Mannheim, 24. Oktober 2016. (red/cr) Die Multihalle ist ein Kulturdenkmal von großer architektonischer Bedeutung. Jedoch in schlechtem Zustand. Eine Sanierung würde mindestens 12 Millionen Euro kosten – Geld, das die Stadt nicht hat. Nun soll ein neu gegründeter Verein die Multihalle retten und Spenden sammeln. Gelingt das nicht innerhalb eines Jahres, kommt der Abriss.
Von Christin Rudolph
Es ist kalt und der Regen prasselt so laut auf das Dach, dass man bei der ohnehin schlechten Akustik kaum noch ein Wort versteht.
Es fühlt sich an wie im Campingurlaub, wenn es regnet.
Stephan Weber, Vizepräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, beschreibt die Atmosphäre treffend. Überall sind Stützhölzer angebracht, ein Gerüstturm ragt bis zur Decke auf.
Die Multihalle im Herzogenriedpark ist in einem wortwörtlich untragbaren Zustand. Seit fünf Jahren kann sie überhaupt nicht mehr genutzt werden.
Wir mussten erst prüfen, ob diese Pressekonferenz hier überhaupt stattfinden kann,
sagt Joachim Költzsch, Geschäftsführer der Stadtpark gGmbH. Zumindest diese kurze Nutzung ist offenbar zulässig, denn am Montag informierten die Stadt Mannheim und die Architektenkammer Baden-Württemberg in der Multihalle über ihre Pläne zum Erhalt der Multihalle.
Architektonische Meisterleistung
Herr Weber erklärte nochmals die große Bedeutung der Multihalle für Architekten und besonders für die Architektenkammer Baden-Württemberg:
Das Gebäude ist so wichtig für uns, dass wir helfen müssen.
Oberbürgermeister Dr. Kurz betonte ebenfalls die internationale Bedeutung der Multihalle. Tatsächlich ist sie eine herausragende architektonische Leistung des Pritzker-Preisträgers Frei Otto und wurde 1998 zum Kulturdenkmal ernannt.
Bis heute ist sie die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt.
Nicht für die Ewigkeit gemacht
Der Architekt Otto konstruierte die Multihalle allerdings als temporäres Bauwerk für die Bundesgartenschau 1975. Sie war dafür gedacht, einige Monate zu bestehen.
Nun, über 40 Jahre danach, steht sie immer noch. Jedoch nicht mehr besonders gut. Bereits 1999 wurden erste Verformungen im Holzgittertragwerk festgestellt. Seitdem wurden zahlreiche Sicherungsmaßnahmen ergriffen, zum Beispiel Wände abgestützt.
Im vergangenen Jahr wurde ein Sanierungskonzept vorgelegt. Das solle, so Herr Dr. Kurz, den Charakter erhalten und lediglich die temporäre Konstruktion in eine dauerhaft beständige überführen.
12 Millionen Euro plus X
Die Empfehlung des Gutachtens: Eine Generalsanierung. Für mindestens 11,6 Millionen Euro. 11,6 Millionen Euro, die die Stadt nicht hat.
Das Holzgittertragwerk muss ausgesteift, die Randträger erneuert, die Dachmembran ausgetauscht, die Betonteile instandgesetzt und die Entwässerung und der Feuchtigkeitsschutz verbessert werden. Also: Umfassende Maßnahmen.
Die kosten jedoch nicht höchstens, sondern mindestens 11,6 Millionen Euro. Denn bei der komplexen Konstruktion ist zum einen die Schadenslage nicht vollständig klar und zum anderen ist das Risiko sehr hoch, dass während der Arbeiten zusätzliche Kosten entstehen.
Wichtiger Faktor unklar
Hinzu kommt, dass die Sanierungskosten von der späteren Nutzung abhängen. Kosten für eine Heizungsanlage zum Beispiel seien laut Joachim Költzsch, Geschäftsführer der Stadtpark gGmbH, nicht mit eingerechnet. Denn aktuell gibt es keine Heizungsanlage in der Multihalle.
