
Warum nicht mal mit Bierdeckeln spielen, um fit zu bleiben?
Heidelberg/Rhein-Neckar, 24. Mai 2013. (red/zef) Gerade im Breitensport sind die Herausforderungen für Übungsleiter hoch: Die vielen ehrenamtlichen Trainer in Breitensportvereinen finden selten die optimale Ausstattung vor. Damit sie trotzdem ein spannendes, altersgerechtes Training anbieten können, finden während des Turnfestes im Rahmen der Turnfestakademie täglich mehr als zwanzig Fortbildungen statt, um sie darauf vorzubereiten. Wir waren bei zwei parallel stattfindenden Workshops vor Ort, deren Zielgruppen nicht unterschiedlicher sein könnten.
Von Ziad-Emanuel Farag
Wer nun trockene Theorie erwartet, hat weit gefehlt: Die Übungsleiter müssen hier selber schwitzen, indem sie die Übungen selbst machen. So ist gewährleistet, dass das Kursprogramm nicht nur theoretisch und abstrakt an ihnen vorbei zieht, sondern bleibende Eindrücke hinterlässt.
Zeitgleich um 16:45 starteten gestern im Heidelberger Stützpunkt Nord in der Halle „München“ und Halle „Essen“ zwei Workshops der Turnakademie: „Witzige Alltagsmaterialien – alternative Spielgeräte“ sowie „Würfel & Co. Mit Zahlen Körper und Geist bewegen“. Im ersten Workshop geht es darum, die Bewegungsschulung für Kleinkinder im Alter von drei bis sechs Jahren zu erlernen. Der zweite Workshop hingegen zeigt den Übungsleitern, wie man ältere Menschen darin unterstützen kann, ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu erhalten oder zu verbessern.
„Die Alltagsmaterialien wie Bierdeckel, Schwämme oder Ballons ermöglichen Trainern im Breitsport ein kostengünstiges, abwechslunsgreiches Training,
so Kursleiterin Andrea Röther über den Kurs „Witzige Alltagsmaterialien“ in der Halle „Essen“. Die erste Übung besteht nun darin, dass sich die Kursteilnehmer in zwei Gruppen aufteilen. Bierdeckel, die auf der einen Seite bunt und auf der anderen weiß sind, werden in der Halle verteilt. Sobald gleich viele bunte und weiße Bierdeckel in der Halle ausliegen, beginnt für die beiden Gruppen das Wettrennen. Eine Gruppe hat das Ziel, alle bunten Bierdeckel auf die weiße Seite umzudrehen. Die andere Gruppe möchte genau das Gegenteil erreichen.
Ausfallschritt, Tempowechsel, Audauer
In der Halle herrscht sofort hektisches Treiben. Mit so einfachen Materialen können Übungsleiter aus der Not eine Tugend machen: Gewichtsverlagerungen, Ausfallschritte, Tempowechsel, Richtungswechsel und Ausdauer: Hier schulen die Kinder spielerisch Grundelemente, die für viele Sportarten wie Handball oder Fußball wichtig sind – und haben Spaß dabei – wie ihre Trainer jetzt gerade. Anstatt starre Schrittfolgen oder stumpf Linien die Halle rauf und herunterzurennen, üben sie bei diesem Spiel alles ein und schulen zudem ihre Auffassungsgabe.
Danach teilen sich die Teilnehmer in drei Gruppen auf, die separat ihren Übungen nachgehen. Die Aufgabe besteht nun darin, dass zwei aus einer Gruppe gleichzeitig ein bestimmtes Körperteil auf einem Bierdeckel einer bestimmten Farbe platzieren müssen, ohne sich zu berühren – wie man es aus Twister kennt.
Hier zeigt sich schnell, dass alle Mukelgruppen in diesem statischen Training stark beansprucht werden. Auch hier denken die Teilnehmer nicht über vermeintlich schreckliche Dehnübungen nach, die auf sie zukommen, sondern machen sie einfach situativ.
