Rhein-Neckar, 25. April 2015. (red) Nach verschiedenen Medienberichten haben heute Geschäftsführung und Trägerverein der Odenwaldschule bekannt gegeben, dass die Schule geschlossen wird. Seit Ende der 90-er Jahre war das frühere Vorzeigeinternat in die Kritik geraten, weil nach und nach über 130 Fälle sexuellen Missbrauchs durch Lehrkräfte an den schutzbefohlenen Schülern bekannt geworden waren. 1910 gegründet, erlangte die Odenwaldschule im hessischen Ober-Hambach (Heppenheim) ein erhebliches Renommee und ist 2015 am Ende.
Von Hardy Prothmann
Nein, es ist nicht schade um die Odenwaldschule. Wenn über Jahrzehnte hinweg Schüler sexuell missbraucht werden, kann der Ruf gut sein wie er will, dann braucht es klare und eindeutige Konsequenzen. Doch die gab es erst mit erheblicher Verzögerung.
Über 130 Missbrauchsfälle soll es seit den 60-er Jahren bis 1998 gegeben haben. Dach schon unter der Leitung der Gründer Paul und Edith Geheeb (Schulmotto: „Werde, der Du bist“) hat es nach im Archiv der Schule gefundenen Korrespondenzen Missbrauchsfälle an Mädchen und Jungen gegeben.
Bekannte Persönlichkeiten waren Schüler
Viele bekannte Persönlichkeiten sind in Ober-Hambach zur Schule gegangen: Der Grünenpolitiker Daniel Cohn-Bendit, Tilmann Jens, Sohn des „Rhetorikpabstes Walter Jens, Klaus Heinrich Thomas Mann, Sohn von Thomas Mann, Konstantin Neven DuMont, Sohn des Kölner Verlegers Alfred Neven DuMont, Wolfgang Porsche, Enkel von Ferdinand Porsche, Beate Uhse, die den weltweit ersten Sex-Shop gründete, Joachim Unseld, selbst Verleger und Sohn des Verlegers Siegfried Unseld, um nur einige aus einer langen Liste zu nennen.
Offene Liste – mindestens 132 Missbrauchsopfer
Erst 2010 widmete sich die Schule einer tatsächlich Aufarbeitung der Missbrauchsfälle . Die Juristinnen Claudia Burgsmüller und Brigitte Tilmann wurden mit der Untersuchung betraut. Im Dezember stellten sich fest: Mindestens 132 Schüler waren zwischen 1965 und 1998 durch Lehrer missbraucht worden – die Liste blieb unvollständig. Als einer der Haupttäter gilt Gerold Becker, Schulleiter in den 70-er und 80-er Jahren.
Die negativen Berichte über die Schule rissen in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr ab. Zunächst wurden Entschädigungen der Opfer abgelehnt, dann doch zugestimmt. Ehemalige Schüler kritisierten die Berichterstattung als zu einseitig, andere meinten, das sei noch längst nicht genug. (Eine sehr umfangreiche Darstellung finden Sie hier.)
Seit einiger Zeit nimmt die Schülerzahl ab, man sammelte Spenden – doch das hat nicht gereicht. Die Aufsichtsbehörden verlangten wohl einen Nachweis der Finanzierung über die kommenden zwei Jahre – was offenbar misslang. Offenbar fehlen Gelder in der Höhe von rund zwei Millionen Euro. Nun soll die Schule bis zum Schuljahresende abgewickelt werden.
Ende nach Neustart
Erst im Februar präsentierte die Schule eine neue Führung: Rainer Blase sollte ab dem kommenden Schuljahr Leiter werden, Internatsleiterin ist noch Sonya Mayoufi und Geschäftsführer Marcus Halfen-Kieper.
Der hessische Rundfunk zitiert Marcus Halfen-Kieper: „Die Schule steht, wo sie nun steht, durch eigene Fehler, durch die eigenen Strukturen, durch Wegsehen und Wegducken, durch eigenes Nichthandeln“, erklärte er. „Wir können und sollten weder den Medien noch den Aufsichtsbehörden oder der Politik und schon gar nicht den Opfern sexualisierter Gewalt an der Schule die Verantwortung für die Situation zuzuschieben versuchen.“ Auf der Homepage der Schule selbst gibt es noch keine Information der Schließung.
Rund 200 Schüler müssen nun auf anderen Schulen untergebracht werden. Da die Schule als integrierte Gesamtschule mehrere Abschlüsse anbietet, dürfte das für manche nicht so einfach sein.