Mannheim/Rhein-Neckar, 24. Januar 2018. (red/pro) Nach Veranstalterangaben sollen heute 4.000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie auf dem Marktplatz Mannheim demonstriert haben. Nach unserer Schätzung waren es gut 2.000. Mehrere Demo-Züge zum Kundgebungsort sorgten für erhebliche Verkehrsbehinderungen. Die Gewerkschaft IG Metall fordert 6 Prozent mehr Lohn für die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten, die Arbeitgeber bieten 2 Prozent. In Böblingen begann am Mittag die vierte Verhandlungsrunde.
Die Arbeitgeber drehen die Taschen nach außen und behaupten, die seien leer, aber die Aktionäre freuen sich über steigende Kurse und fette Dividenden. Wir fordern eine Beteiligung am Erfolg,
sagte Hauptredner Jürgen Kerner vom IG Metall-Vorstand. Man gibt sich kämpferisch. Rund 910.000 Beschäftige bundesweit seien in den vergangenen zwei Wochen in Kurzstreiks von zwei bis drei Stunden getreten, in Baden-Württemberg sollen es 268.000 gewesen sein, allein heute 54.000, in Mannheim sollen sich nach Angaben der IG Metall Mannheim rund 10.000 Beschäftige in den vergangenen zwei Wochen an Warnstreiks beteiligt haben.
Vom Tor 1 der Daimler AG ging es über Hans-Martin-Schleyer-Straße, Akazienstraße, Untermühlaustraße, Waldhofstraße, Am Messplatz, Dammstraße, Kurpfalzbrücke, Kurpfalzkreisel und Breite Straße. Von Tor 2 der Caterpillar Energy Solutions GmbH über Carl-Benz-Straße und Waldhofstraße, wo sich die beiden Züge vereinigten. Beteiligt an dem Demonstrationszug aus dem Mannheimer Norden waren Beschäftigte von Daimler, EvoBus, Pepperl & Fuchs, IMI Bopp & Reuther, VAG Armaturen, Caterpillar Energy Solutions, ABB Automation, Walter Perske, WABCO Radbremsen oder Bombardier.
Aus dem Süden kam ein Zug von Tor 2 der John Deere GmbH & Co. KG über Lindenhofstraße, Emil-Heckel-Straße, Meerfeldstraße, Am Victoria-Turm, Überführung in Richtung Hauptbahnhof, L 13 / L 15, Bismarckstraße und Breite Straße. Am Demozug aus dem Süden nehmen nach Angaben der Gewerkschaft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von John Deere Mannheim, Siemens, Südkabel, Isodraht sowie beispielsweise von Bosch Rexroth aus Ketsch, SKF und ART aus Hockenheim, Eaton Technologies aus Altlußheim oder Pfaudler aus Schwetzingen teil.
Tatsächlich wirkt die Kundgebung arg inszeniert. Ein überschaubarer Pulk hat sich vor der Rednerbühne versammelt, ansonsten steht man eher in Grüppchen zusammen und die meisten hören nicht zu, sondern diskutieren miteinander und es werden Wurstbrötchen gefuttert.
Beide Seiten, Arbeitgeber und Gewerkschaften, geben sich hart. “Die Metallarbeitgeber sind enttäuscht darüber, dass sich die IG Metall in der 3. Verhandlung der Tarifgespräche für die Beschäftigten der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie bei den Themen Entgelt und Lohnzuschläge für Teilzeitbeschäftigte keinen Millimeter bewegt hat”, teilten die Arbeitgeber vergangene Woche mit.
Aufgrund des Fachkräftemangels sei eine Ausweitung befristeter Teilzeitmöglichkeiten aus Sicht der Arbeitgeber nur denkbar, wenn den Betrieben ein entsprechender Volumenausgleich zur Verfügung gestellt werde – beispielsweise über mehr individuelle Möglichkeiten für Beschäftigte, 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. „Mehr als die Hälfte unserer Betriebe sieht im Fachkräftemangel das größte Geschäftsrisiko. Knapp ein Viertel klagt über Produktionsbehinderungen, weil die Leute fehlen“, sagte Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall: „Da können wir doch nicht nur über einseitige Ansprüche, die Arbeitszeit zu reduzieren, diskutieren. Das haben wir der IG Metall in der Verhandlung noch einmal verdeutlicht. Außerdem wollen viele Beschäftigte in unseren Betrieben mehr verdienen und sind dafür bereit, auch länger zu arbeiten. Hier sollte die IG Metall ihre Bevormundung aufgeben.“
Die IG Metall hingegen kündigt an, dass es nicht bei Warnstreiks bleiben werde, sondern man bereit sei, in einen Arbeitskampf zu gehen. Die IG Metall fordert für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen von 6 Prozent für eine Laufzeit von 12 Monaten. Zudem will die IG Metall einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten durchsetzen.
Morgen werden die Tarifkommissionen sich mit dem Stand der heutigen Verhandlungen beschäftigen. Baden-Württemberg ist “am weitesten” fortgeschritten. Am Freitag wird sich der IG Metall-Vorstand positionieren. Dabei gibt es drei Szenarien: Das Ergebnis wird als verhandlungsfähig bewertet, oder nicht, dann würde man vermutlich mit 24-Stunden-Streiks den Druck erhöhen. Die Eskalation wäre dann ein Flächenstreik wie zuletzt 2002/2003 und davor 1984 zur Forderung der 35-Stunden-Woche.
Für die Kurzstreiks erhalten die Gewerkschaftsmitglieder einen Lohnabzug, aber kein Geld von der Gewerkschaft. Bei den 24-Stundenstreiks würde es ein Streikgeld geben, das rund 75 Prozent des entgangenen Lohns ausmacht, ebenso bei einem Flächenstreik.
Der Arbeitgeberverband Südwestmetall wollte auf Anfrage keine Auskunft erteilen, welche Schäden die Betriebe bislang hinnehmen mussten. Klar sei, dass die Betriebe diese dokumentieren, falls es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen würde.
Im Gespräch seien die Verhandlungsteilnehmer in Sachen Teilzeitansprüchen und einem nicht belasteten Arbeitszeitvolumen, ebenso zum Thema befristete Teilzeit. Über die 6 Prozent mehr Lohn und das Arbeitgeberangebot von 2 Prozent sei noch nicht intensiv verhandelt worden. Man sei, so der Arbeitgeberverband, an einer zügigen Lösung interessiert, je nach Ergebnis heute, könnten die Verhandlungen am Wochenende weitergehen.
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