Mannheim/Rhein-Neckar, 25. März 2014. (red) Gegen die Polizei stehen schwere Vorwürfe im Raum: Angeblich habe diese am Samstag „grundlos“ auf Antifa-Demonstranten einer Spontan-Demo eingeschlagen und Pfefferspray eingesetzt. Unbestritten ist der Einsatz von Schlagstöcken und auch Pfefferspray. Von der Antifa werden „zahlreiche“ Verletzte mit „teils offenen Wunden“ behauptet. Über den Ablauf gibt es aber verschiedene Varianten. Zweifel sind angebracht.
Von Hardy Prothmann
Der Mannheimer Morgen berichtet in einem Artikel vom Montag:
Unabhängig davon meldete sich gestern zudem eine Leserin beim „MM“, die das Geschehen zufällig miterlebt hatte und sich über das Vorgehen der Einsatzkräfte schockiert zeigte. Die Polizisten hätten unmittelbar beim Eintreffen des Demonstrationszuges ohne erkennbaren Grund angefangen, auf „friedliche Demonstranten“ einzuschlagen. Das Pfefferspray sei dabei so massiv eingesetzt worden, dass selbst sie und ihr Mann in einiger Entfernung zum Geschehen hätten husten müssen. Ein junger Mann habe den Spray-Strahl direkt in die Augen bekommen und in der Folge ein völlig rotes Gesicht gehabt.
Was ist an solch einer Darstellung problematisch? Vieles. Auffällig ist das „zufällig miterlebt“ der angeblichen „Leserin“. Natürlich erlebt man etwas zufällig mit, wenn man nicht auf etwas vorbereitet ist. Die Betonung muss aufmerksam machen, weil eine Selbstverständlichkeit hervorgehoben wird. Warum ist das so?
„Unmittelbar nach Eintreffen“ muss ebenfalls aufmerksam machen. Woher weiß die „Zeugin“ das? Woher hat sie die Kenntnis, dass es „unmittelbar nach Eintreffen“ zu dem Vorfall kam? In Zusammenhang mit dem „zufällig“ wird das seltsam. Sie kann nicht wissen, ob die Demonstranten schon längere Zeit da waren oder nicht.
Kann eine „Leserin“ beurteilen, wie „massiv“ Pfefferspray eingesetzt wird? Wer mal einen massiven Pfeffersprayeinsatz erlebt hat, weiß, dass die Beamten dann Masken tragen, um sich selbst vor dem Nebel zu schützen. Wer die Pfeffersprühhandgeräte kennt, weiß, dass diese einen sehr direkten Strahl absetzen. Das Pfefferspray ist eine Verteidigungswaffe auf kurze Distanz von einigen Metern. Die nächste Distanz ist der Schlagstock. Beides tut mindestens weh und soll Aggressoren aufhalten. Wer aus einiger Distanz beobachten will und gleichzeitig selbst von Atemwegsreizungen berichtet, müsste schon genauere Angaben machen können. „Einiger Distanz“ – was heißt das? Zehn, zwanzig, dreißig, fünfzig Meter? Gehen wir mal von 20 Metern aus. Aus dieser Distanz muss man schon ein gutes Blickfeld haben, um absolut sicher sehen zu können, wohin ein Strahl trifft. Reizungen sind dann aber kaum wahrscheinlich. Nach den Fotos von Beobachternews gab es nur ein freies Blickfeld aus der Position des Fotografen – der Stand auf der Rasenanlage. Stand dort auch die „Leserin“ mit ihrem Mann? Würde sich eine normale „Leserin“ näher an eine gewalttätige Auseinandersetzung herantrauen? Eher nicht – jeder vernünftige Mensch würde Abstand suchen.
Insgesamt waren 30 Beamte im Einsatz, da Antifa-Demonstranten gegen einen NPD-Stand auf den Planken demonstrierten. Dazu stießen Antifa-Demonstranten, die zuvor in Sinsheim demonstriert hatten, insgesamt sollen das rund 50 linke Demonstranten gewesen sein, man war also der Polizei zahlenmäßig überlegen. Nach unseren Recherchen versuchte ein Teil den Polizeiführer einzukesseln und zu bedrängen. Dabei sollen Demonstranten mit Transparent-Stangen nach dem Mann geschlagen und gestochen haben. Daraufhin sei ein kurzer Einsatz erfolgt, um den Beamten aus der Situation „herauszuhauen“. Zwei Demonstranten wurden dabei fixiert und festgenommen.
Aktuell stehen Aussagen gegen Aussagen. Aus den Reihen der Antifa heißt es, man sei friedlich gewesen, die Polizei habe „grundlos“ angegriffen und es habe mehrere Verletzte gegeben. Von Seiten der Polizei wird von einer hohen Aggressivität berichtet und einem Bedrängen des Polizeiführers, der deeskalierend auf die Demonstranten einwirken wollte. Im Zuge des Selbstschutzes sei es zu einem Einsatz von Schlagstöcken gekommen, der allerdings nur „Sekunden“ gedauert habe und gezielt gegen die Aggressoren gerichtet gewesen sei.
Die Polizei prüft die Vorwürfe nun intern und sucht weitere Zeugen: „Das wird genau untersucht und wir nehmen solche Vorwürfe natürlich ernst“, sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle. Bislang habe aber keiner der „zahlreichen Verletzten“ Anzeige erstattet oder die Verletzungen dokumentiert. Es stünden nur Behauptungen im Raum, Belege gäbe es keine. Die von Beobachternews gezeigten Fotos kommentiert Herr Schätzle:
Die Fotos zeigen eine hohe Dynamik. Die ist auch unbestritten. Schlagstöcke und Pfefferspray wurden eingesetzt, nach unseren bisherigen Erkenntnissen aber der Situation angemessen.
Die entscheidende Frage ist, ob der Einsatz „angemessen“, sprich gerechtfertigt war. Wer „zahlreiche Verletzte“ behauptet, macht sich unglaubwürdig, sofern keine dieser Personen Anzeige gegen die Polizisten erstattet. Wer sich „schockiert“ zeigt, aber keine Zeugenaussage zu dem angeblich „nicht-gerechtfertigten“ und „brutalen“ Vorgehen der Polizei macht, ist ebenfalls unglaubwürdig. Die Schutzbehauptung, man wolle der Polizei dadurch nicht die eigenen Identitäten liefern, zieht nicht, denn die meisten Personen aus der Szene dürften der Polizei bekannt sein. Wer eine rechtsstaatliche Verfolgung von polizeilichem Fehlverhalten will, muss „Ross und Reiter“, also seinen Namen und seine Schilderung zu Protokoll geben. Dann kann die Staatsanwaltschaft ermitteln und den Fall gegebenenfalls vor Gericht bringen – allerdings mit offenem Ausgang. Das kann bedeuten, dass gegen Polizisten Anklage erhoben wird, aber ebenso gegen „friedliche Demonstranten“.