Weinheim/Mannheim, 23. März 2012. (red) In Weinheim gibt kommunalpolitisch ordentlich Zoff, weil der Gemeinderat ein Bürgerbehren nicht zulässt. Aus Sicht des baden-württembergischen Regionalplaners Manfred Hopfauf ist der Fläschentausch Hammelsbrunnen-Breitwiesen “ökologisch und verkehrlich” eine gute Lösung. In der Folge würde Hammelsbrunnen mit einem Grünzug überplant und kein mögliches Gewerbegebiet mehr. Oberbürgermeister Heiner Bernhard aber trägt die Verantwortung für den politischen Unfrieden in der Stadt – denn er hätte viel früher informieren können.
Von Hardy Prothmann
Soviel ist sicher – die aktuell laufende Regionalplanung ist ein sehr komplexes Geschäft. Seit dem Staatsvertrag 2005 überplanen die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz einen länderübergreifenden Regionalplan für die “Metropolregion”. Zuständig für die Regionalplanung ist der Regionalverband Rhein-Neckar.
Die Planung ist dreistufig von den Ländern über die Regionalplanung in die kommunale Planung. Die Stadt Weinheim stellt einen eigenen Flächennutzungsplan auf. Aktuell ist dort das Gebiet Hammelsbrunnen als mögliche Gewerbefläche ausgewiesen. Am 19. Oktober 2011 fasste der Gemeinderat auf Drängen des Oberbürgermeisters den Aufstellungsbeschluss, Hammelsbrunnen gegen Breitwiesen zu tauschen. Gegen diesen Beschluss läuft ein noch nicht entschiedenes Bürgerbegehren.
Breitwiesen bereits über ein Jahr in der Planung
Regionalplaner Manfred Hopfauf bestätigt auf Nachfrage, dass im September der Vorentwurf für die Regionalplanung vorgelegt worden ist und weiter:
Natürlich hat die Stadt mit uns Gespräch geführt und wir haben nach kontroverser Diskussion den Flächentausch im Vertrauen auf eine solche Entscheidung mit aufgenommen.”
An diesem Punkt wird es spannend. Es pressierte tatsächlich mit einer Entscheidung im Oktober, um noch in die Regionalplanung hineinzukommen. Die entscheidende Frage ist: Warum wurde die Bürgerschaft nicht frühzeitiger informiert? Denn Gespräche gab es schon zum Jahreswechsel 2010/2011.
Frühzeitige Information? Fehlanzeige
Oberbürgermeister Heiner Bernhard ist in guter Gesellschaft, wenn es um “frühzeitige” Informationen geht. Kaum ein Bürgermeister informiert wirklich früh. “Frühzeitig” ist ein sehr dehnbarer Begriff. Konkret auf die Situation bezogen hat der der Gemeinderat einen Aufstellungsbeschluss gefasst und seither gibt es zwar wenig konstruktive, aber doch Gespräche mit der Bürgerinitiative und damit stellvertretend fast 4.700 Unterzeichnern. Ist das nicht irgendwie auch sehr “frühzeitig”?
Egal, wie man den Begriff dehnt – aus Sicht des Oberbürgermeisters sind Fakten geschaffen worden. Er hält einen Bürgerentscheid für unzulässig. Die Bürgerinitiative für zulässig und der Gemeinderat hat sich auf Antrag von CDU und SPD nicht getraut, eine Entscheidung zu treffen.
Solange keine Entscheidung getroffen ist, geht die Regionalplanung von der Zulässigkeit des getroffenen Beschlusses aus. Sprich: Breitwiesen wird weiterhin als Gewerbefläche eingeplant. Und zwar im Tausch gegen Hammelsbrunnen:
Es war klar, dass Weinheim nicht mehr Fläche gibt. So bleibt mit Hammelsbrunnen verbindlich eine ökologisch wertvollere Fläche unbebaut und Breitwiesen wird herangezogen.
Hammelsbrunnen oder Breitwiesen
Für Manfred Hopfauf ist das planerisch alles eindeutig. Zwar versteht er Bedenken der Bürger. Er sagt aber auch:
Wenn der Beschluss nicht getroffen worden wäre, hätten wir Hammelsbrunnen als ausgewiesene Gewerbefläche in die Planung aufgenommen.
Das wird automatisch passieren, falls es eine wie auch immer geartete Entscheidung gegen Breitwiesen gibt:
Wenn dem so wäre, nehm ich Breitwiesen wieder raus und Hammelsbrunnen ist wieder drin.
