
Pressekonferenz nach herausragendem Ermittlungserfolg: (von links) Polizeisprecher Martin Boll, Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann, Polizeioberrat Ralf Krämer, Erster Kriminalhauptkommissar Reiner Lang.
Mannheim/Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 24. Oktober 2013. (red) Die Mannheimer Polizei hat eine internationale Drogenbande dingfest gemacht. Über 150 Kilogramm Amphetamine, ein Kilo Kokain, mehrere Kilo Cannabis-Rauschmittel sowie fünf scharfe Pistolen und 50.000 Euro Bargeld sowie acht hochwertige Fahrzeuge – das ist die Liste der „Beute“, die die Polizei gemacht hat. Gegen 70 Personen wird zur Zeit ermittelt, 24 Tatverdächtige wurden vorläufig festgenommen, gegen elf erging Haftbefehl. Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist das ein beachtlicher Erfolg.
Von Hardy Prothmann
In der nächsten Zeit werden bundesweit nicht mehr so viele Partys „auf Pille“ gefeiert werden können. 154,2 Kilogramm Amphetamin wurden sichergestellt – allein diese Menge hat einen Marktwert von mindestens 1,5 Millionen Euro. Aber auch für rund 1,5 Millionen „Trips“. Wie viele „Kunden“ letztlich mit den synthetischen Drogen beliefert worden sind? Das kann man nur schätzen – einige zehntausende mit Sicherheit. Mindestens eine Lieferung von mehreren dutzend Kilo nach Berlin ist gesichert – vermutlich hat die Bande das Rauschgift bundesweit von Mannheim aus verteilt. In Ludwigshafen entdeckten die Ermittler zwei „Depotwohnungen“, in denen auch „Drogenküchen“ zur Herstellung des Amphetamins eingerichtet waren. Ein überdimensionaler „Schneebesen“ und große Bottiche wurden eingesetzt, um die Ausgangsmaterialien zu vermischen.
Zahlreiche Festnahmen und Durchsuchungen
Die Polizei hat den „Kopf der Bande“, eine Gruppe aus einem 48-jährigen Türken, zwei 39 und 49 Jahre alte Deutsche sowie einem Griechen geschnappt. Gegen sieben weitere Personen, darunter zwei Niederländer, die tief in die „Geschäfte“ verstrickt sind, wurden weitere Haftbefehle erlassen. Zum Ende der Ermittlungen sei dafür das „komplette Rauschgiftdezernant beschäftigt gewesen“, wie die Polizei auf meine Nachfrage mitteilte. 6-10 Ermittler waren an dem Fall dran.
In mehreren Wellen griff die Polizei zu. Am 07. Oktober wurde unter anderen der 48-jährige türkische Geschäftsmann verhaftet – sowie Kurierfahrer und weitere Bandenmitglieder. Über Stunden observierte die Polizei die Kuriere, dokumentierte Fahrzeugbewegungen und als die Übergabe stattfinden sollte, schlug man in einem Parkhaus zu und verhaftete die Drogenschmuggler. In einem nahe gelegenen Café nahm die Polizei den Geschäftsmann fest. Bei der Übergabe sollten vier Taschen mit rund 75 Kilogramm Amphetamin den Besitzer wechseln.
Zeitweise sind gut 100 Beamte der Kriminal- und Schutzpolizei im Einsatz. Bis zum 15. Oktober durchsucht die Polizei über 70 Wohnungen und Geschäftsräume. Dabei werden auch fünf scharfe Waffen sichergestellt – darunter zwei mit Schalldämpfern. Ob mit diesen Waffen geschossen worden ist, wird noch untersucht. Widerstand leistete niemand der Verhafteten – wohl auch, weil die Polizei entsprechend vorging. Eine der Waffen mit Schalldämpfer lag durchgeladen unter dem Bett eines der Verdächtigen.
Erdrückende Beweislage
Über zwei Jahre dauerten die Ermittlungen, bis die Polizei sich entschlossen hat, die Tatverdächtigen zu verhaften. Die Beweislage ist nun erdrückend und die Tatverdächtigen müssen mit Haftstrafen zwischen fünf bis fünfzehn Jahren rechnen, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann auf der heutigen Pressekonferenz.
Die Ermittelungen laufen weiter – es könnten also noch weitere Verhaftungen folgen. „Die Nervosität bleibt hoch“, sagte Erster Kriminalhauptkommissar Reiner Lange vom Rauschgiftdezernat. Im Umfeld der verhafteten mutmaßlichen Straftäter war jedenfalls „viel Bewegung“ erkennbar. Auch in den Niederlanden wird mit Hochdruck gegen die Rauschgiftmafia ermittelt:
Sicher sind die jetzt gewarnt – aber die machen mit Sicherheit weiter.
Das gilt auch für die Ermittlungsarbeit. Mindestens einer der in Untersuchungshaft sitzenden Männer war im „Immobilienbereich“ tätig, wie Herr Lange auf Nachfrage bestätigte. Wurde so das Drogengeld „gewaschen“? Hier liegt noch viel Arbeit vor den Ermittlern, um den Verbleib des Schwarzgelds zu ermitteln. Zum türkischen Geschäftsmann wollte die Polizei auf Nachfrage keine näheren Angaben machen, „da dieser sonst identifizert werden könnte“. Vom äußeren Erscheinungsbild seien die mutmaßlichen Täter „keine typischen Familienväter, aber auch nicht sonderlich auffällig“.
Voller Erfolg – aber die Party geht weiter
Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Schlag gegen die Drogenkriminalität ein voller Erfolg – man brauchte ein „bisschen Glück“, um den richtigen Zeitpunkt – also einen „Deal“ von erheblichem Ausmaß – zu erwischen, aber natürlich auch eine peinlich genaue Vorbereitung. Das ist gelungen. Zum Vergleich: In Deutschland wurde im vergangenen Jahr bundesweit rund 1,2 Tonnen sicher gestellt. Rechnet man zu den jetzt beschlagnahmten 150 Kilogramm noch rund 80 Kilogramm hinzu, die aus den Grundstoffen gewonnern werden sollten, ist man bei mindestens 230 Kilogramm, also rund einem Sechstel der Menge aus 2012. Das Rekordjahr war bislang 2011 mit rund 1,4 Tonnen sichergestelltem Amphetamin. „Ob das nun zehn Prozent oder mehr oder weniger vom „Markt“ sind, wissen wir aber nicht. Hier kann man nur Vermutungen anstellen“, sagt der Leiter des Dezernats 2, Kriminaloberrat Ralf Krämer. „Wir kennen nur die Sicherstellungsmenge.“
Konsumenten seien typischerweise jüngere Menschen zwischen 18 und 30 Jahren – die „Partyszene“. „Die Drogen werden häufig im Zuge einer Gruppendynamik konsumiert – alle machen es und man hält länger durch, wenn man die Nächte durchmacht“, sagt Herr Krämer.
Neben der Illegalität bringen synthetische Drogen noch andere Probleme mit sich. Da das Ausgangsmaterial immer verschnitten wird, wissen Konsumenten nicht, was sie schlucken. Neben der Suchtproblematik steigt die Gefahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Konsumenten der „leistungssteigernden“ Drogen müssen damit rechnen, Psychosen zu entwicklen, die oftmals nur durch langjährige Therapien „in den Griff“ bekommen werden. Klar nachweisbar sind massive gesundheitliche bei längerem Konsum – gefährlich bleibt bereits der „erste Versuch“.