Rhein-Neckar, 25. Juli 2018. (red) „Ankommen – Potentiale entwickeln und nutzen“ nennt der Rhein-Neckar-Kreis sein Integrationskonzept, das bei der vergangenen Kreistagssitzung am 17. Juli in Reichhartshausen einstimmig verabschiedet worden ist. Die Systematisierung von Konzepten und Erfahrungen ist ein sehr guter Schritt, um Synergien zu schöpfen und Integrationsaufgaben zu lösen.
Vor fast genau einem Jahr hat hier im benachbarten Lobbach unsere Integrationskonferenz stattgefunden. Sie bildete gewissermaßen den Startpunkt für die Konzeptentwicklung. Mit der Verabschiedung sind wir nun am Ziel,
sagte Landrat Stefan Dallinger in einer Pressezumeldung. Alle im Kreistag vertretenen Fraktionen bekennten sich damit überzeugend zu einem bunten, vielfältigen Rhein-Neckar-Kreis und alle politischen Kräfte wollten den Integrationsprozess der Neuzugewanderten aktiv mitgestalten.
Aus Sicht des RNB könnten wir jetzt einordnen: Was länge währt, wird endlich gut. Das ist auch unsere Kritik, die wir aber aus verschiedenen Perspektiven einnehmen. Wir hatten bereits am 13. Juli 2015 einen hintergründigen Text mit der Überschrift „Wir brauchen einen regionalen Flüchtlingsgipfel“ veröffentlicht, der wesentliche Elemente enthält, die nun umgesetzt worden sind und werden.
Drei Jahre sind eine lange Zeit und es wäre wünschenswert, dies schneller vorangebracht zu haben. Aber: Erstens ist es gut, dass es überhaupt angegangen worden ist und zweitens ging es für ein Landratsamt sehr flott und es wird entschieden vorangetrieben, weil man erkannt hat, dass dieses Integrationskonzept absolut relevant ist. Dass beim Landratsamt unser vor drei Jahren veröffentlichter Artikel sehr genau gelesen worden ist, freut natürlich.
„Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, meint Landrat Dallinger und das ist auf den Punkt gebracht. Das Konzept mit dem Titel „Ankommen – Potentiale entwickeln und nutzen“ richte sich deshalb an alle Einwohnerinnen und Einwohner des Rhein-Neckar-Kreises, seine Städte und Gemeinden sowie die ehren- und hauptamtlich Tätigen.
Sechs Handlungsfelder der Integrationsarbeit
- Wohnraummanagement
- Ausbildung und Arbeit
- Sprachförderung
- Kinder-, Jugend- und Familienbildung
- Gesundheit
- Gesellschaftliches Zusammenleben
Sehr gut ist, dass die Stabsstelle Integration organisatorisch direkt beim Landrat angesiedelt ist, das zeigt die Bedeutung auf.
Es war uns wichtig, die Anliegen und Bedarfe der vielen Personen, die im Rhein-Neckar-Kreis in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, mit zu berücksichtigen. Auch mit geflüchteten Menschen selbst haben wir uns ausgetauscht,
sagt Anne Kathrin Wenk laut Zumeldung, die die Stabsstelle seit Herbst 2016 leitet. Sieben Mitarbeiter hat die Stabsstelle, es gab zahlreiche Netzwerktreffen, Projektarbeiten und es gibt einen „ständigen Dialog“ – übersetzt: Reden, reden, reden und zwar miteinander. Anders geht es nicht.
Bei der Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises am 24. Juli 2017 konnten die über 260 Teilnehmenden in vier Workshops zu den Themen „räumlich ankommen“, „sprachlich ankommen“, „beruflich ankommen“ und „gesellschaftlich ankommen“, erstmals ihre Ideen und Vorschläge einbringen. Zur Vertiefung einzelner Themen wurde im Herbst 2017 schließlich eine Vielzahl an Interviews mit unterschiedlichen hauptamtlichen Expertinnen und Experten sowie mit Geflüchteten geführt.
Ganz wesentlich ist, dass nicht überall vor Ort von vorne angefangen wird oder man sich im Kreis dreht, sondern die Erfahrungen von Haupt- und Ehrenamtlichen gebündelt werden. Auf dieser Grundlage enstand der erste Konzeptentwurf, der im März 2018 dem Ausschuss für Soziales vorgestellt worden war. Danach bestand eine weitere Möglichkeit der Mitwirkung. Der Konzeptentwurf wurde den ehrenamtlichen Asylarbeitskreisen im Rhein-Neckar-Kreis, den kommunalen Flüchtlings- und Integrationsbeauftragten sowie den Mitgliedern des Runden Tisches Integration, der vom Landratsamt ausgerichtet wird, zur Verfügung gestellt. Sämtliche Rückmeldungen wurden geprüft und wenn möglich unmittelbar in das Konzept eingearbeitet. Weitere Vorschläge werden für zukünftige Konzeptversionen berücksichtigt, teilt das Landratsamt mit.
