Rhein-Neckar, 25. Oktober 2012. (red/xmu) Die Personalberater Rudolf Kast und Bernhard Rettler, beide Mitglieder im bundesweiten Demografischen Netzwerk, sind überzeugt davon, dass Menschen bis ins hohe Alter lernfähig sind. Im Rahmen des sechsten Demografiekongresses referierten sie über die Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens und darüber, warum der Austausch zwischen Generationen für Unternehmer von großem Vorteil sein kann.
Von Xiaolei Mu
Ist lebenslanges Lernen möglich? Rudolf Kast und Bernhard Rettler bejahen es nicht nur, sondern sehen eine absolute Notwendigkeit. Beide setzen dafür an dem Ort an, an dem die meisten Menschen einen großen Abschnitt ihres Lebens verbringen: Am Arbeitsplatz. Um ihre These zu stützen, berichtete Rudolf Kast von seiner Erfahrung mit Schulungen bei der SICK AG, für die er heute noch als Berater tätig ist.
Die Lerngeschwindigkeit ist bei jung und alt hoch, so lange es eng an den Arbeitsprozess gekoppelt ist. Das kann man in wissenschaftlichen Artikeln nachlesen, aber wir haben uns daran erfreut es an lebenden Menschen, an richtigen Projekten zu sehen.
Eines dieser Projekte war die Weiterbildung von angelernten und ungelernten Arbeitskräften eines Logistikzentrums. „Das waren Leute, die in die Lager geschickt wurden“, erzählte Rudolf Kast, „und in die Lager kamen die rein, die es sonst zu nichts bringen.“ Die KAST Personalmanufaktur verpasste daraufhin 68 angelernten oder ungelernten Arbeitskräften berufsqualifizierende Maßnahmen für Logistiker. Darunter fielen grundlegende Fremdsprachenkentnisse, aber auch-IT- Basis-Wissen. „Ohne diese Schulung“, so Rudolf Kast, „wären diese Arbeitkräfte nicht mal in der Lage, die wandelnden Anforderungen ihrer Tätigkeit zu erfüllen. Man denke an Englischkenntnisse, die für den Empfang von internationalen Kunden unerlässlich sind.“
Fluides und kristallines Wissen
Berhard Rettler, der Personalberater bei Hutchinson GmbH ist, stellte in seinem Vortragsteil das Konzept des fluiden und kristallinen Wissens vor. Dieses Konzept orientiert sich an dem Intelligenzmodell des Psychologen Raymond Cattel, der zwischen fluider und kristalliner Intelligenz unterschied. Unter fluider Intelligenz fallen Aspekte wie Auffassungsgabe und geistige Kapazität, die zum größten Teil angeboren sind und mit zunehmenden Alter schwächer werden. Die kristalline Intelligenz bildet sich erst im Laufe eines Lebens. Sie baut sich durch Bildung, das Erforschen der Umwelt und Erfahrung auf, ist also von der Biografie des Menschen abhängig.
Bernhard Rettler zieht aus diesem Modell den Schluss, dass in einem Unternehmen der Austausch zwischen Jung und Alt entscheidend sei. Seiner Meinung nach sind altersgemischte Arbeitsgruppen besonders effizient. Die Älteren profitieren von den frischen Kenntnissen der jüngeren Generation, besonders im Bereich Computer und IT. Weil für die ältere Generation diese Lerninhalte eng an den Arbeitsprozess gekoppelt sind, eignen sie sich so Fähigkeiten an, zu denen sie sonst einen schweren Zugang hätten. Umgekehrt kommt die jüngere Generation schnell an Wissen heran, welches sie sich sonst durch langjährige Erfahrung verdienen müssten. Bernhard Rettler hob besonders das implizite Wissen hervor und beschrieb es mit folgenden Worten:
Da ist dieser Angestellte, der seit 25 Jahren im Chemiekonzern dieselben Maschinen wartet und repariert. Er weiß genau, wenn er diese Maschine aufmacht, lockert er immer zuerst die Schraube, die weiter von der Öffnung entfernt ist. Dieses Wissen finden sie in keinem Handbuch, aber es ist wertvoll.
Bernhard Rettler schlug außerdem ein Mentorensystem vor. Diese Weiterbildungsmaßnahme soll ältere Arbeitskräfte dazu qualifizieren, ihr Erfahrungswerte effizient an jüngere Mitarbeiter weiterzugeben. Leider gäbe es in deutschen Betrieben besonders bei der Weiterbildung von über 50-jährigen erhebliche Mängel. Rudolf Kast zitierte eine Studie des Fraunhofer Instituts, die besagt, dass das aktuelle Angebot nur 23 Prozent des Bedarfs abdecken würde. Seine abschließenden Worte richteten sich dementsprechend an die Unternehmensführungen im ganzen Land:
„Wir sollen nicht den typischen Fehler der Deutschen machen, nur auf das kognitive Lernen zu gucken. Emotionales und soziales Lernen findet immer statt und lässt sich nicht messen. Daher lautet die goldene Regel: Es fängt bei der Führung an, die eine Lernatmosphäre erst möglich machen muss.“