Mannheim/Rhein-Neckar, 24. Mai 2014. (red) Im Vergleich mit allen Parteien bekommt die Alternative für Deutschland (AfD) die größte Aufmerksamkeit – zumindest, was die Kritik angeht. Die AfD sei rechtspopulistisch, ausländer- und europafeindlich, heißt es. Die Vorwürfe sind nicht aus der Luft gegriffen – insbesondere Parteichef Bernhard Lucke provoziert gerne, aber auch der lokale Spitzenkandidat Eberhard Will gibt sich angriffslustig und zuspitzend. Er redet von “Schutz der Eingeborenen” – sieht sich aber falsch zitiert. Uns wirft er vor, wir würden nur “Tertiärliteratur” lesen, statt uns an Fakten zu halten. Die Kriminalitätsstatistik sei geschönt, die Altparteien stecken mit den Medien unter einer Decke. Herr Will hat uns in der Redaktion besucht – wir veröffentlichen das Gespräch bis auf leichte Redigierarbeiten in der geführten Form, damit sich unsere Leser/innen selbst ein Bild machen können.
Interview: Hardy Prothmann
Die AfD hat für einige Kontroverse gesorgt. Ihr Leitsatz ist: „Tabuthemen offen ansprechen“. Was meinen sie damit?
Eberhard Will: Es gibt eine Reihe von Themen, die mehr oder minder allen unter den Nägeln brennen. Die Politik fasst sie aber nur mit Vorsicht an. Oft gibt es da auch sonderliche Sprachregelungen und Korrektheiten an die sich alle halten wollen und schließlich führt das dazu, dass die Leute sagen: „Ich habe kein Vertrauen mehr in deutsche Politiker.“
Ist Überfremdungsfurcht ein Tabu-Thema?
Als ein Tabu benennen Sie zum Beispiel die „Überfremdungsfurcht“. Wieso ist das ein Tabu? Es wird doch drüber geredet…
Will: Aber wie viele Leute würden sich dazu in der Öffentlichkeit bekennen? Im Dezember 2012 hat der damalige SPD-Bundestagspräsident darüber geklagt, er würde sich in seinem Berliner Kiez nicht mehr wohlfühlen, weil da so viele Schwaben zugezogen wären, die alles überfremden würden. Eine Weile lang haben dann viele Leute in Leserbriefen das Wort „Schwabe“ durch „Türke“ ersetzt. Da wird ein völlig nachvollziehbares, menschliches Empfinden ausgedrückt. Das kann man niemanden vorwerfen und da macht es auch keinen Sinn, jemanden deswegen als fremdenfeindlich denunzieren zu wollen.
Das finde ich jetzt interessant: Sind Schwaben und Türken eigentlich dasselbe?
Will: Ich habe hier Bezug genommen auf ein Interview, dass der damalige Bundestagspräsident gegeben hat. Er hat sich kritisch zum Verhältnis von Urberlinern zu zugezogenen Schwaben geäußert. Viele Leserbriefe wollten zeigen, dass er sich womöglich nicht getraut hätte, sich in gleicher Weise über das Verhältnis von Urberlinern zu Türken zu äußern. Etwas anderes habe ich nicht gesagt.
Demografischer Prozess und Zuwanderung
Aber bleiben wir dabei. Wir sprechen ja gerade über Tabuthemen. Empfinden die Urberliner ein Unbehagen gegenüber süddeutschen Schwaben, das diese sie in ihrer traditionellen Lebensart gefährden?
Will: Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe dort zwar zwölf Jahre lang gelebt, aber über das generelle Berliner Befinden weiß ich nichts. Ich zitierte Wolfgang Thierse. Wie alle anderen das empfinden, weiß ich nicht.
Wissen Sie, dass ab 2025 laut Prognosen durch den demografischen Prozess etwa 15 Prozent der notwendigen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen werden? Wie soll man das ausgleichen?
Will: Solche Prognosen sind sehr unsicher. Da müsste man ja auch den Arbeitsmarkt voraussagen können und das kann niemand über diesen Zeitraum. Wir können aber etwas über die Demographie sagen: Wir haben ein erhebliches Geburtendefizit. Und das wird natürlich Auswirkungen haben auf verschiedene Wirtschaftsbereiche. Deswegen vertreten wir den Ansatz, dass Politik pronatal, also geburtenfördernd sein muss.
Aber so schnell, wie man sie braucht, kann man die Kinder ja gar nicht bekommen. Das heißt, wir brauchen die Zuzüge.
Will: Das ist Beschlusslage der AfD. Wir benötigen Zuzug, aber der muss qualifiziert sein. Also Menschen, die von ihrem Potenzial her in der Lage sind, zusammen diese komplizierte Maschine eines hochentwickelten Landes am Laufen zu erhalten. Nur so kann der Wohlstand aller Menschen, die hier leben, gesichert werden.
Und wie macht man das?
Will: Indem man sich an den Staaten orientiert, die bislang erfolgreicher in Sachen Einwanderungspolitik sind. Also zum Beispiel an Kanada. (Anm. d. Red.: Siehe Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema)
Kann man das wirklich so losgelöst betrachten, was die kanadische Einwanderungspolitik betrifft oder muss man dann nicht insgesamt das kanadische System betrachten? Oder soll Deutschland Kanada werden?
Will: Nein. Wer stellt denn solche unsinnigen Forderungen?
Das kanadische System besteht ja nicht nur aus Einwanderungspolitik…
Will: Lassen Sie uns doch bitte über das reden, was wir tatsächlich fordern. Und das ist eine gezielte Einwanderungspolitik angelehnt an das kanadische Modell. Wenn sie mal in ihrer Erinnerung kramen: Es gab einmal die Süssmuth-Kommission. Da wurde fast genau das gefordert, was wir heute fordern. Nur SPD, CDU und FDP haben das dann verhindert. Es ist also nicht, dass es etwas vollkommen Neues oder Seltsames ist.
“Nicht-regulierte” Masseneinwanderung – wo findet die statt?
Sie sprechen von „nicht-regulierter Masseneinwanderung“. Was soll das sein?
Will: Nicht-regulierter Masseneinwanderung ist das, was wir haben, wenn wir keine regulierte Einwanderung haben.
