Mannheim, 24. April 2014. (red) Seit dem 1. April 2014 hat der Mannheimer Morgen einen neuen Lokalchef: Dirk Lübke. Das Datum ist kein Scherz und Herr Lübke macht ernst. Er bringt als Außenseiter ein wenig Fahrt in die verstaubte Zeitung – den Start darf man getrost als Aktionismus in Richtung Rechtsaußen bezeichnen. Die Zeitung bleibt also ihrem Ansatz zur pauschalen Kriminalisierung von Ausländern unter dem neuen Lokalchef treu. Mit verantwortlichem Journalismus hat das nichts zu tun – eher mit billiger Meinungsmache.
Von Hardy Prothmann
Sehr geehrter Herr Dirk Lübke,
wir kennen uns nicht und ob wir uns mal kennenlernen, spielt auch keine Rolle. Ich habe mir natürlich angeschaut, wie Sie sich als neue Kraft von außen beim MM so einbringen (hier ein Bericht des Stern, der dokumentiert, dass Sie gerne auch mal der NPD 35 Zeilen für eine „umfassende Berichterstattung“ geben), welche Ideen Sie mitbringen und wie die umgesetzt werden. Ich kann das nur von „außen“ beurteilen, wie jeder Leser der Zeitung Mannheimer Morgen. Im Internet kann man lesen:
Ganz frisch in Mannheim angekommen betrachtet Dirk Lübke den laufenden Wahlkampf zur Kommunalwahl aus einer besonderen Perspektive. Die Notizen des neuen Leiters der Mannheimer Lokalredaktion zur Wahl des Gemeinderats lesen Sie auf dieser Seite – und Sie sind herzlich eingeladen, die Ansichten zu kommentieren und mit ihm an dieser Stelle online zu diskutieren.

Scheinheilige Fragen vom neuen MM-Lokalchef Dirk Lübke. Quelle: MM
Natürlich kann ich mir ungefähr vorstellen, was Sie so intern so machen, bin ja auch schon lange im Geschäft. Darum geht es aber gar nicht. Es geht um’s Produkt, um die tägliche Zeitung und das, was Sie als „Information“ für die Leser zu verantworten haben.
Dirks Taschenspieler-Journalismus
Dazu schreiben Sie „Lübkes Notizen“ – so, als hätte Mannheim schon immer drauf gewartet, dass der Dirk das aufschreibt, was er so denkt. So frisch in Monnem angekommen und ohne jede Ahnung von der Stadt. Das tut der Dirk Lübke aber gar nicht – also sich Ahnung verschaffen. Sie „teasern“ an – das heißt, Sie versuchen „Debatten“ zu provozieren, die immer „gehen“ – die Angst vor dem Fremden geht immer. „TTT“, Tiere, Titten, Tote, die Erfolgsformel der Bild, auch.
Geschenkt – die Taschenspielertricks kennt jeder im „Gewerbe“. Sie wollen aber sowas wie „Hauptstadt“-Journalismus machen. Auch geschenkt (ist aber auch ein bisschen eitel, gelle). Alle reden darüber, was Lübke so notiziert – nur leider tut das irgendwie keiner. Stimmt nicht. Vier Notizen – ein Kommentar. Immerhin. Null Facebook-Likes. Herr Lübke, Sie haben noch viel Arbeit vor sich (übrigens auch, was den Umgang mit Twitter angeht).
Sie wollen eine Debatte, Sie wollen Beteiligung. Ich mag mich beteiligen. Aktuell zu dieser Notiz:
Was darf, was muss ein Politiker ansprechen?
Der Mannheimer CDU-Spitzenkandidat Carsten Südmersen wägte die Worte genau vor einigen Tagen im „MM“-Verlagshaus, denn das Thema weckt sofort Emotionen. Dann sagte der Diplomkaufmann die Sätze „Man wird sofort in die falsche Ecke gestellt, wenn man über Zuwanderung spricht. Aber bei einem Teil der Kriminalität spielt das eine Rolle, etwa bei den Einbrüchen, wo viele Täter aus armen Ländern kommen.“ Ist das so? Darf ein Politiker das sagen? Muss ein Politiker das sagen? Woher stammen die Erkenntnisse? Was davon ist billiger Kommunalwahlkampf, was ernsthafte Sorge um die Sicherheit in unserer Stadt? Sagen Sie uns Ihre Meinung zu einem Thema, bei dem die Balance zwischen Fairness, Faktentreue, Populismus oder Diskriminierung zu suchen ist. Was denken Sie?
Ich denke, das ist grundsätzliche eine zulässige Frage: Was darf, was muss ein Politiker ansprechen?
Sie machen das „handfest“ und zitieren den CDU-Spitzenkandidaten, der seine Worte „wägt“, weil er nicht in die „falsche Ecke“ gestellt werden will, „wenn man von Zuwanderung spricht“. Welche „falsche Ecke“ ist gemeint? Die eines Dummschwätzers oder die eines fremdenfeindlichen Aufwieglers?
