Mannheim/Rhein-Neckar, 25. Oktober 2016. (red/pro) Mustafa Baklan gilt aus Vorzeigeunternehmer. Er erzählt über sich die Geschichte eines türkischen Gastarbeitersohns, der einen Supermarkt für türkische Lebensmittel gründete, die Marken „BAK“ und „BAK TAT“ schuf und damit ein großes mittelständisches Unternehmen aufbaute. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel, die gerichtlich auch erstinstanzlich im Jahr 2015 vor dem Landgericht Mannheim bestätigt worden sind. Am 26. Oktober geht es in die zweite Instanz vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe – mit möglicherweise ernsten Folgen für das Unternehmen BAK Kardesler Lebensmittelhandelsgesellschaft GmbH, deren Markenkern „BAK TAT“ ist.
Von Hardy Prothmann
Mustafa Baklan ist ein Unternehmer wie aus dem Bilderbuch. Immer akkurat gekleidet. Freundlicher, zurückhaltender Auftritt. Überaus erfolgreich. Engagiert – über sein Unternehmen hinaus.
Und Mustafa Baklan ist das Gegenbeispiel dessen, was immer kolportiert wird – die Sprache ist nicht unbedingt der Schlüssel zur Integration. Zumindest nicht für ihn. Sein Deutsch ist bis heute schlecht und trotzdem ist er erfolgreich.
Die amerikanische Story ist die vom Tellerwäscher zum Millionär. Die türkisch-deutsche ist die vom Gemüseladen-Betreiber zum internationalen Unternehmer.
Doch diese Story hat einen Riss bekommen.
Wer ist der Gründer? Muharrem oder Mustafa?
Es ist der 09. Mai 1992. Ein tragischer Tag für S. Baklan und ihre noch minderjährigen Söhne Ö. Baklan, U. Baklan und I. Baklan. Der Ehemann und Vater Muharrem Baklan stirbt bei einem Autounfall.
Muharrem Baklan ist bis zu seinem plötzlichen Tod Inhaber eines Gewerbes. Er handelt mit Lebensmitteln. Als er sein Gewerbe einträgt, sind seine Brüder Halil und Mustafa noch bei anderen Arbeitgebern abhängig beschäftigt. Sie treten später in das Gewerbe ein. Nach außen als „Angestellte“, wie es das Landgericht Mannheim im „Tatbestand“ beschreibt (Urteil liegt uns vor).
Wann genau das Gewerbe gegründet wurde, ist unklar. „Mitte der 1980-er Jahre“. Klar ist – Muharrem ist der Gewerbeschein-Inhaber und nicht Mustafa. Es gibt noch zwei weitere Brüder, Ali und Kadir, die leben damals noch in der Türkei. 1991 erwirtschaftet die Firma von Muharrem Baklan bereits einen Umsatz von 13 Millionen DM.
Nur sechs Tage später, am 15. Mai 1992 – einen Tag nach der Beerdigung von Muharrem – unterschreibt die Witwe eine „Generalvollmacht“ für die Schwäger Mustafa, Halil und Ali. Nicht bei einem deutschen, sondern bei einem türkischen Notar. Später wird sich herausstellen, dass in Deutschland deutsches Recht gilt, wenn es um Personen, Rechte und Geschäfte in Deutschland geht.
Rund zwei Jahre später lässt Mustafa Baklan die Marken „BAK TAT“ und „BAK“ auf die BAK Kardesler Lebensmittelhandelsgesellschaft GmbH überschreiben. Die Firma entwickelt sich prächtig und ist heute eine der erfolgreichsten Großhandelsunternehmen für türkische Lebensmittel in Deutschland.
Präsent in rund 50 Ländern. Ein multinationaler „Konzern“ mit angeblich weit über 100 Millionen Euro Umsatz. Dieser ergibt sich in Summe möglicherweise durch weitere Tochterfirmen. Das Kernunternehmen erwirtschaftet rund 70 Millionen Umsatz. Die Belegschaftszahlen sind unklar – die Angaben reichen von 1.200 bis weit über 2.000 Mitarbeitern. Einige hundert sind dabei in Deutschland angestellt, die anderen in der Türkei und anderen Ländern.