Seit dem 01. Januar gab es zum Beispiel Änderungen in den Beschäftigungsbedingungen von Bulgaren und Rumänen. Manche haben da befürchtet, dass diese Menschen jetzt massenhaft hierher kommen. Das tun sie aber gar nicht.
Will: Wenn Sie sich die Geschichte der Einwanderung nach Deutschland seit den 60-er Jahren angucken, werden Sie feststellen, dass sie zu der heutigen Quote und der heutigen Situation geführt. Und in der gesamten Geschichte wird immer das gleiche Argument genannt: Es handle sich ja nur um kleine Zahlen und um geringfügige Veränderungen. Die würden sich in ihren Auswirkungen nicht bemerkbar machen. Aber auf Dauer tut es das eben doch.
In den 60-er und 70-er Jahren kamen insbesondere Gastarbeiter aus der Türkei, aber natürlich auch aus anderen Staaten nach Deutschland. Wir waren auf sie angewiesen. Vielleicht haben sich manche gedacht, dass die auch wieder gehen.
Aber heute sind sie Teil unserer Gesellschaft und sie oder ihre Nachkommen zahlen Steuern und tragen zur Wirtschaft bei. Was ist daran denn auszusetzen? Ist es wirklich ein Problem, dass es da keine Regulierungen gibt? Reguliert es sich nicht gewissermaßen selbst?
Will: Wir behaupten doch gar nicht, dass das schlimm ist. Ich finde es auch etwas seltsam, dass sie hier so tun als sei Zuwanderung das Hauptthema der AfD.
Es ist der zweite Punkt in ihrem Wahlprogramm. Der erste ist Überfremdungsfurcht.
Will: Das sind Beispiele für Tabus. Sie ziehen hier einen Punkt raus als wäre das der Dreh- und Angelpunkt von allem.
Wir sind ja erst am Anfang. Das ist ja nicht der einzige Aspekt, über den ich reden will.
Will: Dann bin ich gespannt, was da noch kommt.
Schulen ohne richtiges Deutsch?
Was hat den Zuwanderung mit Europa- und vor allem Kommunalpolitik zu tun? Kommunal regeln Sie da nämlich nichts, dafür ist nationale Gesetzgebung notwendig.
Will: Wir wollen kritisieren, dass hier so getan wird, als gäbe es kein Problem und man könne so weiter machen, wie bisher. Das halten wir für falsch. Natürlich gibt es keine Regelungskompetenz auf kommunaler Ebene. Aber auch auf kommunaler Ebene gibt es die Notwendigkeit, den Tatsachen ins Auge zu gucken. Es ist eine Tatsache, dass es hier in Mannheim Schulen gibt, auf denen man nicht richtig Deutsch lernen kann.
Welche Schulen sind das zum Beispiel?
Will: Ich werde hier jetzt natürlich keine Namen nennen.
Sie wollen doch Tabus ansprechen…
Will: Ja. Aber ich will hier niemanden anprangern. Es geht um die Tatsache als solche. Darüber muss gesprochen werden. Gerade werden die Tatsachen auf nicht-öffentlicher Ebene besprochen. Jetzt müssen wir zuerst sehen, dass wir die Tatsachen an die Öffentlichkeit bringen. Wenn man jemanden direkt anprangert, hätten die Einrichtungen ja gar nicht die Möglichkeit, selbst etwas zu verändern. Ich werde ihnen auf keinen Fall den Gefallen tun, irgendwelche Namen zu nennen.
Das finde ich enttäuschend.
Will: Ich bin ganz sicher, dass alle Betroffenen wissen, an wen sie da zu denken haben. Es ist nicht meine Aufgabe, hier jemanden anzuprangern.
Ich finde es dennoch enttäuschend, wenn man hier keine Nägel mit Köpfen macht und seine „Tatsachen“ nicht an Beispielen belegen kann. In ihrem Wahlprogramm findet sich auch der Punkt Sicherheit und Sauberkeit. Auf einem ihrer Wahlplakate heißt es: „Der Dreck muss weg.“ Ist damit nur Verschmutzung gemeint?
Will: So ist es.
“Dreck” ist kein strittiges Thema
In Großstädten kommt es schon mal gelegentlich zu unschönen Sachen. Finden Sie Mannheim generell dreckig?
Will: Die Parteien sagen zum Abfall fast alle das Gleiche. Insofern ist das also scheinbar kein besonders strittiges Thema. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir eine kommunale Abfallabgabe fordern. Darüber hat aber niemand geschrieben.
Sind solche Vorschriften überhaupt umsetzen?
Will: Das geht über die Ortssatzung hinaus. Aber es gab schon solche Regelungen auf kommunaler Ebene, die dann allerdings als verfassungswidrig erklärt wurden. Aber wenn von den Gemeinden kein Druck kommt, warum sollte dann der Gesetzgeber auf Bundesebene etwas verändern?
Waren Sie mal in Amsterdam? Da gibt es ja einen riesigen Touristenandrang. Abends sind die Straßen komplett zugemüllt. Aber am nächsten Morgen ist es wieder vollkommen sauber. Wie wäre so ein Amsterdamer Modell. Denn Müll verursachen lassen, aber eben durch ein erhöhtes Aufgebot an Einsatzkräften schnell wieder beseitigen lassen.
Will: Genau so wollen wir es ja. Aber es muss von den Verursachern finanziert werden. Das darf nicht dem Steuerzahler zur Last fallen. Es gibt Menschen, die nur sehr wenig Müll produzieren. Warum sollten die für alle haften? Das Verursacherprinzip ist allgemein als gerecht anerkannt. Warum sollte es hier nicht gelten?
Da sind wir mal gespannt, ob das möglich ist und ob die Kommune so etwas regeln kann.
Will: Die Kommune kann das nicht regeln und das behaupten wir auch nicht. Aber die Kommune muss sich dafür einsetzen, dass es umgesetzt wird.
Kriminalitätsstatistik falsch?
Sie haben ausgesagt, die Kriminalitätsstatistik sei falsch oder zumindest nicht richtig dargestellt. Wollen Sie behaupten, dass die Polizei die Öffentlichkeit betrügt?
