Mannheim, 25. Juni 2014. (red/ld) Eine mutmaßliche Drogenbande steht seit Dienstag wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vor dem Mannheimer Landgericht: 11 Angeklagte, die von 24 Rechtsanwälten verteidigt werden. Was sich sperrig anhört, ist tatsächlich so. Das Gericht kam nicht einmal zur Aufnahme der Personalien.
Von Lydia Dartsch
Die Fußfesseln der Angeklagten hört man schon lange, bevor sie aus dem Zellentrakt im Keller in den Verhandlungssaal geführt werden. Dem Hauptangeklagten, der der Drahtzieher der Bande sein soll, sind zudem die Hände gefesselt. Er wird von zwei Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Polizei (BFE) zu seinem Platz geführt und dort bewacht. Im Saal sollen zudem rund 30 Beamte von Justiz, Polizei und BFE das Verfahren. Vor dem Gerichtssaal stehen Polizisten mit Maschinenpistole. Prozessbeobachter müssen vor dem Betreten ihre Taschen ausleeren und den Inhalt untersuchen lassen. Es folgt eine Leibesvisitation. Erst danach dürfen sie den Gerichtssaal betreten. Auch einige Freunde und Familienangehörige der Angeklagten sind gekommen.
Unter diesen Sicherheitsvorkehrungen begann am Vormittag der Prozess gegen elf Angeklagte einer mutmaßlichen Drogenbande, die im vergangenen Oktober festgenommen worden waren. Sie sollen zwischen 2011 und 2013 im Raum Mannheim und Berlin mit Amphetamin, Ecstasy, Kokain, Haschisch und Marihuana in großem Umfang gehandelt und die Grundstoffe dafür in die Niederlande geschmuggelt haben. Im Oktober seien bei Durchsuchungen des Schmuggelfahrzeuges sowie von zwei Wohnungen in Ludwigshafen rund 1 Kilogramm Kokain, rund 1,9 Kilogramm Haschisch, fast 140 Kilogramm Amphetamingemisch sowie rund 8,5 Kilogramm Amphetaminbase sichergestellt worden.
Fußfesseln der Angeklagten bremsen Verfahren
Doch bis zur Verlesung der Anklage kam es gar nicht erst. Nicht einmal zur Aufnahme der Personalien der Angeklagten. Denn eben die von Richter Michael Seidling angeordneten Sicherheitsmaßnahmen sorgten bei der Verteidigung für Unmut: Zuerst beanstandete ein Verteidiger des Hauptangeklagten die Fesselung und Bewachung seines Mandanten. Diese Vorgehensweise sei mit dem Justizministerium abgestimmt worden, beantwortete Richter Seidling die Frage.
Wegen der Fußfesseln eines weiteren Angeklagten stellte ein weiterer Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen Richter Seidling. Seine Begründung: Ein solcher Eingriff in die Bewegungsfreiheit und damit in die Grundrechte seines Mandanten bedürfe eines konkreten Tatsachengrundes. Die Vielzahl der Angeklagten sei in der Anordnung aber als einziger Grund genannt. Zudem werde sein Mandant durch das Tragen der Fußfessel für objektive Beobachter als „schuldig“ stigmatisiert. Dadurch könne der Eindruck entstehen, der Vorsitzende Richter sei voreingenommen. Ein weiterer Verteidiger beantragte zudem, das Verfahren gegen einen der Angeklagten abzutrennen, damit der Grund für die Fußfesseln nicht mehr gegeben sei. Zudem beanstandeten einige Verteidiger, dass ihre Mandanten zwar eine CD mit Akten, aber nicht das Passwort erhalten hätten, mit denen sie die Daten hätten einsehen können. Einem Angeklagten sei diese CD nicht ausgehändigt, sondern zu dessen persönlichen Gegenständen gelegt worden.
Verteidiger lehnt Richter Seidling ab
Gut 15 Minuten dauerte der Prozess, bevor Richter Seidling ihn für 30 Minuten unterbrach, um die Anträge zu beraten. Doch erst gut eineinhalb Stunden später ging es weiter: Die Anträge würden zurückgestellt, verkündete der Richter und wollte schon fortsetzen, als die nächsten Anträge der Verteidigung wegen der Fußfesseln ihrer Mandanten hereinbrachen.
Weil der Prozess voraussichtlich mehrere Monate dauert (bis Dezember) und die Männer während des gesamten Verfahrens und während ihres Transports von der jeweiligen Justizvollzugsanstalt (JVA) zum Landgericht und zurück die Fußfesseln tragen müssten, stelle die Anordnung des Richters einen zu hohen Eingriff in deren Bewegungsfreiheit und damit deren Grundrechte dar: „Mein Mandant kann seine Sitzposition nicht verändern und wird dadurch daran behindert, dem Prozessverlauf zu folgen“, sagte der Verteidiger des Hauptangeklagten. Es müsse schon ein Tatsachengrund vorliegen. Fluchtgefahr reiche dafür nicht. Diesem Antrag schlossen sich die anderen Verteidiger an. Auf den Antrag eines Verteidigers, sich mit seinem Mandanten zu besprechen, wurde die Sitzung erneut unterbrochen.
Gemessen an deren Beginn, verspricht diese Verhandlung zäh zu werden. Insgesamt 56 Verhandlungstage wurden angesetzt. Der letzte Termin ist für den 19. Dezember geplant. Der morgige Verhandlungstag wurde aber schon ausgesetzt. „Jetzt muss über den Befangenheitsantrag entscheiden“, sagte Dr. Joachim Bock, Pressesprecher des Landgerichts auf Anfrage. Am kommenden Freitag, 27. Juni, soll es weitergehen – mit der Feststellung der Personalien und mit der Verlesung der Anklage.