Wie die Nutzung nach einer Sanierung aussehen soll, ist jedoch noch schleierhaft. Offenbar gibt es noch keine konkreten Vorschläge. Herr Költzsch als Vertreter der Stadtparks kann sich zumindest eine Richtung vorstellen:
Man muss in Richtung Bewegung denken.
Denn beispielsweise bei einem Indoor-Spielplatz seien die Kinder zwar in Bewegung. Die Eltern allerdings würden in einer unbeheizten Halle schnell frieren. Und im Sommer gebe es keinen Bedarf, da wolle man schließlich draußen sein.
Wenn man die Halle für etwas Dynamisches wie Sport nutzen könnte, würde sich das auch in das Gesamtkonzept des Herzogenriedparks einfügen.
Ein Jahr Zeit zur “Rettung”
Die Stadt steckt in einem Dilemma: Zum einen betonen ihre Vertreter, wie wichtig es sei, dieses Stück architektonischen Erbe zu bewahren. Zum anderen ist kein Geld für eine Sanierung da. Und die mögliche Nutzung nach einer Sanierung ist noch völlig unklar.
Daher wird nun eine Art Kompromiss versucht. Im Juni hat der Gemeinderat beschlossen, dass eine Spendenkampagne gestartet werden soll.
Ist diese jedoch bis Ende 2017 nicht erfolgreich, bleibe nur der Abriss der Multihalle. Für den Abriss existiert ebenfalls noch kein Konzept.
Verein als Himmelfahrtskommando
Um die Zukunft der Multihalle als Thema verstärkt an die Öffentlichkeit zu tragen und Spenden zu sammeln, soll eine Kampagne gestartet werden.
Zuständig dafür ist der von Vertretern der Stadt und Architekten neu gegründeter Verein “Multihalle e.V.” .
Die Finanzierung kann nicht allein Aufgabe der Stadt Mannheim sein,
sagte Oberbürgermeister Dr. Kurz in diesem Zusammenhang. Der Verein verantwortet außerdem die Erarbeitung eines Nutzungskonzepts.
Alles hängt von der Nutzung ab
Um konkrete Ideen für die Nutzung der Multihalle zu sammeln, will die Architektenkammer Baden-Württemberg im kommenden Februar einen Workshop veranstalten.
Mit dessen Ergebnissen entscheidet sich offenbar die gesamte Zukunft der Multihalle. Denn ohne ein tragfähiges Nutzungskonzept wird eine Sanierung wahrscheinlich nur schwer zu finanzieren sein.
Wie Baubürgermeister Lothar Quast sagte:
Man kann die Menschen nur begeistern, wenn das Nutzungskonzept klar ist.
Ob innerhalb eines Jahres genug Spenden gesammelt werden können, bleibt abzuwarten. Oberbürgermeister Dr. Kurz sagte nüchtern, die Chancen stünden 50 zu 50.
Wie viel ist “Interesse” wert?
Andere Beteiligte zeigten sich zuversichtlicher. So sagte etwa Stadträtin Helen Heberer (SPD):
Wenn die Begeisterung trägt, die jetzt zu spüren ist, dann werden die Mittel kommen.
Diese “Begeisterung”, von der immer wieder gesprochen wurde, ist jedoch fragwürdig. Von mehreren Vertretern der Stadt und Herrn Weber wurde erklärt, das Interesse internationaler Fachleute und der entsprechenden Fachpresse sei hoch.
Wo diese Fachleute und ihr Interesse jedoch in den vergangenen Jahren waren, in denen die Halle immer mehr verfiel und schließlich gar nicht mehr genutzt werden konnte, wurde offen gelassen.
Ungewisse Zukunft
Die Stadt ist mit dem Konzept “auf der sicheren Seite”. Wenn der “Multihalle e.V.” scheitert und nicht genügend Spendenzusagen bekommt, kann man wenigstens sagen, man hat es versucht.
Kommt es wirklich zum Abriss des Gebäudes, wird niemand die Vertreter der Stadt als Architekturbanausen schimpfen können – denn man selbst hätte ja etwas dagegen machen und spenden können.