Will: Nein. Aber schauen Sie sich die Polizeistatistik auf der Bundesebene an. Dann sehen sie, dass man dort eine Menge Informationen erhält, die für die Kommunen gar nicht veröffentlicht werden. Da gibt es sehr differenzierte Darstellungen nach unterschiedlichen Delikten, auch nach verschiedenen Nationalitäten. Auf kommunaler Ebene bekommt man aber immer nur Auszüge und zwar so, dass sie die Dinge in einem möglichst positiven Licht darstellen.
In der Mannheimer Statistik wird angegeben, dass Wohnungseinbrüche nur zu acht Prozent aufgeklärt werden. Das ist schmerzlich wenig. Das ist doch eine sehr transparente Darstellung: Die Polizei gesteht sich ein, wir kriegen diese Verbrechen kaum aufgeklärt. Ich habe ehrlich gesagt nicht den Eindruck, dass da etwas beschönigt wird. Die Gesamtaufklärung liegt knapp über 50 Prozent. Sonderlich ermutigende Zahlen sind das nicht. Sie kritisieren auch die Polizeireform. Tatsache ist, dass das Revier jetzt zwei Beamte mehr. Sie stellen es so dar als würde sich die Polizeireform schon jetzt negativ auswirken, obwohl sie erst seit einem halben Jahr greift.
Will: Das habe ich nie behauptet.
Sie sagen für die Traditionsparteien sei Täterschutz wichtiger als Opferschutz. Wie begründen Sie das?
Will: Die Gewichte sind hier ungleich verteilt. Das sagen auch noch viele andere. Die Sorge den Tätern keine Ungerechtigkeit zuzufügen ist größer ausgeprägt als die Sorge um das Wohl der Opfer. Und sie fragen, was daran falsch ist?
Vielleicht ist der Ausgangsgedanke, dass der Staat alles tun muss, um nicht selbst zum Täter zu werden. Ähnlich ist es mit der Todesstrafe. Viele fordern im Prozess gegen Emil S.: Kopf ab. Ich wähle das Beispiel, weil es hier um alles oder nichts geht. Hier kann man sehr genau sehen, wie Strafverfolgung in unserem System verstanden wird. In dem Moment, in dem der Staat Menschen tötet, wird er selbst zum Täter.
Will: Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, aber ich kenne keinen einzigen vernünftigen Menschen, der die Todesstrafe fordert.
Was soll Video-Überwachung bringen?
Was ist eine angemessene Entschädigung für Opfer, wenn es nicht um Delikte geht, die mit Geld zusammenhängen? Zum Beispiel gegen Vergewaltiger.
Will: Das steht im Strafgesetzbuch und das müssen die Richter herausfinden. Und Ende.
Also muss man da nichts daran ändern?
Will: Strafrecht ist ja auch kein kommunalpolitisches Thema.
Aber Sie wollen die Videoüberwachung. Aber eigentlich bringt das ja nichts.
Will: Das kann man so nicht sagen.
In London gibt es einen Terroranschlag, obwohl da an jeder Ecke eine Kamera ist.
Will: Sie können trotzdem nicht pauschal sagen, dass es nutzlos ist. Wenn es einmal hilft, hat es einmal mehr geholfen als ohne. Dass es nichts bringt, können Sie aber nicht beweisen. Allein aus den Gründen der Logik.
Das kann man schon beweisen, zum Beispiel anhand verschiedener Missbrauchsfälle…
Beweisen Sie mir doch mal, dass sie nicht pädophil sind…
Will: Beweisen Sie mir doch mal, dass Sie nicht pädophil sind. Das geht nicht.
Naja, das ist ja jetzt etwas vollkommen anderes. Und kein Vergleich, der zur Videoüberwachung passt.
Will: Es gibt bestimmte Dinge, die kann man nicht beweisen.
Man kann aber folgendes beweisen: Dort wo sie private Daten über Personen erheben, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Das hat der NSA-Skandal gezeigt.
Will: Wir sind immer darauf angewiesen, dass die Polizei rechtsstaatlich vorgeht und sich nicht verselbstständigt. Aber das kann ja kein generelles Argument dafür sein, dass man auf Dinge verzichtet, die sinnvoll und effektiv sind. Wenn auf irgendeinem Video 48 Stunden lang zu sehen ist, ob ich in den Mannheimer Hauptbahnhof gehe, sehe ich meine Freiheitsrechte dadurch nicht beeinträchtigt.
Naja. Wenn Sie gerade auf dem Weg zu ihrer Geliebten sind und dann einen netten Brief erhalten, ob ihre Frau davon erfahren sollte…
Will: Einen polizeilichen Erpresser kann ich mir nicht vorstellen.
Aber die Videoüberwachung wird ja nicht von der Polizei, sondern von Dienstleistern durchgeführt.
Will: Aber Dienstleister stellen ja auch ihre Post zu. Und sie wollen ja nicht unterstellen, dass die unterwegs die Post öffnen.
Auch das ist schon vorgekommen, obwohl es strafbar ist.
Will: Wir sind jedenfalls der Meinung, dass die Videoüberwachung die Freiheitsrechte viel weniger beeinträchtigt als sie eventueller Opfern Opfern zusätzlichen Schutz bietet.
“Verniedlichte Kriminalität”?
Sie fordern ein Ende der Verniedlichung und Ummäntelung von Kriminalität in Mannheim. Wer verniedlicht denn? Diesen Eindruck hatte ich bislang noch nicht. Der Kripo-Chef Kollmar betrachtet zum Beispiel jedes Verbrechen als eines zu viel.
Will: Die Polizei tut das gar nicht. Sondern die Parteien im Gemeinderat.
Die CDU tut das auch nicht.
Will: Dann tun wir der CDU vielleicht ein bisschen unrecht. Aber generell gibt es die Tendenz, dass die Mannheimer Parteien über verschiedene Verbrechen sagen, dass nicht alles optimal ist, aber dass es uns im Grunde sehr gut geht. Es wird nicht gezielt nach den Delikten gefragt, die die Bürger besonders belasten. Das sind typischerweise Eigentumsdelikte und Körperverletzung.
