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Im Messerstecher-Prozess befindet das Gericht auf zwei Jahre Bewährung.
Schriesheim/Heddesheim/Mannheim, 25. April 2012. (red/cr) Zwei Jahre Haft auf Bewährung – so lautet das Urteil für einen lebensgefährlichen Messerstich, den ein Heddesheimer einem Schriesheimer „verpasst“ hat. Der Täter muss harte Bewährungsauflagen erfüllen.
Von Christian Ruser
Die Familie des Angeklagten hat sich im Sitzungssaal 2 eingefunden. Wie jedes Mal sind sie als moralische Unterstützung für den Angeklakten Patrick N. gekommen. Heute ist mit der Urteilsverkündung zu rechnen.
Patrick N. hatte einen anderen Menschen, Evren D., mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzt. Und dessen Tod in Kauf genommen.
Als Richterin Krenz mit den Beisitzerinnen und Schöffen erscheint, erheben sich alle im Saal. Patrick N. ist kurz vorher von einem Justizvollzugsbeamten in den Saal gebracht worden. Anders als an denVerhandlungstagen zuvor trägt er heute keine Handschellen.
Richterin Krenz schließt die Beweisaufnahme und gibt das Wort an Staatsanwalt Dresel. Dieser versucht in seinem Plädoyer den Tathergang nochmals zu rekonstruieren. Wie er hervorhebt, ist die Faktenlage äußerst schwierig. Viele Zeugen haben angegeben nichts zu wissen und die meisten Beteiligten nicht zu kennen.
Sicher ist nur, dass es zwei Gruppen gab. Die Heddesheimer und die Schriesheimer. Dabei waren nicht alle Mitglieder der Gruppen aus den jeweiligen Ortschaften. Auch gesichert ist, dass der Zeuge Björn M. den Zeugen Dani J. angerufen hat.
„Hilfstruppen“ und Bewährungsauflagen
Dieser organisierte eine „Hilfstruppe“ auf dem Hof der Strahlenberggrundschule. Auch die Stichverletzung des Geschädigten Evren D. ist Fakt. Die Täterschaft hatte Patrick N. eingeräumt. So muss darüber befunden werden, ob es sich um einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung handelt.
Der Staatsanwalt geht davon aus, dass die Auseinandersetzung von beiden Gruppen erwünscht und provoziert war. Ohne nachzudenken hatte Patrick N. zugestochen, nahm also den Tod von Evren D. in Kauf.
Dresel plädiert für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Zwei Jahre, die zur Bewährung ausgesetzt werden können, hält er für schuld- und tatangemessen.
Für eine Bewährung fordert er aber strenge Auflagen. Bis zu 1.000 Sozialstunden, ein Anti-Aggressionstraining, Bemühung um einen Arbeitsplatz, ein Besuchsverbot von Volksfesten, Drogentherapie und ein sechsmonatiges Alkoholverbot.
Verteidiger Dr. Neumann hat dem im Grunde nichts hinzuzufügen. Er hebt aber hervor, dass Patrick N. nur einmal zugestochen habe, obwohl er die Möglichkeit zu mehreren Stichen gehabt hatte. Hieraus leitet er ab, dass keine Tötungsabsicht bestand. Der Angeklagte schließt sich den Ausführungen seines Anwalts an.
Strafe auf Bewährung, aber mit Auflagen
Nach 45 Minuten Beratungszeit verkündet das Gericht das Urteil. Richterin Krenz folgt den Forderungen des Staatsanwalts und verurteilt Patrick N. zu zwei Jahren auf Bewährung und 3.000 Euro Schmerzensgeld. Mit dieser Bewährung sind strenge Auflagen verbunden.
Bis August hat er 200 Sozialstunden im Bauhof Heddesheim abzuleisten. Auch hat er sich um eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu kümmern und diese Bemühungen bei seinem Bewährungshelfer nachzuweisen.
Sechs Mal im Jahr hat er auf eigene Kosten ein Drogenscreening durchzuführen und die Ergebnisse zu melden. Außerdem muss er eine Drogentherapie beginnen. Auch soll er sich einem Anti-Aggressionstraining unterziehen.
Gewalt als „Event“
Wegen der Reifeverzögerung wird ihm ein Verbot auferlegt, Volksfeste zu besuchen. Zudem darf er außerhalb des Elternhauses keine Messer führen und zwischen Mitternacht und sechs Uhr darf er nicht ohne elterliche Begleitung unterwegs sein.
Den Vorfall in Schriesheim beschreibt Richterin Krenz mit „Gewalt als Event“. Dieses Phänomen kennt man aus der Fußballszene. ist aber in keinem Fall zu tolerieren.
In Schriesheim wusste keiner, „warum“ man sich schlug. Doch die Kosten solches sinnfreien Tuns zahlt die Allgemeinheit.
Es stimmt sie nachdenklich, dass die überwiegend jungen Zeugen oft die Frechheit besessen hatten, das Gericht zu belügen.
Glückliches Wiedersehen
Als Patrick N. den Gerichtssaal verlässt, wird er von seiner Familie umringt. Sie sind glücklich, ihn wieder in die Arme schließen zu können.
Es ist wichtig, dass man ihn erst mal wieder hat. Acht Monate sind schon eine lange Zeit. Das zerreißt einem das Herz.
Schwester Jessica hat ihren Bruder sichtlich vermisst. Das Urteil hält sie für gerechtfertigt und glaubt, dass die Untersuchungshaft ihrem Bruder eine gute Lehre war. Auch der Rest der Familie möchte in Zukunft Patricks Entwicklung wieder intensiver unterstützen.
Staatsanwalt Dresel betont, dass die Aussetzung der Strafe auf Bewährung nicht als „kleiner Freispruch“ gewertet werden darf. Dies zeige sich deutlich an den strengen Bewährungsauflagen.