Dirk provoziert gerne – mit rechten Themen
Sie, Herr Lübke, würde ich an dieser Stelle gerne fragen, was Sie eigentlich so den lieben langen Tag lang machen? Nun, Sie stellen gute, journalistische Fragen:
Ist das so? Darf ein Politiker das sagen? Muss ein Politiker das sagen? Woher stammen die Erkenntnisse? Was davon ist billiger Kommunalwahlkampf, was ernsthafte Sorge um die Sicherheit in unserer Stadt?
Das Problem, dass ich mit Ihnen habe, Herr Lübke, ist, dass Sie diese Fragen kennen und stellen, sie aber nicht beantworten. Sondern eine billige Debatte führen wollen. Auf dem Rücken von Ausländern. Und – ich unterstelle Ihnen jetzt mal, dass Sie wenigstens ansatzweise recherchiert haben – in vollem Bewusstsein, dass es sich um billigen, rechtspopulistischen Wahlkampf handelt, den Sie weitertreiben. Als Lokalchef des MM.
Ganz übertrieben formuliert muss ich mich fragen, ob Sie sich auch nur im Ansatz unter dem Wort Verantwortung oder sogar Anstand etwas vorstellen können? Denn dann würden Sie nicht scheinheilig um eine Debatte bitten, sondern knallhart als Journalist die Öffentlichkeit darüber informieren, dass dieser CDU-Politiker mit der allseits bewährten Angst vor dem Fremden einen billigen und widerwärtigen Wahlkampf betreibt.
Debattenbeitrag von Prothmann – exklusiv für Lübke
Sollen Ihnen die Leser jetzt die Fakten zusammentragen, Herr Lübke? Ich mache das mal für Sie.
Südmersen: Man wird sofort in die falsche Ecke gestellt, wenn man über Zuwanderung spricht.
Ist das so? Das kommt darauf an, wie man über Zuwanderung spricht. Wenn man zum Beispiel Zuwanderer aus fremden Ländern ausschließlich kriminalisiert, dann wird man in die fremdenfeindliche Ecke gestellt. Wieso ist die falsch, wenn man sich aus Überzeugung dafür entscheidet? Ah, weil man natürlich nicht „fremdenfeindlich“ sein will, aber trotzdem sagen muss, was zu sagen ist? Also eigentlich für Zuwanderung ist, aber nicht die von Kriminellen, aber leider feststellen muss, dass, wenn man über Zuwanderung spricht, auch über Kriminelle sprechen muss?
Südmersen: Aber bei einem Teil der Kriminalität spielt das eine Rolle, etwa bei den Einbrüchen, wo viele Täter aus armen Ländern kommen.
Herr Lübke, Sie fragen: Ist das so? Woher stammen die Erkenntnisse? Was davon ist billiger Kommunalwahlkampf, was ernsthafte Sorge um die Sicherheit in unserer Stadt? Wenn Sie recherchiert hätten, dann wüssten Sie das, was die Polizei weiß: 6 Prozent Aufklärungsquote in Heidelberg, 13 in Mannheim im Bereich Einbrüche. Teils hat man Banden ermittelt, die aus dem Ausland kommen, teils Einbrecher, die in der Nachbarschaft leben. Aber ganz überwiegend weiß man man in Mannheim zu 87 Prozent nicht, wer die Einbrecher sind und in Heidelberg sogar zu 94 Prozent. Und da fragen Sie, ob das „billiger Kommunalwahlkampf“ ist? Die entscheidende Frage ist wohl, wo bei Ihnen „billig“ anfängt? Bei unter einem Prozent?
Anschläge auf Ausländer hatten wir schon mal
Wenn Sie regelmäßig das Rheinneckarblog.de lesen würden, beispielsweise das Interview mit dem kommissarischen Kripo-Chef Siegfried Kollmar und wenn Sie sich mal die Statistiken der Kriminalstatistik anschauen würden und wenn Sie sonst noch das machen würden, was Journalisten so tun sollten, nämlich recherchieren, dann würden Sie nicht so kreuzdämliche Fragen an die Leser stellen.
Herr Lübke, ganz im Ernst: Sie halten Ihre Leser/innen für komplett bescheuert. Sie befeuern fremdenfeindliche Einstellungen durch die Wiedergabe von billigstem Rechtspopulismus. Sie sind vorsätzlich daran beteiligt, Vorurteile zu schüren, anstatt anständig zu informieren.
Das ist widerwärtig. Und ganz ehrlich Herr Lübke? Wenn Sie dann fertig sind und Ihr Notizbuch vollgekritzelt haben, weint Ihnen in Mannheim sicher keiner eine Träne nach, wenn Sie das Weite suchen. Ausweislich Ihrer „Karriere“ wechseln Sie ja häufiger die Stellen.
Und was die Sicherheit in der Stadt angeht, Herr Lübke – Sie tragen dazu gar nichts bei. Wenn Sie so weitermachen, muss man Sorge vor dem ersten Anschlag auf Ausländer haben. Denken Sie mal drüber nach, ob Sie und Ihre Zeitung dafür die Verantwortung übernehmen wollen. Gehen Sie mal ins Archiv – das hatten wir schon mal in Mannheim.
Und wenn es dann wieder soweit ist – fragen Sie dann: Wie konnte es soweit kommen? Wer ist dafür verantwortlich? Wie geht die Politik damit um? Und stellen Sie das dann zur Debatte, Herr Lübke? Als Notiz?
Oder anders gefragt: Wen sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?