Der normale Bürger ist ja von irgendeinem Kleindealer typischerweise nicht belastet. In den bedeutenden Verbrechen sind die Aufklärungsraten durch die Bank schlecht. Aber die sind ja auch überall schlecht. Aber man muss eben darüber reden. Wenn ich die Aufklärungsrate verbessern will, schicke ich fünf Leute los und die nehmen 20 Kleindealer fest. In der Statistik sind das 20 aufgeklärte Verbrechen mehr – aber an der Sicherheit der Leute verändert das überhaupt nichts.
Will: Die echte Kriminalität wird hier kleingeredet und beschönigt. Und die hat zum Teil auch Bezug zu den offenen Grenzen.
Sie haben ja sehr viele Punkte auf dem Programm, alle werden wir da nicht schaffen – wollen Sie welche aussuchen?
Will: Ihre bisherige Auswahl ist ja verdammt einseitig. Fragen Sie doch mal nach den Kindergärten.
“BUGA ist ein Betrug”
Dazu kommen wir auch noch. Sie nennen die BUGA eine Mogel-BUGA. Was ist daran gemogelt?
Will: Die Kosten. Natürlich gibt es da auch sinnvolle Sachen. Aber die vorgestellten Kosten sind eine Lüge. Weder werden die angesetzten 100 Million für Investitionen eingehalten werden, noch wird es dabei bleiben, dass die übrigen 50 Millionen für die Buga-spezifischen Ausgaben werden, wie Mieten und Pachten oder Sponsoring, wieder reinkommen werden. Das ist unrealistisch. Der Bürgerentscheid ist durch die Stadt verfälscht wurden, dadurch dass bei den Kosten getrickst wurde. Das heißt, dass dieses sehr knappe Ergebnis durch eine massive Wählertäuschung manipuliert wurde.
Es gibt andere Städte wie Hamburg, die nach Mannheim schauen und sagen, die Stadt sei vorbildlich in Sachen Bürgerbeteiligung. Woher kommt das? Sind das gekaufte Stimmen? Oder wie erklären Sie sich diese unterschiedlichen Wahrnehmungen?
Will: Wir haben uns ja selbst positiv über die Beteiligung zur Konversionsplanung geäußert. Wir sind da nicht voreingenommen. Aber beim Bürgerentscheid ist bezüglich der Kosten gelogen wurde. Wenn sich unsere Befürchtungen bewahrheiten, dann beruhte das Abstimmungsergebnis auf Täuschung. Es gibt ja auch die Möglichkeit, dass wir uns irren und die Kosten nicht jeden Rahmen sprengen. Aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Wenn nicht, muss man sagen: Die Bürger wurden belogen. Sonst wäre das anders gekommen bei einem so knappen Ergebnis.
Kommen wir zur Familienplanung. Ist Ihnen bewusst, dass das traditionelle Familienleben bei Deutschen immer seltener wird. Bei Migranten ist es dagegen noch sehr häufig. Sind die da Ihrer Meinung nach gewissermaßen Vorbild für die Deutschen?
Will: Wenn Sie sich angucken, in welchen Verhältnissen die Kinder in Deutschland leben, ist das noch bei etwa zwei Dritteln normal. Also der überwiegende Teil lebt noch in normalen Familien.
“Normale” vs. “unnormale” Familien
Was sind denn unnormale Familien? Glauben Sie, allein erziehende Mütter sehen sich selbst unnormal?
Will: Dann sagen wir besser vollständige Familien. Natürlich kann man auch jedes Wort zu jedem Moment auf die Goldwaage legen. Man kann den gesprochenen Satz auch absichtlich falsch interpretieren. Was war die eigentliche Frage?
Ich habe gefragt, ob ausländische Familienstrukturen den deutschen ein Vorbild sein können. Daraufhin haben Sie gesagt, zwei Drittel der deutschen Kinder wachsen immer noch in vollständigen Familien auf.
Will: Vielleicht sind es sogar noch mehr.
Sie sehen die vollständige Familie also immer noch als Grundelement der Deutschen Gesellschaft?
Will: Wenn man möchte, dass Kinder geboren werden in einer Anzahl, dass man damit den Stand der Bevölkerung mehr oder weniger erhalten kann, dann ist die beste Umgebung sicher eine funktionierende Familie.
Sie wollen die Öffnungszeiten von Kindertagesstätten deutlich erhöhen, um sie besser an die Situationen berufstätiger Eltern anzupassen. Das kostet natürlich.
Will: Es ist unsere einzige Forderung, die wirklich Geld kostet.
In Rheinland-Pfalz ist die Kinderbetreuung für Eltern kostenlos. Dafür muss der Steuerzahler aufkommen. Kann das ein Modell sein? Hier in der Region sind die Beträge sehr unterschiedlich, Mannheim liegt im Mittelfeld.
Will: Worum es bei der Sache geht, ist, dass Müttern ermöglicht werden soll, einen Beruf auszuüben. Die können derzeit bestimmte Arbeitsplätze gar nicht annehmen. In jedem Stadtteil soll es wenigstens einen Kindergarten geben, der Menschen das Arbeiten zu Randstunden ermöglicht. Wir können natürlich nicht sagen, wir wollen eine geburtenfördernde Politik machen, die aber nichts kosten darf.
Sie sagen, die GBG ist ein wichtiges Instrument für einen funktionierenden Wohnungsmarkt. Ist das einfach eine Feststellung?
Will: Es gibt ja auch gewisse Positionen, die fordern, möglichst viele Wohnungen zu verkaufen. Das wollen wir nicht.
Sie sind gegen irgendwelche Gender-Quotierungen. Warum?
Will: Wenn wir Frauen ein Umfeld geben, in dem sie besser arbeiten können, wird sich der Anteil ganz automatisch erhöhen. Aber erzwungene Quoten halten wir für falsch. Es sollten diejenigen die Arbeiten übernehmen, die am besten dafür geeignet sind.
“Es stört mich, wenn der AfD Nazi-Propaganda vorgeworfen wird”
Sie sind auch gegen wirtschaftliche Quotierung…
Will: Sie hangeln hier sich gerade Punkt für Punkt an unserem Flyer entlang. Das spricht natürlich Bände. Jeder weiß natürlich, dass der Flyer nur die Kurzform der Kurzform ist. Ich bin sehr gespannt, ob sie das bei anderen Parteien auch machen. Befragen Sie die auch auf der Basis ihrer Wahlflyer?