Späte Klärung
Am 31. Januar 2014 meldet die Erbengemeinschaft des verstorbenen Muharrem Baklan, also die Witwe und drei Söhne, den Anspruch an den Marken „BAKTAT“ und „BAK“ an. Das Landgericht Mannheim schreibt:
… und verweigerten die Genehmigung der nach ihrer Auffassung aufgrund unwirksamer Vollmacht auch unwirksam erfolgten Übertragung der Markenrechte.
Dieses Schreiben dürfte eingeschlagen haben wie eine Bombe in der Unternehmenszentrale in Mannheim-Neckarau. Aber keine Scheiben klirrten. Weder Feuerwehr noch Polizei rückten aus. Beide Seiten versuchen bis heute, „den Ball flach zu halten“ – auch, wenn man sich offenbar spinnefeind ist. „Vergleichsversuche“ habe es gegeben, aber ohne jede Chance auf Erfolg.
Wäre es eine rein „familiäre“ Streiterei, bräuchte es die Öffentlichkeit nicht weiter zu interessieren. Es handelt sich aber um eine juristische Auseinandersetzung, in die ein Unternehmer verwickelt ist, der durchaus die Öffentlichkeit sucht.
Nicht im Jet-Set, nicht im Boulevard, sondern als hochseriöser Vorzeige-Unternehmer, der als Sinnbild für den türkischstämmigen Großmarkt-Malocher hin zum erfolgreichen Unternehmer und Arbeitgeber symbolisiert. Der Name „Mustafa Baklan“ ist keine eingetragene Marke – in der Region hat er aber einen markenverdächtigen Namen. Man hat Respekt vor diesem Mann und seiner Leistung.
Das Landgericht Mannheim hat diesen Mythos am 30. Juli 2015 durch Urteil zerstört. Inhaber der Marke „BAKTAT“ und „BAK“ ist nach Urteil des Landgerichts Muharrem Baklan und in der Erbfolge dessen Witwe und dessen Kinder. Damit ist der Mythos, den Mustafa Baklan gerne verbreiten will, gestorben. Nicht er, sondern der tote Bruder stand am Anfang.
Sieh hin und schmecke
Doch das Landgericht hat „salopp“ ausgedrückt, zwar das Markenrecht anerkannt, aber keine „zwingenden Konsequenzen“ daraus – sprich: Auskunfts- und Entschädigungsansprüche des erfolgreichen Unternehmers gegen die Erben des verstorbenen Bruders von Mustafa Baklan wollte man nicht erkennen.
Die Erbengemeinschaft war mit dieser Entscheidung nicht zufrieden. Deswegen gingen sie gegen das Urteil an und wollen vor dem Oberlandesgericht erreichen, dass ihre Feststellungsklage bestätigt wird. Sie wollen Bestätigung und Auskunft.
Beim Oberlandesgericht geht es also erneut um die Frage, wer die Marken „BAKTAT“ und „BAK“ besitzt. Das dürfte unstrittig sein. Die entscheidende Frage wird sein, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Sollte das Oberlandesgericht Karlsruhe entscheiden, dass die Erben das Recht auf Ansprüche haben, muss die Geschichte umgeschrieben werden. Dann ist Muharrem Baklan der Grundsteinleger eines der erfolgreichsten türkischen Unternehmens in Deutschland und nicht Mustafa Baklan. Dann hat die Erbengemeinschaft nicht nur Auskunftsansprüche, sondern kann auch Schadensersatz für die nicht berechtigte Markennutzung einklagen, sofern es keinen Vergleich gibt.
Erfolg und Ehre
Die unternehmerische Leistung von Mustafa Baklan muss man nicht zwangsläufig in Frage stellen – der Mann ist und bleibt ein Vorzeigeunternehmer, weil er seit über zwei Jahrzehnten das Unternehmen hervorragend weiterentwickelt hat. Nüchtern betrachtet, genügt ein Blick auf erfolgreiche Geschäftszahlen.
Der andere Blick gilt dem der Ehre. Dabei geht es ums Ansehen und die ist immer eine Frage der Abwägung, welche Bedeutung man ihr zumisst und möglicherweise auch eine Frage der Herkunft.
Dadurch, dass es überhaupt einen Prozess gab und keine außergerichtliche Einigung, kann vermutet werden, dass es um „familiäre“ Dinge mehr geht, als um geschäftliche.