Integration als vielseitiger Prozess
„Aus den vielen Rückmeldungen und Diskussionen des Beteiligungsverfahrens konnte zudem herausgearbeitet werden, was wir im Rhein-Neckar-Kreis unter Integration verstehen. Integrationsarbeit wird demnach mehrheitlich damit verbunden, für alle Menschen gleiche Chancen zur Teilhabe an den relevanten Lebensbereichen zu schaffen. Dabei stehen nicht die Staatsangehörigkeit oder der Aufenthaltsstatus im Vordergrund. Es geht vielmehr um die individuelle Ausgangslage eines Menschen und die Frage, wohin er oder sie sich entwickelt“, beschreibt das Landratsamt den eigenen Anspruch und das klingt erstmal sehr gut.
Inhaltlich stehe das Integrationskonzept auf zwei Säulen. Im ersten Teil gehe es um Basiswissen in der Integrationsarbeit und die Ausgangslage im Rhein-Neckar-Kreis. Es werden Zahlen und Fakten zur Bevölkerung im Landkreis aufgeführt, es erfolgt eine Konkretisierung des Integrationsbegriffs und verschiedene Akteursgruppen werden dargestellt. Dieser Teil ist unter anderem für diejenigen interessant, die neu in der Flüchtlingshilfe im Rhein-Neckar-Kreis tätig sind – dazu zählen zum Beispiel die neu eingestellten Integrationsmanagerinnen und -manager.
Im zweiten Teil werde in die sechs in der Integrationsarbeit besonders relevanten Handlungsfelder eingeführt: Wohnraummanagement; Ausbildung und Arbeit; Sprachförderung; Kinder-, Jugend- und Familienbildung; Gesundheit; und Gesellschaftliches Zusammenleben. Neben der Formulierung von Zielsetzungen in den einzelnen Handlungsfeldern werden hier jeweils Maßnahmen aufgeführt, die zur Zielerreichung beitragen könnten. „Dabei sind die Maßnahmen zunächst in erster Linie am Handlungsspielraum des Landratsamts ausgerichtet“, sagt Anne Kathrin Wenk. „Die Handlungsfelder können jedoch ebenso als Orientierungsrahmen für die Integrationsarbeit in den 54 Städten und Gemeinden des Landkreises dienen. So werden die Kommunen bei Bedarf dabei unterstützt, eigene, lokale Konzepte zu entwickeln und Maßnahmen einzurichten.“
Sowas nennt man „atmend“ und das muss es auch sein, weil starre Konzepte überhaupt nicht funktionieren werden.
Fortschreibung als dynamisches Konzept
Mit der Verabschiedung des Integrationskonzepts sei die strategische Planung und Entwicklung der Integrationsarbeit im Rhein-Neckar-Kreis keinesfalls abgeschlossen, teilt das Landratsamt mit.
Aufgrund der hohen Dynamik, die sich in diesem Arbeitsfeld immer wieder zeige, werden auch in Zukunft Fortschreibungen notwendig sein. Ein Ziel sei es, auf Basis dieser ersten Konzeptversion den damit begonnenen Austausch der Akteurinnen und Akteure fortzuführen und zu intensivieren. Gut so – wenn man mit Verve dranbleibt und sich nicht zurücklehnt, denn das kann man sich auf Jahre nicht erlauben.
Zusätzlich sei geplant, für die einzelnen Handlungsfelder schrittweise ein Integrationsmonitoring einzuführen. Dies beinhaltet, dass zunehmend Daten und Erkenntnisse zur Integration erhoben werden, die Aufschlüsse über die Situation im Rhein-Neckar-Kreis zulassen. Auch hier muss der Kreistag dafür sorgen, dass es ausreichende Mittel gibt, denn eine Digitalisierung der Informationen wird zunächst nicht billig sein, sich unterm Strich aber rechnen, weil gesammeltes Wissen Fehler vermeiden hilft und erfolgreiche Erfahrungen abrufbar macht.
Derzeit werde das durch den Kreistag verabschiedete Integrationskonzept für die Drucklegung vorbereitet. Voraussichtlich Anfang August soll es als gedruckte Version veröffentlicht sein und dann auch digital unter www.rhein-neckar-kreis.de/integration zur Verfügung stehen. Wir schauen uns das für Sie an und werden es analysieren.