Das hängt immer von der Situation ab. Was stört Sie?
Will: Es ist ziemlich dreist, wenn der AfD Nazipropaganda vorgeworfen wird.
Der Spruch: „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ ist ein typischer NPD-Slogan.
Will: Nicht alles, was von der NPD kommt, ist deswegen sofort Nazipropaganda. Wir sollten uns mal darüber einigen, was wir unter einem Nazi verstehen. Ich sage ihnen Mal, was ein Nazi ist: Das ist, wenn man das gesamte öffentliche Leben nach einem Führerprinzip organisieren will und die gesamte demokratische Grundordnung abschaffen will. Das ist Nazi. Nazi ist, wenn man der Auffassung ist, es gäbe eine herausragende Herrenrasse, die gegenüber anderen bevorzugt werden sollte und andere beherrschen sollen. Aber wenn sie ehrlich sind: Gibt es in auch nur einer einzigen abgesegneten Veröffentlichung der AfD auch nur den geringsten Hinweis auf Nazi? Das ist doch grundsätzlich falsch, jeden einzelnen Begriff eines politischen Gegners so umzubiegen, dass man ihn möglichst gut damit diffamieren kann. Das kann nicht die richtige Methode sein.
Ich habe zum Beispiel keine Angst für Überfremdung. Im Gegenteil: Ich freue mich darüber, weil ich die ausländische Bevölkerung als Bereicherung ansehe.
Will: Ich habe auch keine Überfremdungsfurcht, weil ich hier lebe und das eben nicht so empfinde. Andere empfinden das aber eben schon so.
Aufklärung statt Furcht?
Dann ist aber die Frage, ob man sich der Furcht vielleicht durch bessere Aufklärung widmen sollte?
Will: Aufklärung heißt bei Ihnen aber immer, man muss den Leuten ihre Gefühle ausreden.
Nein, das muss man nicht. Aber vielleicht muss man ihnen mit Hilfe von Informationen vermitteln, dass sie manche Ängste nicht haben brauchen. Wenn Kinder Angst vor der Dunkelheit haben, kann man ihnen beibringen, dass sie sich auch da gut bewegen können. Wer hat am meisten Angst vor Kriminalität?
Will: Das kann man so nicht sagen.
Das sind Frauen über 60 Jahre. Und wer wird am seltensten Opfer von Kriminalität?
Will: Vermutlich dann die Frauen über 60.
Genau. Und jetzt möchte ich diesen Frauen ihre Gefühle nicht ausreden, sondern sie über folgendes aufklären: Nur weil du Gefühle entwickelst, muss das nicht etwas mit der Realität zu tun haben. Am häufigsten werden Männer unter 25 Jahren Opfer von Kriminalität.
Will: Jetzt haben Sie aber wieder nur die Hälfte von dem erzählt, was zum Gesamtbild dazu gehört. Nämlich: Warum sind die Frauen über 60 so selten Opfer von Kriminalität? Weil sie jeder Situation aus dem Weg gehen, in der es zu so etwas kommen könnte. Der Grund warum die männlichen Jugendlichen so häufig Opfer werden, ist weil sie sich auch am häufigsten furchtlos in diese Situationen begeben.
Vorwürfe, Ängste schüren, Verschwörungen wittern
Nochmal zu Nazi: Das ist nicht nur das Führerprinzip, sondern auch die Schuldzuweisung an andere und das schüren von Ängsten. Und das ist ja auch massiv bei der AfD zu beobachten. Andere Organisationen werden unter Generalverdacht gestellt. Dazu gesellst sich eine Art Verschwörungslogik: Alle sind sie hinter uns her. Wir sind die Opfer und müssen uns wehren. Und das ist eine Grundlage für faschistische und nationalistische Argumentation. Wo kommt das bei der AfD her?
Will: Sie zählen hier etwas auf, das typisch ist für viele Wähler am rechten Rand. Dass sie glauben, hier sind finstere Mächte am Werk. Was sie jetzt machen ist, dass Sie so tun, als könnte man das einfach auf die AfD übertragen. Was mich an Ihnen stört, ist dass sie ein vorgefertigtes Bild der AfD haben, das sich aus irgendwelcher Tertiärliteratur zusammensetzt, wobei sie offensichtlich nicht die Quellen studieren.
“Ich wurde mit “Eingeborene” falsch zitiert”
Sie tun jetzt gerade genau das, was ich angesprochen habe: Sie unterstellen mir einen bösen Willen, der nicht vorhanden ist. Es ist selbstverständlich, dass ich mir Positionspapiere anschaue, wenn es welche gibt. Wenn Sie im Mannheimer Morgen zitiert werden “Eingeborene” schützen zu wollen…
Will: Haben Sie das Zitat überprüft?
Ist es falsch? Ich habe nicht gesehen, dass Sie den Mannheimer Morgen aufgefordert haben, das richtigzustellen.
Will: Der Mannheimer Morgen hat das Zitat auch nicht gebracht.
Sondern?
Will: Der Herr Eisenhauer hat es gebracht (Anm. d. Red.: Spitzenkandidat der SPD, siehe “Wenn Warnen zum Wahn wird”). Das ging zurück auf eine Veranstaltung des Mannheimer Morgen. Und in diesem Zusammenhang habe ich gesagt: “Die durchschnittlichen Kriminalitätsstatistiken sind völlig uninteressant. Man muss sich anschauen, was die Straftaten sind, die die Eingeborenen wirklich belastet.” Aber, dass man irgendwelche Eingeborenen vor irgendwem schützen müsse, ist in keinem Zusammenhang gesagt worden.
Aber der Ausdruck “die Eingeborenen” ist gefallen? Es haben ja nicht nur die Eingeborenen Angst vor Kriminalität, sondern auch Türken, Polen und so weiter. Menschen anderer Nationalitäten haben doch genauso Angst vor Kriminalität. Wir stehen ja auf dem Stand, dass man immer die Interessen aller Einwohner betrachten muss.
Also reden Sie künftig lieber von “Einwohner” als von “Eingeborenen”?