Auch die dritte Einheit mit den Bierdeckeln verlangt vom Bewegungsapparat alles ab. Zwei Gruppen müssen gleichzeitig ihren Pfad über die Bierdeckel einer Farbe finden. Die Bierdeckel aller Farben haben die Teilnehmer vorher zufällig verteilt. Beide Gruppen müssen also auf die andere Seite des Parcours gelangen, ohne einander zu berühren und dürfen zum Beispiel nur auf die Bierdeckel mit der Farbe Rot treten. Neben der Koordination und visuellen Wahrnehmung schulen diese Übungen die Stabilität des Bewegungsapparates.
„Ältere Menschen, die fit sind, sollen fit bleiben – körperlich und geistig“
In der Halle „München“ will der Kurs „Würfel & Co. mit Zahlen Körper und Geist bewegen“. Hierbei gilt es „einen Spagat zu meistern“, wie Seminarleiterin Bettina Jasper erläutert:
Ältere Menschen, die fit sind, sollen fit bleiben. Leute, die altersbedingte Schwächen entwickeln, sollen diesen Prozess durch diese Übungen stoppen,
Deshalb weichen auch die Übungen voneinander ab. In der ersten Übung, erwürfeln die Teilnehmer mit überdimensionalen Würfeln eine Zahl. Die entsprechende Zahl stellen sie dann als Uhrzeit auf einem Zifferblatt mit den Armen dar. Dies geschieht paarweise und währenddessen sollen sich die Senioren erzählen, was sie zu dieser Uhrzeit zu tun pflegen. Kommunikation, geistiges Abstraktionsvermögen und die Auffassungsgabe stehen hier im Vordergrund.
Sowohl körperlich als auch geistig anstrengend wird es bei der nächsten Übung: In der ganzen Halle werden Kärtchen mit Nummern verteilt. Aus den neunzehn Teilnehmern werden sechs Teams gebildet, die mit einem kleinen Spielewürfel ausgestattet werden. Das Ziel ist: Als erste Gruppe eine Summe zu erwürfeln, die größer ist als 130. Jedoch dürfen die Gruppen erst dann weiter würfeln, wenn sie ihre aktuelle Zahl gefunden haben: Ist zum Beispiel die erste Zahl eine Drei, muss die gesamte Gruppe zu dieser Zahl laufen, bis sie weiter würfeln darf. Ist die zweite Zahl eine fünf, muss die gesamte Gruppe zur Karte mit der Zahl acht in der Halle laufen.
Die Rentner müssen hier zusammenarbeiten, indem sie sich absprechen. Dazu kommt, dass hier jeder automatisch in dem Tempo über eine längere Zeit geht oder rennt, dass er eben rennen kann. Das schult sehr die Ausdauer,
erklärt Frau Jasper Sinn und Zweck der Übung.

Maiglöckchen, Maiglöckchen! „Hallihallo, Hallihallo“ In der ganzen Halle hört man den Namen der Teams, die hinten links und rechts ihre nächste Zahl gefunden haben.
Außerdem sind hier noch zwei Dinge gefragt: Sie müssen rechnen und ihr Gedächtnis benutzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen, indem sie sich ungefähr merken, wo welche Zahlen liegen, um sie dann schneller zu finden. Die Gruppen haben jedenfalls sichtlich Spaß. Sobald ein Teilnehmer die passende Zahl gefunden hat, schallt der Teamname wie zum Beispiel „Maiglöckchen“ durch die Halle. Dies macht die anderen Teamtmitglieder darauf aufmerksam, dass sie nun zu dieser Stelle kommen müssen.
Erstaunlich, was Übungsleiter mit einfachen Mitteln für Menschen aller Altersgruppen im Breitensport bewegen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die die Übungsleiter mit großer Freude solche spannenden Fortbildungen wie beim Deutschen Turnfest besuchen und mit vollem Elan mitmachen.