Mannheim/Berlin, 24. Dezember 2013. (red) Der Deutsche Presserat hat dem Mannheimer Morgen eine deutliche Missbilligung ausgesprochen. Der Grund: Am 14. September 2013 erschien eine „Buga-Sonderbeilage“, die nicht eindeutig als Werbung erkennbar war. Das könnte zu einer Irreführung der Leser/innen geführt haben. Heikel – denn acht Tage später wurde per Bürgerentscheid über das Buga-Projekt entschieden.
Von Hardy Prothmann
Das Urteil ist eindeutig:
Der Beschwerdeausschuss hält den Verstoß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex für so schwerwiegend, dass er gemaß § 12 Beschwerdeordnung die Maßnahme der Missbilligung wählt. Der Ausschuss wählt diese Maßnahme, da es gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Bürgerentscheid für die Bundesgartenschau notwendig gewesen wäre, dass die Zeitung die Werbung für den Leser auch entsprechend kenntlich macht. Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht zwar keine Pflicht, Missbilligungen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung.
Der Mannheimer Morgen hat sich nach unserer Kenntnis für die unfaire Berichterstattung entschieden.
Wir haben alle Ausgaben seit 03. Dezember 2013 über die Suchfunktion nach den Schlagworten Presserat, Missbilligung, Stadtmarketing und Richtlinie durchsucht. Presserat und Missbilligung tauchen gar nicht auf, Richtlinie mehrere Dutzend Mal, meist in Zusammenhang mit der EU.
„Stadtmarketing“ deshalb, weil die vierseitige Beilage zur Buga eine Werbemaßnahme des Stadtmarketings war. In der Verantwortung, Werbung und redaktionelle Inhalte klar zu trennen, steht allerdings die Zeitung. Und gegen diesen Verstoß richtet sich die deutliche Missbilligung des Deutschen Presserats, dem Organ zur Selbstkontrolle der Printmedien, bei dem fast alle Tageszeitungen Mitglied sind (Anm. d. Red.: Unser Angebot seit kurzem ebenfalls).
Die Chefredaktion des Mannheimer Morgen rechtfertigte, dass die Sonderveröffentlichung „bereits durch ihre optische Gestaltung hinreichend von den redaktionellen Seiten abgegrenzt“ sei. Der Durchschnittsleser habe die Seiten als werbliche Publikation „klar erkennen“ können. Die Zeitung verweist dabei vor allem auf die „farbliche Gestaltung“. Es sei Grün statt dem üblichen Blau der Zeitung verwendet worden. Es fehlten „Spaltenlinien“ und der „komplette Kopf der redaktionellen Seiten“.
Der Deutsche Presserat sieht das anders:
Wie die Zeitung in ihrer Stellungahme einräumt, handelt es sich bei der Veröffentlichung um eine Anzeige. Diese ist für den Leser jedoch nicht eindeutig als solche zu identifizieren.
Weder die grafische Abweichung noch das Wort „Sonderveröffentlichung“ seien eindeutig genug:
Es wäre daher notwendig gewesen, die Werbung als „Anzeige“ oder „Anzeigen- bzw. Werbesonderveröffentlichung“ zu kennzeichnen. (…) Der Trennungsgrundsatz wurder daher verletzt.
In der heute erschienenen Weihnachtsbeilage ist der Kopf „rot“, nicht blau. Auch andere Anzeigen werden mit „blau“ gekennzeichnet. Die „Stellungnahme“ der Chefredaktion ist also mehr als halbseiden. Zudem werden Fotos von dpa und hauseigenen Pressefotografen in der Beilage gezeigt. Der „Durchschnittsleser“ konnte also nicht genau unterscheiden, ob er hier eine unabhängige redaktionelle Berichterstattung vorliegen hat oder eine Anzeige mit werblichem Charakter.
Gegner der Buga, die ebenfalls auf die Missbilligung aufmerksam geworden sind, berechnen einen vermutlichen Anzeigenpreis von rund 70.000 Euro. Der Verlag wollte sich dazu nicht äußern.
70.000 Euro sind viel Geld – genug, um eine Täuschung der Leser/innen bewusst oder unbewusst in Kauf zu nehmen?
Drei Tage nach der Anzeigenveröffentlichung erschien in der Zeitung auf der vierten Seite des Lokalteils (S. 20) eine sehr kleine „Anzeige“ – die zwar diesmal richtig gekennzeichnet war, aber im Text wiederum nur von „Sonderveröffentlichung“ und „Auftrag“ spricht. Das Eingestehen eines „Fehlers“? Eine Entschuldigung der Zeitung gegenüber den Leser/innen? Die eindeutige Übernahme der redaktionellen Verantwortung? Oder ein empfohlener Abdruck der Missbilligung als „Ausdruck fairer Berichterstattung“? Vier Mal FehlAnzeige.
Man darf auch gespannt sein, wie der Deutsche Presserat über eine Beschwerde zu einem Kommentar des Lokalredakteurs Peter W. Ragge entscheidet. Der kommentierte nach der Festnahme des mutmaßlichen Mörders der litauischen Studentin Gabriele Z. im Oktober:
An der Uni ist die Erleichterung besonders groß, dass der Täter nicht aus den Reihen der Studenten kommt. Dass es aber eine Verbindung zu den vielen Bulgaren im Jungbusch gibt, wird eine Diskussion auslösen, die unvermeidlich ist.
Unvermeidlich? Oder klar diskriminierend? Der Mannheimer Morgen verspielt mit nicht eindeutig als Werbung gekennzeichneten Anzeigen und fremdenfeindlichen Kommentaren die wichtigste Währung von Medien: Vertrauen in eine ordentliche und zutreffende redaktionelle Berichterstattung.
Anm. d. Red.: Der Fall der Werbeanzeige hat nach unseren Recherchen größere Ausmaße. Dazu sind allerdings noch umfangreiche Recherchen notwendig, die durch die Feiertage und die Zeit „zwischen den Jahren“ erst Anfang Januar möglich sind. Wir werden vermutlich ab der 2. Januarwoche weiter in der Sache berichten.