Will: Hören Sie doch auf. Es gibt Fälle, bei denen es Sinn macht, zwischen den Eingeborenen und den Zugewanderten zu unterscheiden. Und es gibt Fälle, wo es keinen Sinn macht. Wenn wir über Gesamtkriminalitätsbelastung reden, macht es überhaupt keinen Sinn, diese Unterscheidung zu treffen. Wenn wir über Themen, wie Überfremdung, reden, macht das sehr wohl Sinn. Und wenn man sich anschaut, wer welche Schulabschlüsse macht, wer welche Fächer studiert und wer sich fit macht, diese komplizierte Maschine am Laufen zu halten. Da macht es auch Sinn zu fragen, ob das etwas mit Herkunft zu tun hat.
Vielleicht haben Sie auch gesehen, dass es auf unserer Webseite eine kleine lustige Umfrage läuft, wo man ankreuzen kann, wie Sie denn die Eingeborenen – die Mannheimer ohne Migrationshintergrund nennen wollen. Und wenn Sie noch nicht abgestimmt haben, lade ich Sie dazu ein, auch noch abzustimmen. Aber ich sehe es halt so: Auch ein Eingeborener mit Migrationshintergrund kann Mannheimer sein. Warum denn nicht? Früher oder später wird ein Eingeborener mit Migrationshintergrund Bloomaul sein. (Anm. d. Red.: Das ist längst der Fall, siehe Bülent Ceylan oder Dario Fontanella)
Die AfD eckt an
Herr Will: Es ist unbestritten und nicht zu übersehen, dass die AfD im ganzen Land enorm aneckt.
Will: Das ist nicht richtig.
Nein?
Will: Es gibt Leute, die haben eine Agenda. Die versuchen, sich darauf einzuschießen und Dinge aufzuspießen. Wir sind ja der politische Gegner. Da eckt man sowieso an. Das liegt in der Natur der Sache.
Aber wenn man sich die großen Medien mal anschaut: Süddeutsche, Zeit, Frankfurter Allgemeine: Da kommt die AfD überall schlecht weg.
Will: Nicht immer, aber relativ häufig.
Ist das jetzt eine Systemverschwörung der Altmedien? Das sind doch kluge Köpfe, die sich kritisch mit der AfD auseinandersetzen und zu dem Schluss kommen, dass die AfD im politischen Spektrum rechts von konservativ agiert.
Will: Wenn Sie mal in unser Europaprogramm gucken, merken Sie, dass das schwer zu begründen ist, weil ein Teil der Berichterstattung immer auf der Grundannahme basiert, dass das, was wir beschließen nicht wahr ist, sondern, dass wir eine geheime Agenda verfolgen würden. Und im journalistischen Gewerbe gibt es auch eine Menge beruflicher Aussichten, die davon abhängen, dass man wohlwollend über die Altparteien schreibt und weniger wohlwollend über neue Parteien. Früher gab es ja auch keine Prämie dafür, dass man wohlwollend über die Grünen geschrieben hat. Das hat sich aber im Laufe der Zeit geändert.
Rechts von den konservativen Parteien?
Aber könnte es nicht sein, dass die AfD, die es gerade mal seit einem Jahr und drei Monaten gibt, eigentlich noch in der großen Findungsphase ist? Und noch nicht genau weiß, was sie eigentlich als Partei sein will?
Will: Die Grünen zum Beispiel haben zehn Jahre gebraucht, um ihren Parteiauftrag zu finden. Das ging bei der AfD sehr viel schneller. Eine Partei braucht eine Findungsphase und natürlich ziehen Neugründungen immer ein paar Leute an, bei denen von vornherein klar ist, dass sie auf Dauer nicht dabei sein werden. Das kann auch gar nicht anders sein. Und jetzt kann man zweierlei Erkenntnisinteresse haben: Zum einen kann man versuchen herauszufinden, worauf es wahrscheinlich hinauslaufen wird, indem man den Mainstream betrachtet. Oder aber man betrachtet die ganzen Exoten, die sich an den Rändern befinden. Die kann man dann vorführen und zeigen, dass das ganze sowieso eine Totgeburt ist, die sich nachher auflöst. Und dann kommt es eben darauf an, welchen Erkenntnisgewinn man dahinter hat. Dementsprechend stellt man seine Frage und erhält auch entsprechende Antworten. Da sollte man einfach mal ins Programm schauen und nachsehen, was von der Mehrheit beschlossen worden ist. Es gibt andere Dinge, die nicht beschlossen worden sind, weil sie keine Mehrheit bekommen haben.
Trotzdem nochmals: Würden Sie die AfD rechts von den konservativen Parteien im politischen Spektrum positionieren?
Will: Das ist das größte Versagen der Politikwissenschaft, dass sie es – anders als das Marketing – nicht geschafft hat, irgendetwas anderes vorzubringen, als das Links-Rechts-Schema. Das ist ja eindimensional, danach eine Partei einzuordnen. Da muss man doch fragen, wie die Partei zu Demokratie, staatlicher Einmischung oder zu irgendwelchen Rechtsfragen steht. Und die Politikwissenschaft hat es nicht geschafft, etwas hervorzubringen, was eine vernünftige Einordnung ermöglicht.
AfD-Mitglieder aus allen Parteien
Wir können darüber eine lange akademische Debatte führen. Jetzt müssen wir mit dem umgehen, was wir haben. Also nochmal die Frage: Ist die AfD eine ausgewiesene rechtskonservative Partei?
Will: Es gibt programmatische Schnittmengen mit der SPD, mit den Grünen, den Linken, mit der CDU und der CSU.
Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass etwa ein Viertel der anfänglichen Mitglieder aus den verschiedenen Parteien stammen.
Will: Ich würde sogar sagen, dass es mehr sind. Aber es gibt einige Schnittmengen mit den Parteien im Bundestag. Aber es gibt keine Schnittmengen mit der NPD oder derartigen Parteien – außer irgendwelchem sprachlichen Zeugs, das man gar nicht vermeiden kann. Und wenn Sie auf die Webseiten der NPD und der anderen Parteien schauen, finden Sie dort kein herzliches Willkommen für die AfD, sondern überall lang und breit erklärt, warum die AfD lauter Dummköpfe und Verräter sind und nicht die richtigen Ansichten vertreten.
