Ludwigshafen/Speyer/Kaiserslautern/Koblenz, 24. Oktober 2017. (red/pro) Aktualisiert. Am vergangenen Freitag wurde Kurt E. tot aufgefunden. Der ehemalige Leiter der Außenstelle des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz Speyer (LMB) soll Suizid verübt haben. Drei Tage zuvor war in der Tageszeitung “Die Rheinpfalz” ein Bericht erschienen, in dem der Behördenleiter namentlich genannt worden war und massive Anschuldigungen gegen den Mann veröffentlicht worden waren. Auf Nachfrage zum Informationsfluss hat sich die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern eindeutig positioniert. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal teilt mit, dass das Todesermittlungsverfahren abgeschlossen ist.
Von Hardy Prothmann
Hat Kurt E. seinem Leben ein Ende gesetzt, weil sein persönlicher, sein geschäftlicher und sein politischer Ruf durch Medienberichte zerstört waren? Sofern es keinen Abschiedsbrief mit entsprechendem Inhalt oder Zeugenaussagen gibt, kann diese naheliegende Frage nicht beantwortet werden.
Tatsächlich ist der zeitliche Zusammenhang frappierend. Am 17. Oktober erfolgt eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern in den Räumlichkeiten des LMB in Speyer. In der Folge veröffentlicht die Tageszeitung “Die Rheinpfalz” unter Nennung des Klarnamens einen Bericht zu Abrechnungsbetrug und Korruptionsvorwürfen. Andere Medien folgten.
Am 18. Oktober hatte sich Kurt E. als Kandidat für die hauptamtliche Position des Kreisbeigeordneten des Kreises Bad Dürkheim beworben. Er zieht die Kandidatur zurück. Am 19. Oktober gibt es ein Gespräch mit der Geschäftsführung des LMB in Koblenz, man einigt sich einvernehmlich darauf, dass Herr E. sein Amt in der Außenstelle Speyer ruhen lässt, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Am 20. Oktober werden die knapp 300 Mitarbeiter darüber informiert. An diesem Tag wird die Leiche des Kurt E. gefunden.
Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat nach eigenen Angaben zu der Durchsuchung keine aktive Pressearbeit betrieben, also keine Presseerklärung veröffentlicht. Anfragen von Journalisten seien einzeln beantwortet worden, da ein Auskunftsanspruch nach § 6 des Landesmediengesetzes für Rheinland-Pfalz bestand, teilt die Behörde mit.
Der Anlass der Anfragen sei die Durchsuchung beim LBM Speyer am 17. Oktober 2017, die den anfragenden Journalisten bekannt war.
Der Inhalt der Presseauskünfte sei jeweils im Wesentlichen folgender gewesen:
Die Durchsuchung beim LBM Speyer am 17.10.2017 war von der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern veranlasst und beruht auf einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern. Aufgrund einer Strafanzeige und erster Ermittlungen der Polizei ergab sich die Notwendigkeit, Beweismittel zu sichern, um den Anfangsverdacht des Betrugs durch falsche Angaben bei mehreren Reisekostenrechnungen seit 2012 gegen einen leitenden und einen weiteren Mitarbeiter des LBM überprüfen zu können, ferner den Verdacht der Korruption durch Verletzung von Ausschreibungsvorschriften bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen seit 2014 und durch Gewährung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in 2016 im Hinblick auf mögliche Vorteile gegen einen Mitarbeiter des LBM. Der Anfangsverdacht der Korruption besteht entsprechend bei dem Verantwortlichen der Firma, die die bezeichnete Sondernutzungserlaubnis bekommen hat.
Wir hatten den Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Udo Gehring dazu angefragt, weil wir nach unserer Erfahrung höchst erstaunt waren, dass die Staatsanwaltschaft ausweislich des Presseberichts in “Die Rheinpfalz” offensichtlich als ungewöhnlich auskunftsfreudig erschien.
