgefunden. Professor Doktor Foerster sagt, er habe gar nicht erst versucht, Kontakt aufzunehmen, nachdem klar wurde, dass der Beschuldigte keine Angaben machen wird. Vermutlich hätte er wirklich kein Wort aus ihm herausbekommen.
Die Informationen, die der Sachverständige über den Angeklagten hatten, beschränken sich also auf die Inhalte der Akten und der Hauptverhandlung. Er könne daher keine Aussagen über eine mögliche Persönlichkeitsstörung oder psychische Erkrankungen machen. Allerdings sehe er ein großes Risiko, Emil S. könne rückfällig werden.
Sachverständiger sieht “Unfähigkeit, aus Bestrafung zu lernen”
Emil S. wurde im Alter von 17 Jahren das erste Mal strafrechtlich auffällig. Es folgte eine Einbruchsserie, für die er zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Er war nur wenige Wochen auf freiem Fuß, ehe er innerhalb von drei Tagen wieder zwei Frauen überfallen hat. Dafür wurde er mit 12 Jahren Freiheitsentzug bestraft.
Der Angeklagte war insgesamt schon mehr als 17 Jahre lang im Gefängnis – und trotzdem beging er weitere Kapitalverbrechen. Laut dem Sachverständigen dürfe man ihm also eine “Unfähigkeit, aus Bestrafungen etwas zu lernen”, unterstellen.
Vergehen könnten sich leicht wiederholen
Man könne von “einem Hang zur Kriminalität” ausgehen, bei seinen Vergehen zeige sich eine hohen Gewaltbereitschaft und -anwendung. Seine Opfer wären “austauschbar und zufällig”, solche Vorfälle könnten sich “leicht wiederholen”. Schließlich kommt Professor Doktor Foerster zu dem Ergebnis:
Auch nach der Verbüßung einer Haftstrafe ist der Angeklagte als weiterhin gefährlich anzusehen.
Wenngleich der Sachverständige weitere Tötungsdelikte für eher unwahrscheinlich hält, so sei das Risiko ausgesprochen hoch, dass es zu weiteren Körperverletzungen und Raubüberfällen kommen könnte – insbesondere gegen Frauen.
Beweisaufnahme beendet
Mit dem Vortrag des Sachverständigen endete die Beweisaufnahme. Der für den morgigen Dienstag angesetzte Verhandlungstag wird entfallen, der Prozess wird am Mittwoch um 09:00 Uhr fortgesetzt. Dann werden der Staatsanwalt und einige Nebenklägervertreter ihre Schlussvorträge halten.
Anschließend wird die Verhandlung für mehrere Wochen unterbrochen, weil es bei verschiedenen Verfahrensbeteiligten zu Terminkollissionen kommt. Fortgesetzt wird der Prozess am 17. Juni, dann werden die Verteidiger des Angeklagten plädieren. Die Urteilsverkündung ist für den 27. Juni angesetzt.