Die eigentlichen Experten, was die NPD-Ansichten angeht, sind die NPD-Leute und solange die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass ein anständiger NPD-Anhänger die AfD wählen darf… Offensichtlich wird dem keine Bedeutung beigemessen.
Herr Will, Sie wissen ja, wie wir auf die Sachen gekommen sind – es gibt viele Aussagen, die eher von rechten Parteien kommen, die es auch bei der AfD gibt.
Will: Also “Nazi” heißt bei mir: Führerprinzip, keine Demokratie, kein Rechtsstaat. Das heißt rassistische Verfolgung, “Herrenrasse”, die das Recht hat, über andere Leute zu richten. Das heißt, dass ich mit Hilfe von Krieg Lebensraum schaffen darf. Das ist Nazi. Können Sie mir mal erklären, wie man diesen Begriff derartig inflationieren kann? Dass im Grunde genommen alles versucht wird, alles und jedes darunter zu packen. Das ist doch verantwortungslos in einem ganz erheblichen Ausmaß. Das gleiche gilt für “Populismus”. Wenn Sie sich mal die Rede von der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles vor dem DGB-Kongress anhören: Die war von vorne bis hinten populistisch.
Und was ist dann Ihrer Meinung nach ein Populist?
Will: Das ist jemand, der Dinge fordert, weil er denkt, dass sie gut klingen, die aber nicht umsetzbar sind. Das macht der Populist, weil er damit punkten will. Wenn Sie die Programme durchgehen: Alles, was mit finanzieller Solidität zu tun hat, ist schonmal nicht populistisch. Darüber sind wir uns doch einig. Dann steht drinnen, dass Asylanten arbeiten dürfen sollen. Das ist auch nicht populistisch. Dann steht drin, dass die demografische Entwicklung eine qualifizierte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften erfordert. Dann kommen die Sozialleistungen und so weiter. Was daran ist populistisch?
Es ist auch nicht populistisch zu fordern, dass Sozialleistungen auf europäischer Ebene geregelt werden, damit sich die Menschen nicht auf der europäischen Landkarte nach den höchsten Sozialleistungen umschauen. Dann könnten wir uns das nämlich gar nicht mehr leisten. Das ist nicht populistisch, sondern einfach nur gerechnet. Wenn Sie behaupten, das sei populistisch, verdreht das doch die Tatsachen. Dann sind wir auf dem Standpunkt von “1984” – so lange die Dinge zu verdrehen, bis man Dichtung für Wahrheit hält.
Fakten als evolutionärer Prozess
Wer macht das?
Will: Das macht niemand. Das ist Evolution.
Sind wir also dabei, zu verdummen?
Will: Nein. Wir verändern uns, merken aber nicht richtig wie.
Aber Sie merken das?
Will: Nein. Das ist Pluralismus. Der wurde auf der Grundannahme erfunden, dass niemand im Besitz der Wahrheit ist. Im Pluralismus ist man gezwungen, über die Dinge zu diskutieren. Und da muss man Fakten und Argumente beibringen und dann wird man sehen, was gewinnt. Und das ganze ist ein evolutionärer Prozess. Da braucht man keine Verschwörungstheorie.
Das heißt, Sie stützen sich da vor allem auf Fakten?
Will: Fakten in mein Weltbild zu integrieren, ist mein Hobby.
Wie kommt es denn dazu, dass die AfD Ihrer Meinung nach so grundsätzliche falsch verstanden wird?
Will: Die AfD wird nicht falsch verstanden. Es gibt nur in der Politik den Grundsatz, dass man Fehler nicht zugeben darf. Und die meisten Leute halten sich daran. Dann gibt es eine Menge Leute, deren vergangenen politischen Jahre damit verbunden sind, dass sie intensive Propaganda für den Euro gemacht zu haben und was noch damit zusammenhängt. Deren letzte 30-40 Jahre sind damit verbunden, die heutige Sozialgesetzgebung gemacht zu haben, die kein Mensch mehr durchschaut und sich durch irgendwelche Verträge so die Hände gebunden haben, dass sie heute sagen, man könne nichts mehr ändern. Das sei alles so vereinbart.
Und diese Leute haben ein gemeinsames Interesse daran, zu behaupten, jemand Neues hätte Unrecht, wenn der auftritt und sagt: “Das habt Ihr angerichtet. Das kann so nicht weitergehen.” Das ist ein normaler politischer Prozess im Wettbewerb. Das sagen alle, die schonmal etwas verantwortet haben.
“Das Volk nimmt uns richtig wahr”
Sie glauben also fest daran, dass sich die AfD ausdifferenzieren und entwickeln wird?
Will: Die AfD wird langfristig einen eher libertären und einen eher konservativen Flügel haben. Und dann wird sie sich auch etablieren. Da bestehen keine Zweifel daran. Weil die Bedingung, die sie hervorgebracht haben, ja weiter existieren.
Ich habe mir ja auch den Herrn Professor Zeller in Schriesheim angehört. Eine sehr schwache Vorstellung. Ich werde mir den Herrn Henkel anschauen. Sind denn gewisse Personen in der AfD ein Problem? Beispielsweise ein Herr Lucke oder Frau von Storch, weil sie zu sehr polarisieren und der AfD unter Umständen auch gar nicht gut tun?
Will: Ich kann einen Unterschied zwischen der Wahrnehmung von Herrn Lucke und Herrn Henkel nicht erkennen.
Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, wird Herr Lucke extrem problematisiert und Herr Henkel so gut wie gar nicht.
Will: Aber ich schaue nicht auf die Berichterstattung. Ich sehe, mit welchen Leuten wir am Wahlkampfstand oder welche Leute zu Veranstaltungen kommen. Ich kann auch Leserbriefe lesen. Aber überall da, wo man die Stimme des Volkes hört, sehe ich keinen Wahrnehmungsunterschied.
Was ist die “Stimme des Volkes”?
Will: Das, was man mit eigenen Sinnen wahrnehmen kann, wobei man weiß, dass es nicht repräsentativ ist. Wer schonmal Wahlkampf gemacht hat, der weiß, dass man über den Kontakt mit den Menschen an Ständen schon Stimmungen aufnehmen kann.