Stufen der Verdachtsmomente
Nach der Darstellung von Dr. Gehring war sie das nicht, sondern hat im Wesentlichen eine Durchsuchung und deren Anlass bestätigt. Namensnennungen gab es keine und der Anfangsverdacht der Korruption richtig sich, anders als berichtet, nicht gegen einen “leitenden und einen weiteren Mitarbeiter” alleine, sondern auch einen “Verantwortlichen der Firma”.
Entscheidend ist die zweimalige Nennung “Anfangsverdacht”. Ein “Anfangsverdacht” ist etwas anderes als ein hinreichender Tatverdacht und nochmal etwas anderes als dringender Tatverdacht. Ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, stellt sich erst heraus, wenn die Ermittlungen aufgenommen und Beweismittel gesichtet wurden. Erst danach ergibt sich, ob ein “dringender Tatverdacht” vorliegt, die Behörden also davon ausgehen, dass die Beweismittel in einer späteren Hauptverhandlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, wird ein Ermittlungsverfahren meist eingestellt.
Herr Dr. Gehring verwahrt sich gegenüber der Frage, ob die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern entscheidende Informationen an die Zeitung weitergegeben hat:
Der von Ihnen zitierte Artikel in der Rheinpfalz nimmt auf Details einer Strafanzeige Bezug. Diese Strafanzeige bzw. entsprechende Informationen hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern der Presse nicht zur Verfügung gestellt. Die Strafanzeige wurde im März 2017 erstattet. Zunächst wurden Ermittlungen durchgeführt, die möglich waren, ohne den Zweck einer evtl. Durchsuchung zu gefährden. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen steht am Anfang, da die Unterlagen erst am 17.10.2017 sichergestellt wurden.
Die Ermittlungen stehen also erst am Anfang. Es gibt, wenn man die Verfahren kennt, konkrete Anhaltspunkte für strafbare Handlungen. Aber eben noch keine Sichtung von möglichen Beweisen, keine Bewertung und keine Entscheidung, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt oder gar ein dringender Tatverdacht.
Zur Frage, ob die Staatsanwaltschaft in der Sache weiterermittelt, wird so verfahren, wie wir das bereits berichtet haben:
Ermittlungen gegen Tote finden nicht statt. Das Verfahren gegen die anderen wird jedoch fortgeführt.
Ob es eine “Schuld” gab, wird also voraussichtlich nicht mehr öffentlich bekannt werden. Das ist eine schwere und unaufhebbare Belastung für den toten Kurt E. und auch dessen Familie. Darüber hinaus für den LMB.
Der Auftraggeber des Privatdetektivs sei der Staatsanwaltschaft inzwischen bekannt. Bei unnatürliche Todesfällen führe die zuständige Staatsanwaltschaft ein Todesermittlungsverfahren. Zuständig ist hier die Staatsanwaltschaft Frankenthal. Aktualisierung, 25. Oktober, 10:44 Uhr: Diese teilt mit, dass das Todesermittlungsverfahren abgeschlossen ist. Die Leiche wurde obduziert. Nach dem Ergebnis steht fest, dass es keine Fremdeinwirkung gegeben hat.
Nach unserer Meinung hat der Bericht von “Die Rheinpfalz” in journalistisch unethischer Weise eine massive Prangerwirkung erzeugt – ohne das ausreichende Gründe vorlagen, den konkreten Namen einer der Personen zu nennen, gegen die ermittelt worden ist. Das gilt aber auch für andere Medien, unter anderen den SWR. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, die Identität nicht auf diese brutale Art und Weise öffentlich zu machen. Dabei hätte man sich nur an die Angaben der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern halten müssen: “gegen einen leitenden und einen weiteren Mitarbeiter”.
Der deutsche Rechtsstaat basiert auf klaren Verfahren. Eine Ermittlung ist noch längst keine Verurteilung. Für eine Verurteilung braucht es eindeutige Beweise. Das Strafmaß legt ein Gericht nach Würdigung aller Umstände fest. Kurt E. war offensichtlich so unter Druck, dass er für sich die Höchststrafe gewählt hat, die in Deutschland abgeschafft ist. Seinen Tod.
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