Tragisch könnte sein, dass Mustafa Baklan wie auch die Erbengemeinschaft immer davon ausgingen, dass alles „korrekt“ gelaufen sei. Das stellte auch das Landgericht Mannheim fest – offenbar war beiden Seiten nicht klar, dass die Markenrechte nicht wirklich geklärt waren.
Tragisch ist, dass die Erben – aus welchem Grund auch immer – dann Zweifel angemeldet haben. Und tragisch könnte sein – für Mustafa Baklan -, dass er nicht gut beraten worden ist und seine zweifellose Leistung „über das Gesetz“ stellen will. Nach dem Motto: „Ich habe es nur gut gemeint.“
Möglicherweise fühlt sich Mustafa Baklan im Recht – immerhin haben Mitglieder der Erbengemeinschaft über lange Zeit im Familienbetrieb mitgearbeitet. Also Auskommen gehabt.
In Deutschland gilt deutsches Recht
Auffällig ist, dass es einen juristischen Streit darum gibt, ob die Vollmacht nach „türkischem“ oder „deutschem“ Recht erteilt wurde? Auffällig ist, dass offenbar türkische und deutsche „Sichtweisen“ durcheinander gehen. Tatsache ist, dass die „BAK Kardesler Lebensmittelhandelsgesellschaft GmbH“ ein deutsches Unternehmen ist – gegründet und geführt durch Türken.
Tatsache ist aber auch, dass die Anfänge in der Türkei lagen, dann nach Deutschland kamen und der „Integrationsprozess“ nun 30 Jahre später für Rechtsstreitigkeiten sorgt. Aus „familiären“ Gründen.
Unterm Strich ist es besonders tragisch, dass es keine „verbindliche“ Lösung der Auseinandersetzung gegeben hat. Muharrem Baklan hätte die Ehre verdient. Mustafa Baklan hätte sie für den Bruder bezahlen können.
Vor deutschen Gerichten geht es nicht mehr um Familienräte – das ist gut so. Es geht um rechtsstaatliche Entscheidungen. Beide Parteien haben vorgetragen und am Mittwoch wird der Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe verhandelt – vermutlich aber erst einige Wochen danach per Urteil entschieden.
Sollte das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Landgericht Mannheim folgen und den Markenbesitz bei der Erbengemeinschaft sehen, würde das Landgericht Mannheim bestätigt. Spannend wird sein, wie das OLG in Sachen Auskunft und Schadensersatz urteilen wird.
Marktbeherrschung
Sollte es positiv im Sinne der Kläger entscheiden, wird ein weiterer Prozess um die Höhe der Kosten anstehen. Das kostet Geld – für die „BAK“. Richtig tragisch würde es, wenn das Urteil voll zu Lasten des Unternehmers Mustafa Baklan gehen würde. Wenn die Erben die Marken beherrschen dürften, könnten sie Forderungen stellen, die bis hin zur Einstellung des Vertriebs aller Produkte um den Markennamen gehen könnten. Damit würde die Erbengemeinschaft das Unternehmen beherrschen – denn eine Marke, eine Erzählung tauscht man nicht von heute auf morgen aus. Dann würde die Sonne im Log von Baktat erstmal untergehen.
Doch darum wir es am Ende nicht gehen – also nicht ums Prinzip. Es wird um Geschäft gehen. Um Geld. Und auf was man sich einigt. Außer, die Ehre macht alles zunichte. Nach unseren Recherchen geht es um möglicherweise sehr hohen zweistelligen Millionenbetrag. Das ist eine Ansage. Das ist viel Geld.
„Baktat“ heißt etwas wie „Sieh hin und schmecke“. Wem was wie schmeckt, bleibt abzuwarten.
Erstaunlich ist auch, dass wir diese Story exklusiv bringen können. Wir kämpfen täglich mit dem „Mut zur Lücke“, weil wir als kleine Redaktion in der Masse viel weniger leisten können als andere – nicht aber bei der Qualität. Da leisten wir viel mehr als andere.
Andere Medien haben wohl weggeschaut, weil es – aus welchen Gründen auch immer – nicht schmeckt, wenn ein Vorzeige-Unternehmer, der auch werblich aktiv ist, nicht mehr der unumstrittene Held ist.
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