Keine Prognose für die Wahlen
Aber warum muss man den Eindruck haben, dass, wenn man andere Medien liest, die AfD beispielsweise sehr stark gegen linke Kräfte polemisiert?
Will: Die Beschlusslage der Partei finden Sie im Programm. Die repräsentiert ja auch eine Bandbreite von politischen Aussagen. Die Auswahl, von dem, was gedruckt oder gesendet wird, betrifft nicht die Partei. Darauf hat die ja keinen Einfluss. Sie fragen ja nicht nach der Kunsthalle oder der Multihalle, sondern nach dem, was Sie für richtig halten. Das ist ja ok. Aber dadurch wird auch die Wahrnehmung beeinflusst, natürlich nicht unabsichtlich.
Als regionales Medium interessiert uns ganz besonders die anstehende Kommunalwahl. Was denken Sie, wie viele Sitze können Sie realistisch im Mannheimer Gemeinderat erreichen?
Will: Das kann ich nicht voraussagen.
Was erhoffen Sie sich?
Will: Ich erhoffe mir nichts, sondern das entscheidet der Wähler. Damit ist der Fall für mich erledigt. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit, da etwas vorherzusehen, weil es keine Erfahrungswert gibt.
Von Ihrer persönlichen Motivation her: Sie waren bis Mitte der 80er Jahre kommunalpolitisch aktiv. Sie sind aus der SPD ausgetreten. Haben seitdem politisch nichts gemacht und erklären sich jetzt wieder bereit, sich politisch engagieren.
Wie kommt das?
Will: Ich habe etwas wiedergutzumachen. Ich gehöre einer Generation an, die die Verhältnisse zu verantworten hat, die wir heute haben: Angefangen vom Euro, über die Staatsverschuldung, über den Verlust von Rechtsstaatlichkeit, über die europäische Hypertonie und so weiter.
Hallendebatten
Sprechen wir doch mal über kommunalpolitische Themen. Wie stehen Sie zu den Neubauplänen der Kunsthalle?
Will: Wir sind dafür, dass bevor die Kunsthalle abgerissen wird dort ein Gerüst im Maßstab 1:1 mit aufgedruckter Fassade von dem Neubau dahinkommt. Damit die Bürger sich anschauen können, wie der Neubau aussieht.
Hat das denn überhaupt schon jemand gemacht? Das ist doch relativ teuer.
Will: In der Schweiz ist es grundsätzlich so, dass man da Schnurgerüste aufstellen muss: Es werden Pfähle aufgestellt und Schnüre gespannt, dass man nachher den Kubus stehen sieht. Bei Berliner Stadtschloss hat man das genauso gemacht. Von den Kosten her sind das Peanuts, gemessen an den Gesamtbaukosten. Der Witz ist nur, dass es niemand will, dass man es in seiner tatsächlichen Größe sehen kann und zum anderen gibt es noch gar keine Fassade. Es ist erstaunlich, dass ein Wettbewerbsentwurf gewinnen konnte, der keine Fassade hat. Das ist symptomatisch für die Mannheimer Stadtbaupolitik. Und darüber gibt es keine öffentliche Diskussion.
Was wollen Sie für die Multihalle im Herzogenriedpark?
Will: Für die Multihalle gibt es seit 40 Jahren kein Nutzungskonzept. Die ist als vorübergehendes Bauwerk während der Dauer der Bundesgartenschau gebaut worden. Und seitdem steht das Ding fast immer leer, mal abgesehen von ein paar Sex-Messen und Familienfesten. Niemand kann etwas damit anfangen. Es ist zugig wie Hechtsuppe. Man kann es weder heizen noch kühlen. Dann wurden einfach 700.000 Euro ausgegeben für irgendwelche Untersuchungen. Einfach für nix. Und bei der Sanierung reden wir wahrscheinlich von Kosten in Höhe von 10 Millionen Euro. Und wenn man sie saniert, hat man in 40 Jahren genau das gleiche Problem.
Sie wollen die Halle also abreißen?
Will: Ja. Das gehört doch zu einer vernünftigen Baupolitik, Gebäude mal abzustoßen, wenn sie in ihrer Unterhaltung zu teuer werden. Gleichzeitig wird die Stadt aufgrund der Überalterung immer mehr Sozialkosten haben, aber im Gegenzug nicht mehr Steuern einnehmen können. Deswegen muss man diskutieren, wie man die Kosten der laufenden Verwaltung senkt, um mehr Spielraum zu haben, die Dienste anzubieten, die wegen der Menschen einfach angeboten werden müssen. Aber über solche Dinge wird nicht diskutiert, weil das sehr abstrakt ist. Wer versteht das schon?
Forderung nach besseren Informationen
Was ist denn aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren in Sachen Straßen und Verkehr zu erledigen in Mannheim?
Will: Bei der Straßenunterhaltung sind sich alle einig. Genaue Konzepte habe ich noch nicht dazu gesehen. Aber insgesamt herrscht die Meinung vor, dass dafür mehr Geld ausgegeben werden soll. Deshalb ist damit zu rechnen, dass alle Beschlüsse darüber im Mannheimer Gemeinderat einstimmig sein werden. Aber der Radverkehr ist ein Thema. Es wird mehr Fahrradabstellplätze im Innenstadtbereich geben müssen.
Ein interessanter Punkt ist die Bürgerbeteiligung: Bei der Konversion haben Sie das gelobt. Bei der BUGA dagegen kritisiert. Was wäre da die Rolle der AfD in Mannheim, in Zukunft Bürgernähe und Partizipation herzustellen?
Will: Die eine Sache sind moderierte Beteiligungsverfahren bei Großprojekten. Die andere Sache ist, wie der Zugang der Bürger zur Verwaltung hergestellt wird. Eine Lösung dazu haben wir noch nicht. Deshalb fordern wir, einen Gemeinderatsausschuss einzusetzen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, was man in Zukunft dafür tun kann, dass bessere Informationen verfügbar sind und wie man Öffentlichkeit hergestellt werden kann. Denn eigentlich sind es nur 200 Leute, die die Mannheimer Stadtpolitik machen.