Aktuell ist der Stand: “Wir werden Hammelsbrunnen mit regionalplanerischen Restriktionen überziehen.” Konkret: Da wird so schnell nichts mehr gebaut.
Übergreifende Regionalplanung
Den Hintergrund, warum der Regionalplaner, den Entschluss des Gemeinderats begrüßt, schildert er so: Hammelsbrunnen sei aktuell im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Die Regionalplanung sammelt zur Zeit alle Flächennutzungspläne ein und verbindet diese in einer übergreifenden Regionalplanung:
Wer Änderungen haben will, musste die bis vergangenen Herbst anmelden.
Das heißt, im April kommt es zur Anhörung bei der Verbandsversammlung. Im Mai geht die Vorplanung an die Träger öffentlicher Belange mit einer mindestens drei Monate dauernenden Offenlage. Im September/Oktober wird wieder beraten. Rund 1.500 Stellen werden gehört. Dazu können natürlich auch Bürger Einwände und Anregungen vorbringen:
Das mag hier und da gesetzlich nicht notwendig sein, aber wir nehmen darauf natürlich Rücksicht.
Das heißt, auch hier hat die BI “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” wiederum die Möglichkeit, sich gegen den Flächentausch zu wenden. Aber immer im Bewusstsein, dass, sollte es keinen Tausch geben, der alte Flächennutzungsplan mit Hammelsbrunnen gelten wird.
Geschmäckle
Das Verfahren ist sehr aufwendig und wird in etwa zweieinhalb Jahren beendet sein. Dann gelten die Flächennutzungspläne, die dort eingearbeitet sind. Für eine mittelfristige Planung spielen die 700-750 Hektar Konversionflächen eine unsichere Rolle: Viele zu viele rechtliche Unwägbarkeiten lasten noch auf den Arealen, als das man sie auch nur grob überplanen könne. Aus Sicht von drei bis fünf Jahren wird sich da vermutlich nicht sehr viel tun – Kommunen, die dann aber initiativ werden wollen, brauchen ihre beplanbaren Flächen – soweit die Regionalplanung.
Die Tatsache, dass Oberbürgermeister Bernhard schon gut ein Jahr an dem Projekt arbeitet, es dann aber im Galopp durch den Gemeinderat gebracht hat, hat mindestens ein Geschmäckle. Auch für den Gemeinderat, der insgesamt sehr überrascht getan hat, weil man angeblich auch nur kurz von den Planungen wusste. Sollte aber auch der Gemeinderat (oder Teile) schon früher als bislang bekannt von den Planungen gewusst haben, wird es streng. Dann hätte das Gremium mit all seinen politischen Volksvertretern ebenfalls kein Interesse gezeigt, die Bürger “frühzeitig” in Kenntnis zu setzen und jetzt sogar einen gesetzlichen Bürgerwillen vorsätzlich verletzt, indem nicht über das Bürgerbegehren entschieden worden ist.
“Bürgernähe” geht auch anders
Die jetzt beschlossenen “Bürgerräte” sind beim besten Willen kein Beweis dafür, dass OB Bernhard bürgerfreundlich agiert. Es ist der letzte Versuch, die im Hauruck-Verfahren durchgezogene Entscheidung für den Aufstellungsbeschluss irgendwie zu retten und den Anschein zu wahren, alle laufe in einem geordneten Verfahren ab.
Ein geordnetes Verfahren hätte spätestens 2010 den Plan bekannt gemacht, die Flächen tauschen zu wollen. Dann hätten sich Bürgerschaftschaft in öffentlicher Debatte eine Meinung bilden können. Und es wäre keine Rechtsunsicherheit entstanden, falls Bürger ein initiierendes Bürgerbegehren geplant hätten. Dann hätte es einen Bürgerentscheid geben können – der sich hinterher als gut oder falsch erwiesen hätte, ganz unabhängig vom Ausgang.
So bleiben zwei Alternativen: Entweder hat die Verwaltung das wichtige Thma verschlafen oder verbummelt oder sie bis zum letzten Ausweg gewartet, um Druck aufzubauen und eben keine Diskussion zuzulassen. Beide Varianten sind nicht sehr charmant und vor allem eins nicht: bürgerfreundlich.
Tatsächlich wurden Fakten geschaffen. Es gibt kein “Wachstum im Verbrauch”, wie Regionalplaner Manfred Hopfauf sagt. Das ist bezogen auf die ausgewiesenen Flächen zutreffend. Der Verbrauch der Energie der Bürger, der Verbrauch von politischer Glaubwürdigkeit des OB und des Gemeinderats hingegen, sind exorbitant hoch.